Tango und Theater

  • Erschienen: Januar 2000
  • 2

Der Heyne-Verlag hat sich eines amerikanischen Autors angenommen, der bereits drei Buchtitel in den Top Ten von amazon.com vorweisen kann, hierzulande aber erst mit zwei Titeln übersetzt wurde.  "Skin Deep" von Gary Braver, alias Gary Goshgarian, wird dabei in einem über 600 Seiten langen Thriller zu Die Maske.

 Hauptperson ist der psychisch gebeutelte Detective Steve Markarian, den einerseits seine Frau verlassen will, weil er ihrem Wunsch nach einem Kind nicht nachkommt und dem andrerseits sein Beruf kräftig auf den Geist geht, so dass er zu Tabletten und Alkohol greift. So gesehen hätten wir keinen amerikanischen Ermittler in unseren Buchläden gebraucht, denn es wimmelt ohnehin schon von kaputten Kriminalisten auf den Buchseiten von Skandinavien bis in Süden Europas.

 Also Steve zu einer Leiche gerufen wird, erkennt er die mit einem Wolford-Strumpf Ermordete sofort, denn er war am Vortag mit einer Flasche Champagner bei ihr. Aber Alkohol und Medikamente haben bei ihm einen Flashback erzeugt und er weiß nicht, ob er nicht selbst der Täter war. Die einzige Möglichkeit, die Wahrheit heraus zu finden oder zu verschleiern, bedeutet, dass er die Ermittlungen selbst in die Hand nimmt.

 Nun hat aber auch sein Partner Neil die Tote intensiver gekannt, denn er hatte ein kurzes Verhältnis mit ihr und der konservative Mann hatte offensichtlich ein Problem mit der Tatsache, dass die rothaarige Personal Trainerin nach Dienstschluss im Fitness-Center auch als Stripperin gearbeitet hat. Und um seine Beziehung zu vertuschen, wird im Umfeld des Strip-Clubs ein Täter gefunden, den er so lange bearbeitet, bis sich dieser in der Untersuchungshaft erhängt. Womit der Fall eigentlich abgeschlossen wäre, wenn Steve nicht weiterhin nach der Wahrheit suchen würde …

 Dazwischen pfuscht ihm aber seine Frau ins Handwerk, die sich unbedingt ihre griechische Höckernase und einige andere Kleinigkeiten im Gesicht von einer Koryphäe auf dem Gebiet der plastischen Chirurgie korrigieren lassen will. Und schon nach wenigen Wochen sieht sie den bisherigen rothaarigen Leichen zum Verwechseln ähnlich. Dazu beginnt sie auch noch eine Liaison mit dem Schönheitsarzt und ist plötzlich verschwunden. Zeit für Steve dem Alkohol und den Tabletten abzuschwören...

 Gary Braver lässt seinen Thriller auf zwei Ebenen ablaufen. Die eine Ebene beschäftigt sich mit dem Ermittler und seinem verkorksten Privatleben, die andere Ebene beschreibt den Werdegang des Serienmörders von der Pubertät bis in die Gegenwart. Sonderlich originell ist das nicht, aber der Autor hat genügend Wendungen eingebaut, dass man trotz einer permanenten Vorahnung bis zum letzten Teil nicht sicher sein kann, wer wirklich der Täter ist.

 Dabei bleibt die Spannung kontinuierlich auf einem guten Level und der Schreibstil kann in der Übersetzung von Sepp Leeb als flüssig und nicht besonders anspruchsvoll angesehen werden. Die Maske ist handwerklich brauchbare und leichtfüßige Unterhaltung, bei der über weite Strecken Sex and Crime praktiziert wird, was in diesem Fall aber für die Handlung wichtig ist und in keinem Fall übertrieben explizit ausgebreitet wird. Dazu kommen noch zahlreiche Details über alle chirurgischen Eingriffe an schönheitsgeilen Frauen und leichte Anflüge medizinischer Ethik, die aber hier mehr als Pausenfüller zwischen der Schnitzeljagd nach dem Täter und der Erläuterung seines Werdegangs gesehen werden können.

