Polt

  • Haymon
  • Erschienen: Januar 2009
  • 3
  • Innsbruck; Wien: Haymon, 2009, Seiten: 167, Originalsprache
  • Zürich: Diogenes, 2011, Seiten: 183, Originalsprache
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Wolfgang Weninger
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2009

Leise Töne, dicht komponiert

All jene, die nach dem vierten Polt-Roman aus der Feder Alfred Komareks betrübt zur Kenntnis nehmen mussten, dass der beliebte Weinviertler Gendarm den Dienst quittierte, weil er keine Lust hatte nach der Polizeireform seine Ermittlerfähigkeiten als Polizist zu beweisen, dürfen aufatmen, denn Komarek hat zwar den Verlag gewechselt (von Diogenes zu Haymon) , aber er hat Polt nicht vergessen.
Dieser verbringt mittlerweile seine Freizeit als Drittelteilhaber am Kirchenwirt, denn man mit Mühe und noch mehr Bier am Leben hält, weil keine Ortschaft ohne Wirt sein darf. Nebenbei arbeitet er als Hilfskraft bei der Dorfgreißlerin und örtlichen Nachrichtenzentrale und falls er nicht in irgendeinem Weinkeller in der Kellergasse versumpft, hält er auch seine Liebschaft mit der Lehrerin Karin Walter hoch, die dem so phlegmatischen Freund gleich zu Beginn von "Polt" die Vaterschaft ankündigt.

Aber dieses Ereignis ist natürlich kein Anlass für den Autor einen Krimi zu schreiben. Bei einem seiner zahlreichen Besuche in den Weinkellern der Umgebung, findet er hinter dem Presshaus des ehemaligen Kollegen und jetzigen Dorfpolizisten Norbert eine unbekannte Leiche im Weingarten. Obwohl sich schnell die Polizei in Breitenfeld in Gestalt des unsympathischen Bezirksinspektor Priml mit allen neumodischen Spurensicherungsmethoden im Wiesbachtal breit macht, ist mit einer schnellen Aufklärung nicht zu rechnen, denn erstens schweigen die Einheimischen Fremden gegenüber schon aus Prinzip und zweitens scheint hier jeder Dreck am Stecken zu haben … also ein Fall für Polt und zwar der Fünfte!

Polt präsentiert sich genau so, wie man in liebgewonnen hat. Ein alter Grantler, dessen Psychologie im Bodensatz des Weinglases gewachsen ist und der auch mal zwei und zwei ungerade sein lässt, um Keinem auf die Zehen zu treten, während er sich umhört, umsieht und kombiniert. Dazu blühen noch der unvermeidbare Dorfklatsch und die schlimmsten Gerüchte, die Polt Stück für Stück zusammenträgt. Aus deren Essenz ergibt sich für ihn ein Bild, das zwar nicht immer richtig ist, aber im Endeffekt doch zum überraschenden Erfolg führt. Komarek hat seine Figuren nie dichter gezeichnet. Das Sterben der kleinen Weinbaudörfer und der kleinen Gewerbetreibenden und die damit verbundene Ausweglosigkeit der vor allem älteren Menschen prägen jede der 167 Seiten.

Große Spannung kann man mit leisen Tönen nicht erzeugen. Das ist auch nicht notwendig, denn "Polt" überzeugt mit bauernschlauem Humor, der sich in erster Linie gegen die Obrigkeit und in zweiter Linie gegen den lieben Nachbarn richtet. "Polt" ist ein Sittengemälde des Weinviertels, dessen Nebenerwerbsweinbauern im Kampf mit den Bestimmung von Europäischer Union und Massenweinvermarktung befasst und vom Untergang bedroht sind. In diesem Sinne wird alles unternommen, um sich entweder EU-konform zu verhalten oder die Eigenständigkeit zu bewahren, immer im Hinblick auf das Überleben von Traditionen. Dennoch bringt Komarek hier keine politischen Statements unters Volk, erhört nur zu, zeichnet auf und legt alles seinen Figuren in den Mund und das im Originalton.

"Polt" ist ein würdiger Nachfolger, auch wenn Polt nicht mehr im Dienste der Exekutive steht. Durch die neue berufliche "Vielfalt" tun sich dem Ex-Gendarm noch mehr Möglichkeiten auf, seine Augen und Ohren offen zu halten und nach diesem Band freue ich mich schon richtig auf einen Papa Polt, der mit seinem Stammhalter im Strampelanzug den Wein verkostet.

 

Polt

Alfred Komarek, Haymon

Polt

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