Blutige Ernte

  • Knaur
  • Erschienen: Januar 2009
  • 1
  • London: Macmillan, 2004, Titel: 'Bloody Harvests', Seiten: 402, Originalsprache
  • München: Knaur, 2009, Seiten: 507, Übersetzt: Silvia Visintini
Blutige Ernte
Blutige Ernte
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Jochen König
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2009

Eindrückliches, aber ausbaufähiges Debüt

Blutige Ernte ist der erste Teil der Harry Mason-Trilogie. Auf Englisch sind die beiden Folgebände bereits erschienen, hierzulande müssen wir noch mit dem Debüt Richard Kunzmanns vorlieb nehmen.

Das ein düsteres Bild vom Leben in Südafrika, speziell in Johannesburg, zeichnet. Noch bevor Harry Mason und sein Partner Jacob Tshabalala die Szenerie betreten, werden Menschen geköpft, auf offener Straße erschossen und ein mitleidloser Gangsterboss und Hexer versucht seine Schäfchen wenig zimperlich ins Trockene zu bringen. Religion, Magie möglicherweise, spielt eine große Rolle im südafrikanischen Alltag. Und kann in der Hand von skrupellosen Männern und Frauen zu einer mächtigen Waffe werden.

Das wird Mason und Tshabalala fast umgehend klar, als sie die verweste und ausgeweidete Leiche eines kleinen Mädchens in einem ausgetrockneten Flussbett finden.

 Zu Tode gefoltert und entsorgt wie Abfall, aber mit magischen Ingredienzien versehen, die Gläubige beunruhigen und Ungläubige um den Schlaf bringen. Harry Mason ist einer jener Ungläubigen, die durch die Begegnung mit dem Tod dieses Kindes und einer Religion, die sie weder akzeptieren noch verstehen, auf die eigene traumatisierte Vergangenheit und bedrohte Gegenwart zurück geworfen werden. Denn Mason hat eine Tochter, etwa im Alter des getöteten Mädchens. Was die Ermittlung für ihn zur persönlichen Angelegenheit werden lässt. Gleichzeitig wird er gepeinigt von den Dämonen seiner Kindheit. Womit es ihm nicht anders geht als seinem Partner Jacob. Doch obwohl sie bereits mehrere Jahre zusammen arbeiten, müssen sie erst lernen miteinander zu kommunizieren. Als das gelingt, stoßen sie bald auf einen Mann ohne Namen, der nur der "Albino" genannt wird, und sowohl perfider Gangsterboss, wie Hohepriester seiner zerstörerischen Religion ist. Angesichts einer schief gelaufenen Heroin-Transaktion wird er zum charismatischen Berserker und findet genug willige Helfer, die ihm bei der blutigen Rettung seines Imperiums helfen. So werden nicht nur die Ermittlungen konkret behindert, sondern auch das private Umfeld der Polizisten gerät in große Gefahr.

 Richard Kunzmann hat viel in sein Debüt hinein gepackt. Mitunter zu viel. Eine Vielzahl von handelnden Personen, Wege, die sich kreuzen, wieder auseinander laufen, Träume, blitzlichtartige Reisen in die Vergangenheit, kultureller Kampf und Missverständnisse, latenter und offener Rassismus – Kunzmann Blick auf das Leben in Südafrika ist kein freundlicher. Er sucht und findet das Grauen im Alltäglichen, zeigt die Hoffnung und vor allem den Schrecken auf, der in der Kraft religiöser Weltanschauung und Ausübung liegt. Doch auch, wenn der Hauptaugenmerk auf den Auswüchsen des heimischen religiösen Fanatismus liegt, bietet sich Katholizismus nicht als Alternative an. Wie so oft geht es um Verstehen und Akzeptanz: erst indem man sein Gegenüber und Miteinander als gleichberechtigt wahrnimmt und auch so behandelt, hat man die Chance, etwas gegen eine alles durchdringende Infiltration des Negativen – sei es schwarze Magie oder schlichte (Gewalt)kriminalität – ausrichten zu können. Eine bittere Lektion, wie der weiße Harry Mason im Laufe des Romans erfahren muss.

 Dabei gelingen Kunzmann, oft im Beiläufigen, eindrucksvolle Szenen, die in ihrem überbordenden Wahnsinn mitten im Alltäglichen stehen. Seien es ein Gespräch Harrys mit einer Inspektorin der "Abteilung Kinderschutz", die Odyssee der engagierten, aber unbedarften englischen Journalistin Nina durch ein labyrinthisches und bedrohliches Johannesburg, oder der bleihaltige Showdown in einem Komplex, in dem sich fokussiert, was schief läuft (nicht nur in Südafrika).

 Leider besitzt Blutige Ernte auch unübersehbare Schwächen, neben dem hohen Personalstand, der das Fortschreiten der Geschichte eher behindert als bereichert. Da ist zum einen das Pärchen Harry und Jacob, das wie die afrikanische Antwort auf Mel Gibson und Danny Glover wirkt. Zwar mit genügend Eigenheiten, um das Interesse aufrecht zu erhalten und nicht gänzlich zum Buddy-Klischee zu verkommen. Für die Folgebände muss sich aber einiges tun, um nicht in altbekannter Langeweile zu erstarren. Gravierender schlägt indes Amy, die genervte und nervende Ehefrau Masons, zu Buche. Stammt sie doch aus dem kleinen literarischen Katalog für die konfektionierte Gestaltung einer Polizistenfrau. Natürlich ist sie verstört vom gewalthaltigen Beruf ihres Gatten, von seiner Schweigsamkeit, dem einsamen Kampf mit seinen verschütteten und mit plötzlicher Wucht ausbrechenden Ängsten.

Glücklicherweise sind die gemeinsamen Szenen nicht allzu häufig – in denen Harry Mason desgleichen die wandelnde Plattitüde gibt. Außerdem scheint Kunzmann geahnt zu haben, dass er sich in eine künstlerische Sackgasse begibt und sorgt für ein wohlüberlegtes Finale.

 Insgesamt bleibt Blutige Ernte mit seiner Verquickung von Religion, Verbrechen, Politik und kluger Alltagsbeobachtung ein lesenswertes Debüt. Mit herzlichen Wünschen zur Steigerung für den Folgeroman.

Ob die Johannesburger Abteilung des südafrikanischen Tourismus-Verbandes hingegen glücklich mit dem Roman wird, darf bezweifelt werden.

Blutige Ernte

Richard Kunzmann, Knaur

Blutige Ernte

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