Freitags isst man Fisch
- ariadne
- Erschienen: Januar 2009
- 2
- Hamburg: ariadne, 2009, Seiten: 248, Originalsprache
Leichtigkeit mit Gewicht
Quirlige Mädels als Ermittlerinnen in deutschen Kriminalromanen, das kommt nicht jeden Tag auf den Tisch des Rezensenten. Spontan fällt einem der Debütroman von Lucie Klassen ein, Der 13. Brief, in dem das Girlie Lila Ziegler ziemlich rotzfrech ermittelt. Oder die kleine Serie von Robert Brack um die Hamburger Privatdetektivin Lenina Rabe. Neu im Rennen: Die Hamburger Physikstudentin Nikola Rührmann, deren erstes Abenteuer nun von Bohnet Pleitgen vorgelegt wird. Bohnet Pleitgen? Das sind - wie Charles Todd - eigentlich zwei, Mutter und Sohn.
Freitags isst man Fisch spielt im Jahr 1989. Warum, versteht man schnell. Denn Nikola tummelt sich bevorzugt im eher "alternativen", man kann auch sagen "linksradikalen" studentischen Milieu jener Zeit. Außerdem ist Nikola lesbisch – wenigstens zeitweise. Auf einer Party begegnet sie der betörend schönen Julia, Studentin auch sie. Liebe auf den ersten Blick – leider beruht die nicht auf Gegenseitigkeit. Denn Julia ist mit Kai verbandelt und beide treiben sich natürlich ebenfalls auf allerlei Demos und in besetzten Häusern herum. Keine Chance, Nikola. Oder doch? Denn eines Tages ist Kai tot. Autounfall mit anschließender Fahrerflucht, so jedenfalls sieht es aus. Um der trauernden Julia zu imponieren, verspricht ihr Nikola, den Fall zu klären. Und was sie verspricht, das hält sie auch.
Es beginnt also die übliche Schnüfflerarbeit mit Tatortbesichtung, Zeugenbefragungen, ein junger Mann mit zu großen Interesse an Kais Tod gerät in Nikolas Visier, doch die Spur endet zunächst tragisch auf einer schmierigen Toilette. Immerhin entwickelt sich zu Julia so etwas wie eine Freundschaft, aus der ja vielleicht mehr werden kann. Nikola bleibt also auf der Fährte - und wozu hat man all diese merkwürdigen Kumpels wie den Taxi-Christian und Asphalt-Winfried, deren Talente man für sich nutzen kann? Dass der angebliche Unfall mit Fahrerflucht sich als kaltblütiger Mord entpuppt, nun, das hat der routinierte Krimileser von vornherein geahnt. Und auch die große Schweinerei, auf die alles hinausläuft, überrascht nicht.
Mit dem eigentlichen Plot hat es daher wenig zu tun, wenn Freitags isst man Fisch eine erfreuliche und unterhaltsame Geschichte geworden ist. Aber das Genrebild der studentischen Subkultur mit ihren durch die Bank ambivalenten Typen ist dem Autorenduo allerliebst gelungen. Durchaus witzig, ohne Parodie zu sein, realistisch und dennoch pointiert, eine Typologie Hamburgs jenseits des Klischees von Reeperbahn und Hafen.
Dickster Pluspunkt jedoch ist Nikola selbst. Sie möchte Julia erobern, nichts weiter, Kai und sein Schicksal, das interessiert sie nur als Mittel zum Zweck. Eine clevere Studentin, die nicht auf den Mund gefallen ist, ein wenig oberflächlich, so führt sie sich ein – und offenbart, je genauer man sie kennenlernt, doch erstaunliche Tiefe. Nichts dramatisches, keine "Dämonen", sondern die ganz normale Schizophrenie des Lebens. Eine interessante Person also und irgendwie charakteristisch für die Zeit und das Milieu. Diese Mischung aus erzählerischer Leichtigkeit und einer immer präsenten charakterlichen Zerrissenheit der Protagonistin machen Freitags isst man Fisch zu einem rundum gelungenen Debüt. Da Bohnet Pleitgen uns den weiteren kriminalistischen Lebensweg Nikolas nicht vorenthalten wollen, dürfte hier eine spannende, erfrischend geradlinige und in der Wirklichkeit verwurzelte Serie entstehen. Freuen wir uns darauf.Bohnet Pleitgen, ariadne
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