Tod der Geistermädchen

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2009
  • 1
  • London: Harper Collins Avon, 2008, Titel: 'The Trophy Taker', Seiten: 544, Originalsprache
  • München: Goldmann, 2009, Seiten: 442, Übersetzt: Johannes Finkbeiner
Tod der Geistermädchen
Tod der Geistermädchen
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Michael Drewniok
50°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2009

Schrecklich grausam oder eher lächerlich?

In Hongkong werden Teile der zerstückelten Leichen dreier "Geistermädchen" gefunden: So nennt man junge Frauen aus Europa und Nordamerika, die sich ihren Lebensunterhalt in Nachtclubs und ähnlichen Etablissements verdienen. Den toten Mädchen fehlen jeweils Körperteile, sodass davon auszugehen ist, dass der Täter eine makabre Trophäensammlung unterhält.
Der Fall geht an Detective Inspector Johnny Mann und ist seine Chance zur Rehabilitierung, denn der fähige Beamte wurde aus dem "Organised Crime and Triad Bureau" geworfen und in die Provinz strafversetzt, weil seine Privatfehde mit den Triaden – der asiatischen Mafia – in einen offenen Krieg auszuarten drohte. Auch dieses Mal ist Chan, Manns Todfeind von der Wo-Shing-Shing-Triade, in den Fall verwickelt: Die "Geistermädchen" waren im "Club Mercedes" beschäftigt, der fest in Triadenhand ist.

Ahnungslos gerät die Halbchinesin Georgina Johnson ins Visier des "Metzgers", wie der Mörder bald genannt wird. Sie kam aus England nach Hongkong, um ein neues Leben zu beginnen. Herzlich wird sie von ihren Cousinen Ka Lei und Lucy empfangen. Letztere arbeitet als Hostess im "Club Mercedes". Gerade hat sie sich nach einer Pechsträhne im Glücksspiel hoch bei Chan verschuldet, der damit nach Triaden-´Recht´ über sie und ihre Familie bestimmen kann, was Georgina einschließt. Die sticht auch Inspector Mann ins Auge, der sich um die junge Frau bemüht. Als Georgina spurlos verschwindet, argwöhnt Mann richtig, als er Chan beschuldigt. Obwohl ihn die von der Triade infiltrierten und geschmierten Behörden bei seinen Nachforschungen behindern, lässt Mann sich nicht stoppen. Weil die Justiz ihn nicht unterstützt, muss er das Recht in die eigene Hand nehmen …

Asien – exotisch, seltsam & gefährlich

Andere Länder, andere Sitten; das gilt aus westlicher Sicht offenbar vor allem für den asiatischen Raum, wenn man der Autorin von "Tod der Geistermädchen" Glauben schenken möchte. Dies fällt einerseits leicht, während Lee Weeks es ihren Lesern andererseits unnötig schwer macht. Das klingt kryptisch? Ist es aber nicht – leider, wie angemerkt werden muss.
Hongkong als Wundertüte und Höllenpfuhl stellt auch in der Kriminalliteratur kein Neuland dar. Sofort fallen dem diesbezüglich interessierten Leser die Romane der wunderbar bizarren Yellowthread-Street-Serie von William Marshall ein, was vermutlich ungerecht ist, weil der die Latte so hoch hängt, dass Neulinge wie Weeks sie erst recht reißen müssen.

Trotzdem ist Hongkong ein brodelnder Hotspot nicht nur der asiatischen Urbankultur und damit eine wunderbare Kulisse. Weeks hat dort einige Jahre außerhalb der Touristen-Reservate und keineswegs nur auf der Sonnenseite verbracht, was ihr intime Kenntnisse über gar nicht erfreuliche aber reale Aspekte eines Alltags beschert hat, der gänzlich eigenen Gesetzen und Regeln gehorcht.

Vom eigenen Anspruch überrollt

Das in Worte zu fassen, die sich nicht in Klischees erschöpfen, stellt sich als Herausforderung dar, der Weeks in ihrem Debütroman eindeutig nicht gewachsen ist. Ihr Wissen um Land und Leute wird deutlich, aber sie kann es nicht kanalisieren und in den Dienst ihrer Geschichte stellen. Zu viel will und versucht Weeks; sie bemerkt dabei nicht, dass sie die Handlung heillos überfrachtet.
Da haben wir den vom gerechten Rachekampf gegen die chinesische Mafia beseelten Helden, dessen Primärfeind einst sein bester Freund war. Johnny Mann ist darüber hinaus halb Hongkong-Chinese und halb Engländer, was eigene Probleme (hier: Problemchen) aufwirft. Natürlich prallt dieser Gutmensch immer wieder hart gegen die Gummiwände seiner von den Triaden auf allen Ebenen verseuchten Welt, was endlose und moralinschwere Tiraden in Gang setzt. Ohnehin ersetzt Gefühlsdusel echte Tragik.

