Pacific Paradise
- Suhrkamp
- Erschienen: Januar 2010
- 4
- London: William Heinemann, 2009, Titel: 'The gentlemen's hour', Seiten: 327, Originalsprache
- Berlin: Suhrkamp, 2010, Seiten: 385, Übersetzt: Conny Lösch
- Berlin: Suhrkamp, 2012, Seiten: 385
So I can walk again, like a white man!
Paradiese sind so angelegt, dass, wenn man nicht nur von ihnen träumt, zumeist aus Ihnen vertrieben wird. Zumal, wenn sie immer mehr für sich beanspruchen. Boone Daniels ist Surfer. Eigentlich nur Surfer. Damit kann man sein Leben allerdings nicht unterhalten, selbst wenn man umringt von der Dawn Patrol ist - von Dave the Love God, High Tide, Jonny Banzai und Hang Twelve - und selbst zur Legende geworden ist. Boone sitzt am liebsten auf einem Brett und passt die Wellen ab, die ihn über das ganze Leben hinweg tragen.
Doch das Wasser ist voll. Mit Sonnenhungrigen, mit Wellenjunkies, mit Anfängern, die den Einheimischen die Brandung streitig machen. Was liegt da näher, als sie zu vertreiben. Es kommt zu Spannungen, bei denen ausgerechnet Kelly Kuhio - ein um den Ausgleich zwischen rivalisierenden Gangs bemühter surfender Gentleman - totgeschlagen wird. Der Fall scheint klar zu sein: Corey Blasingame, Mitglied der Rockpile Crew, hat ein Geständnis abgelegt. Er will K2, Kelly Kuhio, durch einen Superman-Punch ermordet haben. Die wahren Surfer hassen den Jungen.
Love, Peace and Happiness sind unter der Sonne Kaliforniens ausgetrocknet. Was zuvor eine Lebensphilosophie war, dient nun dem Gig, der Selbstdarstellung, der Hackordnung. Ausgerechnet Boone Daniels, dem ehemaligen Cop, der sich als Private mehr schlecht als recht durchschlägt, wird von der Rechtsanwältin Petra Hall in den Fall hineingezogen, weil sie ihm unterstellt, vor lauter romantischer Verklärung die Veränderungen im Paradies nicht mitbekommen zu haben. Widerstrebend beginnt er entlastendes Material zu suchen, um Corey die Giftspritze zu ersparen.
Boone trifft auf einen allerziehenden Vater, der den Sohn beim Baseball bloßstellt, auf rechtsradikale Surfer, die sich zur Gang der 14 Worte zusammenrotten um ihren Strand sauber zu halten; er begegnet einem Angeklagten, der vorgibt, stolz auf seine Tat zu sein, weil er gedacht hat, bei Kuhio handele es sich um einen Schwarzen. Während die Dawn Patrol Boones Eintreten für den mutmaßlichen Mörder von K2 ablehnt, und sich in ihrer Surferseele gekränkt abwendet.
Dem nicht genug sitzt Red Eddie, den Boone ins Gefängnis gebracht hat und der dem surfenden Private etwas schuldig zu sein glaubt, weil der wiederum Red Eddies Sohn gerettet hat, statt in einem Hochsicherheitsgefängnis, von einer Fußfessel bewacht, in einer Luxusvilla und schwört Rache für den Mord an dem gebürtigen Hawaiianer K2. Um Corey Blasingames Leben steht es nicht gut.
Viel Feind, viel Ehr. Der Private ist auch diesmal allein auf sich gestellt, gerät unter Mordverdacht und in die Fänge eines Drogenkartells, das ihn gleich mal im Meer boarded. Hinzu kommt ein angeblich fataler Seitensprung, ein Bauskandal und eine Anwältin, die dem Helden den Kopf verdreht.
Das ist voller Drive, vermag mit drei, vier Sätzen Atmosphäre anzureißen, und ist in viele kleine Szenen geschnitten. So entsteht ein Bild von Kaliforniens Küste, das der Vertreibung aus dem Paradies gleichkommt. "Localism" heißt das Zauberwort, das sich die Anwohner an die Brust heften. Was nichts anderes heißt: Wenn du nicht hier wohnst, hau ab, such dir eine andere Welle.
Der Autor erzählt von Rissen, die nicht nur die Erde zu brechen vermögen, die auch Söhne auf die ewige Suche nach Menschen schicken, zu denen sie gehören wollen. Das kann nicht gut gehen.
So kommt es nicht von ungefähr, dass Don Winslow seine Geschichte wie bei der Schießerei am O.K. Corral beschließt, bei dem es zum finalen Countdown kommt. Paradiese lassen sich nicht beschützen. In der Verklärung überleben sie. Am besten in den Geschichten von früher. Wie die von der Dawn Patrol in der Schlacht vor Rockpile.
Die Wellen an Boone Daniels Strand tragen die Welt in sich. Und die lässt sich oft genug nicht bewahren.
Don Winslow, Suhrkamp
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