 Dieses Buch ist besser unterhaltendes Mittelmaß ohne große Ansprüche an den Leser und genau deswegen die richtige entspannende Abendlektüre.

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Wolfgang Franßen
1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2009

Vom Scheuen der Pferde - Anmerkungen zu einem Leseversuch

 Wer kennt das Bild nicht aus dem Fernsehen? Reitturnier, Stechen, der Oxer steht bevor, doch das Pferd will nicht. Es weigert sich, über das künstliche Hindernis zu setzen, und wirft seinen Reiter ab. Wer nicht gerade ein Pferdenarr ist, den mag den grotesken Moment des Aufbegehrens womöglich amüsieren. Die Natur siegt über die Dressur, über das Barren, über die in Aussicht stehende Belohnung, das Zuckerstückchen, und der am Boden liegende Reiter sucht zumeist seinen Helm, wenn er nicht gar im Steigbügel hängt.

Horst Hensel wird sich fragen, was hat das mit mir zu tun. In meinem Roman kommen keine Pferde vor. Ich liebe den Tango, das Theater, Menschen auf der Flucht. Nur wenn der Umschlag so dreist verspricht, dass ein Leser nach der ersten Seite angefixt ist, muss sich der Roman daran messen lassen.

 

Die Stöße des Atems liegen auf dem Hals, Blicke irgendwohin schieben sich an die Theke, unbezähmbare Begierde greift um sich, der Po, die Kerbe wird berührt und die Gesichter sind erhitzt.

 

Da soll man angefixt sein?

Eher scheut man vor den nächsten Seiten zurück und zögert, die erste Hürde, die Seite 5 zu nehmen. Wie viel Klischees mögen im Verlauf des Romans auf einen warten? Vor allem, wenn im zweiten Absatz die wunderbare Frage aufgeworfen wird:"Was einem alles durch'n Kopp geht beim Dösen."

Da ist man längst im sprachlichen Niemandsland angekommen und schreit sich die Seele nach einem Lektor aus, der einen Autor davor bewahrt, die gröbsten Fehler zu begehen und einen schnoddrigen Ausdruck mit Authentizität zu verwechseln.

Der 1947 im Ruhrgebiet geborene Hensel ist Autor zahlreicher Publikationen, darunter eines weiteren Kriminalromans mit dem Titel Tango, Trug und Teufel, der 2006 erschienen ist.  Unterstellen wir ihm einmal, dass er sich auf den Tanz besser als auf den sprachlichen Ausdruck versteht, der sich in Erotik verwandeln soll.

Man fragt man sich ohnehin, wieso in der Biographie ausdrücklich darauf verwiesen wird, dass Hensel als Autor Gott sei Dank auch der Verfasser seiner Werke ist. Beinhaltet dies der Ausdruck Autor nicht schon?

Der Kritiker scheut also vor dem Kriminalroman um Conny Schulze-Hartwigks zurück und überlässt ihn den Hardcore-Fans. Er nimmt sich einmal die Freiheit heraus zu sagen: Muss das sein? Nein, es muss nicht sein. Er legt ihn zur Seite, um sich nicht zu ärgern. Horst Hensels Bandbreite: Schulpädagogik, Literatursoziologie, Gedichte, Belletristik, Sprachpolitik, bis hin zur Praxisphilosophie umfasst ein weites Feld. Zu hoffen ist, dass er zumindest dort die adäquate Sprache findet.

Die erste Seite von Tango und Theater ist nach alter Duelltradition nicht satisfaktionsfähig. Selbst Krimis muss man schreiben können. Sie unterliegen Gesetzen. Auch wenn sie womöglich als niedere Gattung angesehen und im Universitätsalltag gerne als augenzwinkernde Fingerübung betrachtet werden, besitzen sie Sprache und zeichnen sich durch ausgefeilte Plots aus. Die ewige Diskussion über E- und U-Literatur in Deutschland sollte nicht dazu führen, dass der Krimi als niedere Gattung  alles aushält.

Zurück zu den Pferden. Zumeist müssen sie in den Parcours zurück. Bei Pferden kennt man keine Gnade. Manche von ihnen werden auch erschossen.

Tango und Theater

Horst Hensel,

Tango und Theater

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