Schweigepflicht
- Fischer Taschenbuch Verlag
- Erschienen: Januar 2009
- 2
- London: Harper Collins Avon, 2008, Titel: 'Damaged Goods', Originalsprache
- Frankfurt, M.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2009, Seiten: 430, Übersetzt: Christine Strüh
Solide Massenware mit kritischem Blick auf das englische Fürsorgesystem
Die Anwältin Lilly Valentine wird in das Fürsorgeheim "The Bushes" gerufen, wo ein neuer Fall auf sie wartet. Dort soll sie eigentlich helfen, die vierzehnjährige Kelsey Brand in eine neue Pflegefamilie zu vermitteln, doch dieser wird vorgeworfen, ihre Mutter Grace erschlagen zu haben. Vermutlich aus Rache, da diese ihre vier Töchter in das Heim bzw. in Pflegefamilien abgegeben hat. Lilly ist von Kelseys Unschuld überzeugt, aber eine Vernehmung erweist sich als schwierig, da Kelsey scheinbar versucht hat, sich mit einer Flasche Allzweckreiniger umzubringen. Nun ist ihre Haut an Lippen und Kinn so verätzt, dass sie nicht mehr sprechen kann und sich zudem in sich zurückzieht.
Lilly lässt ihre sonstigen Arbeiten vorübergehend ruhen, um dem Mädchen zu helfen. Eine neugierige Nachbarin der ermordeten Mutter steht ihr dabei aber im Weg, denn diese will am Mordabend gesehen haben, wie Kelsey ihre Mutter besuchte. Und auch Hermione Barrows erweist sich als ein grundlegendes Problem. Die bis dahin in der Öffentlichkeit unbekannte Politikerin sieht ihre Chance, sich über die Themen Jugendkriminalität und Sicherheit profilieren zu können. Medienwirksam fordert sie die Polizei auf, gegen Kelsey zum Schutz der Allgemeinheit zu ermitteln. Während sich die Schlinge um ihre junge Mandantin immer enger zieht, führt eine erste Spur geradewegs zu dem gefürchteten Kleinkriminellen Max Hardy, der mit Drogen und Kinderpornografie sein Geld verdient. Schon bald muss Lilly am eigenen Leib erfahren, dass sie sich mit ihren Ermittlungen in große Gefahr begibt…
In Schweigepflicht geht es um Erpressung, Kinderpornografie und Drogenhandel. Es ist aber gleichzeitig auch eine Abrechnung mit dem englischen Fürsorgesystem, in dem die meisten Jugendlichen nur verwaltet anstatt darin unterstützt werden, aus ihrem verkorksten Leben noch etwas zu machen. So erhält man einen interessanten Einblick in das Leben in "The Bushes", stellvertretend für derartige Einrichtungen, sowie in das englische Rechtssystem, in dem auch minderjährige Verdächtige im Gefängnis landen. Zumal dann, wenn Politik und Medien entsprechend Druck ausüben.
EAW = Ein Anderer War’s.
Die Anzahl der mitwirkenden Figuren ist überschaubar und so kommt von vornherein keine Hand voll Personen als Tatverdächtige in Betracht. Kelsey zu entlasten ist eine Sache, doch gelingt dies nur dann, wenn man eine andere Person glaubhaft als vermeintlichen Mörder ins Spiel bringen kann. Doch ausgerechnet Max Hardy, der drogenabhängige und gewaltbereite Dealer, den sich Lilly als Täter geradezu herbeisehnt, hat ein hieb- und stichfestes Alibi. Weitere Verdächtige sind zunächst nicht in Sicht und so ermittelt die Polizei gegen Kelsey und stellt diese schließlich vor Gericht und bringt sie somit ins Gefängnis.
Lilly ist schockiert, denn für eine Vierzehnjährige, die gerade erst überwinden muss, dass ihre Mutter ermordet und sie von ihren Geschwistern getrennt wurde, ist das Gefängnis (für Erwachsene) der denkbar ungünstigste Ort für eine positive Entwicklung. Hier übertreibt es die Autorin Helen Black ein wenig mit ihrer Darstellung. Die Protagonistin wird zum betriebsblinden Gutmenschen und die Polizisten und Staatsanwälte sind einfach nur die Bösen. Etwas weniger Schwarz-Weiß-Malerei hätte hier gut getan.
Ansonsten gelingt die Charakterzeichnung von Lilly recht angenehm. Sie verschlingt Schokoriegel in Massen, stürzt sich trotz aller Gefahren in den neuen Fall und vergisst darüber ein ums andere Mal die Erziehung ihres Sohnes Sam. Kein Wunder also, dass sie zudem keine Zeit findet ihr Privatleben zu ordnen, nachdem ihr Mann David sie wegen einer anderen Frau hat sitzen lassen und ein neuer Liebhaber noch nicht in Sicht ist. Besser gesagt er ist sehr wohl in Sicht, steht aber auf der falschen Seite des Gesetzes.
Obwohl in der Handlung wenig passiert, drängt ein flüssiger Schreibstil zum Weiterlesen. Angenehm hierbei ist, dass insbesondere das Thema Kinderpornografie zwar beleuchtet wird, die Autorin aber der Versuchung widersteht, sich hier in brutalen Details zu ergehen. Warum ihr jedoch am Ende ein paar handwerkliche Fehler unterlaufen – plötzlich wird an einigen Stellen aus Lilly plötzlich Valentine (Nachname) – bleibt dabei ihr Geheimnis; oder das ihres Lektors.
Helen Black, Fischer Taschenbuch Verlag
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