Eine Lovestory muss sein, was Weeks als Anlass nimmt, eine naive und – dieser Gedanke lässt sich einfach schwer verkneifen – reichlich dämliche Maid ins Geschehen zu bringen. Das geschieht in epischer Breite und zehrt vermutlich von Weeks eigenen Erfahrungen, wirkt aber überzogen, zumal Georgina Johnson im weiteren Verlauf der Handlung zum nur mehr passiven Rettungsobjekt mutiert. Wieso sich der ansonsten eher zur taffen Weiblichkeit neigende Johnny Mann ausgerechnet in die blasse Georgina verguckt, bleibt ebenso rätselhaft.

Grusel mit der groben Kelle

Der Plot selbst steht auf eher Nudelteig-Füßen. Zunächst scheint sich "Tod der Geistermädchen" zum typischen Killer-Thriller unter Beteiligung eines genialischen Serienmörders zu entwickeln. Das bewahrheitet sich glücklicherweise nicht, doch die Alternative kann auch nicht entzücken. Sie soll hier dem potenziellen Leser natürlich nicht aufgedeckt werden. Auf jeden Fall ist viel Gewalt im Spiel, die sich nach und nach zum regelrechten Overkill steigert. Die Autorin orientiert sich hier anscheinend am Vorbild von Landsfrau Mo Hayder, die diesbezüglich neue Maßstäbe setzen konnte, wo Weeks sich auf oberflächliche Slasher-Effekte à la "Hostel" beschränkt. Was erschrecken soll, ist deshalb nur schrecklich.
Die Handlung kommt langsam in Gang, schweift immer wieder ab, wenn Weeks in pseudo-tragischen Privatschicksalen schwelgen möchte, oder tritt auf der Stelle, um sich dann plötzlich zu förmlich zu überschlagen, wobei die Logik den Anschluss verliert; Manns Hubschrauber-Attacke auf Chans Foltercamp wirkt einem James-Bond-Thriller der 1960er Jahre entliehen. Action ist Weeks Sache eindeutig nicht. Hastig ernennt sie Mann vor dem Inselfinale zum Fachmann für asiatische Kriegskunst und lässt ihn seine prall mit einschlägigen Gimmicks wie Wurfsternen und Killer-Darts gefüllte Waffentruhe öffnen.

So viele Subplots hat Weeks begonnen, dass sie nach dem eigentlichen Finale mit losen Fäden dasteht. Der Hauptschurke ist längst tot, als sie darangeht, hier notdürftig Ordnung zu schaffen. Manche Seite gilt es noch zu füllen, bis alle bisher ungestraft gebliebenen Finsterlinge ihr Fett weg bekommen haben. Wie man eine Krimi-Handlung energisch gliedert, statt nur Ereignis an Ereignis zu reihen, ist Weeks (noch?) fremd.

So böse, dass das Zwerchfell kracht

Das Böse ist als Phänomen der Lächerlichkeit erstaunlich nahe. Diese Erkenntnis verdanken wir u. a. Schriftstellern wie Lee Weeks, die sie vermutlich unfreiwillig verbreitet. Weeks scheitert mit dem Versuch, die Allgegenwart der Triaden-Kriminalität darzustellen. Sie versucht es, indem sie ihr Gesichter gibt. Chan, CK Leung oder gar Man Po sind jedoch höchstens Schurken-Stereotypen des Hongkong-B-Kinos. Sie spielen nur Rollen, und in denen wirken sie wenig überzeugend.
Ungeschickt wirken auch Weeks Bemühungen, das Geschehen mit Drama und Tragik aufzuladen. Der Handlungsstrang um Ka Mei/Lucy könnte im Grunde entfallen. Streichungen und Straffungen könnte die gesamte Geschichte, die keinesfalls über 450 Seiten trägt, generell gut vertragen. Stattdessen wird Lee Weeks sie fortsetzen. Ein zweiter Teil der Johnny-Mann-Reihe erschien noch 2008. Er wird im Zuge der sachten aber spürbaren Begeisterung für den (nicht gar zu) exotischen Krimi sicherlich ebenfalls seinen Weg nach Deutschland finden, wo sich zumindest der etwas wählerischere Leser ob dieser Tatsache mühelos in Geduld üben kann…

Tod der Geistermädchen

Lee Weeks, Goldmann

Tod der Geistermädchen

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