Ein fast perfekter Plan
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2009
- 23
- Hamburg: Rowohlt, 2009, Seiten: 428, Originalsprache
- Berlin: Argon, 2010, Seiten: 5, Übersetzt: Andrea Sawatzki
Anfang und Ende prickelnd – dazwischen viel Langeweile
In Petra Hammesfahrs Krimis spielen oft nicht die Ermittler die Hauptrolle, die einen Mordfall aufrollen und psychologische Täterprofile erstellen, um den oder die Täter zu schnappen. In diesen, manchmal mit Personenbezeichnungen wie Die Sünderin, Die Mutter, oder Die Freundin betitelten Krimis, sind es scheinbar normale Durchschnittsmenschen, die in unserer Nachbarschaft leben könnten, die perfide Verbrechen begehen. Aus Gründen, die jeder kennt, wie Neid und Eifersucht.
Traum vom Jetsetleben
Gern hört die Friseurin Kerstin Riedke ihrer besten Kundin, Carla Sartorius zu, wenn sie von ihrem Jetsetleben an der Seite des reichen Anwalts Hartmut Sartorius erzählt, von exklusiven Reisen und der Luxusvilla in Köln Hahnwald. Dabei kommt Carla aus ganz einfachen Verhältnissen. Sie hatte sich auf eine Annonce als Kinderfrau beworben und wurde die zweite Ehefrau des alleinerziehenden Vaters einer Tochter. Eines Tages bricht Carla im Salon in Tränen aus und berichtet, Hartmut leide an einem Bronchialkarzinom.
Der gelernt Schreiner Richard Maltei gab seinen sicheren Job in einem Bestattungsunternehmen seiner Freundin Kerstin zuliebe auf. Ein Reinigungsunternehmen setzt ihn nun dort ein, wo er gebraucht wird. Zufällig ist das gerade die Baustelle des Hauses, welches Hartmut Sartorius seiner Tochter Regine zur Vermählung mit dem Wunschschwiegersohn schenken will. Doch die sensible Regine löst die Verlobung und scheint sich ausgerechnet für den Mann zu interessieren, den ihr Vater später als "Handfeger" bezeichnen wird: Richard. Für Kerstin bietet sich damit die Gelegenheit, an Geldmengen zu gelangen, die ihr Salon niemals abwerfen wird. Richard soll Regine heiraten, den Krebstod des Schwiegervaters abwarten und nach einem Jahr seine Ehefrau um die Ecke bringen.
Zunächst scheint der Plan aufzugehen. Doch da sind noch Regines spiritistischer Kontakt zu ihrem bei der Geburt verstorbenen Zwillingsbruder und düstere Vorahnungen vom Tod....
Charakterzeichnung top – Glaubwürdigkeit und Spannung flop
Soviel vorab: Gut, das Frau Hammesfahr den Leichenfund in den Prolog gesetzt und drastisch geschildert hat, sonst wäre das Durchhalten des Krimis Ein fast perfekter Plan noch schwerer gefallen.
Der Anfang ist fies und furios. Von "Hackfleisch" ist die Rede, als die Autorin die Leiche einer Frau in einer ausgehobenen Grube beschreibt. Tatwerkzeuge sind Spitzhacke und Spaten, der Täter scheint klar, aber:
Um seine Unschuld zu beweisen, bot er eine unglaubliche Geschichte und sprach danach kein Wort mehr.
Das macht natürlich neugierig auf die Geschichte, die hinter der Tat steckt. Und die erfährt man auf knapp 400 langen Seiten. Man verfolgt die Liebes- oder vielmehr Abhängigkeitsgeschichte des rückgratlosen Richard Malteis zu seiner eiskalten Geliebten, der Friseurin Kerstin Riedke. Der teuflische, "fast perfekte" Plan wird ersonnen und angegangen.
Der Leser beobachtet das Geschehen aus der sehr eingeschränkten Perspektive Richards oder Kerstins, später auch aus der des vorgesehenen Opfers Regine. Man erfährt zunächst nichts über die Hintergründe und aus Sicht der Protagonisten betrachtet, scheint die Entwicklung vorprogrammiert. Kerstin, wohnhaft in Bergheim, einer Kleinstadt in der Nähe von Köln, Friseurin mit eigenem Salon, ist die, auf die der Klappentexttitel "abgrundtief böse" zutrifft. Zielstrebig, eiskalt präzise manipulierend agiert sie, scheint stets alles im Griff zu haben.
Richards Weg beschreibt Petra Hammesfahr so treffend als "vorgezeichnet auf dem kleinkarierten Papier der Möglichkeiten". Er ist ein Looser, sein größtes Erfolgserlebnis: Die 10 Jahre ältere, erfahrene Kerstin abbekommen zu haben. Auch für Regine, die reiche Sartorius-Tochter, die umgebracht und beerbt werden soll, hat die Autorin ein vortreffliches Bild parat. Diese sieht sich in einer Vision selbst als Hundewelpe, der Richards Hände leckt, während er eine tödliche Spritze bekommt. Und schließlich Carla, die an der Seite von "Väterchen Frost" die gut situierte Illusion eines Familienlebens lebt.
Die Autorin bestückt ihre Handlungsbühne mit exzellent charakterisierten, aber durchweg stereotypen Figuren, von denen nicht eine nachvollziehbar handelt. Der "fast perfekte Plan" bröckelt, was die Autorin geschickt immer wieder mit Anmerkungen und Nebensätzen andeutet, noch bevor die entsprechenden Ereignisse passieren. Unterschwellig wird dadurch Spannung aufgebaut, allerdings zu zäh und langatmig, fast an der Wahrnehmungsgrenze. Für das Scheitern des "perfekten Plans" hätte es die "Vorsehung" des vermeintlichen Opfers nicht gebraucht, aber auch da muss der Leser durch. Gefakte und scheinbar reale Visionen, immer wieder wird diskutiert, missverstanden und experimentiert. Die Spannung wird dadurch höchstens um einen Schwellenbruchteil angehoben.
Das Ende naht, da muss ja noch etwas kommen
Die letzten 50 Seiten entschädigen tatsächlich für ein weit ausgedehntes Beziehungsgeplänkel, zahlreiche Irrtümer, aus denen niemand lernt und nebulöse Todesvisionen. Endlich Action und Entwicklungen, auf die man, obwohl man viel Zeit zum Nachdenken hatte, tatsächlich nicht gefasst war. Ein wenig kryptisch kommt die Auflösung daher, ein passender Abschluss der Story.
Unterm Strich reicht es dennoch nicht für mehr als 41 Bewertungspunkte. Auf die Hälfte der Seiten gekürzt und mit wenigstens einem Charakter, der normal intelligent wirkt, hätte aus dem Stoff ein psychologisch dichter und spannender Krimi werden können.
Petra Hammesfahr, Rowohlt
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