Das Lächeln der toten Augen

  • Leda
  • Erschienen: Januar 2009
  • 7
  • Leer: Leda, 2009, Seiten: 464, Originalsprache
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Lars Schafft
77°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2009

Nicht zu viel gewollt und deswegen mehr erreicht

Wilhelmshaven, Ostfriesland: Wie verzweifelt muss ein Sechzehnjähriger aus gutem Hause sein, dass er sich mit einem Elektrokabel um den Hals vom Geländer des ersten Stocks der Ferienwohnung seines schwerreichen Vaters stürzt und sich dabei zu Tode stranguliert? Sehr, wie der Abschiedsbrief schnell herausstellt. Den Vater hat Sven Halbermann aufs Blut gehasst, weil dieser ihm wohl die erste Liebe genommen hat. So diffus die Anschuldigung ist, so schnell hätte der Fall zu den Akten gelegt werden. Doch die Lage spitzt sich schnell zu für die Kripo um Kommissar Martin Trevisan: Svens Clique weiß deutlich mehr, als Trevisan & Co. - ihr liegt der "echte" Abschiedsbrief vor, in dem Sven seinen Vater recht offensichtlich beschuldigt, sein brasilianisches Au-pair-Mädchen umgebracht zu haben.

Auge um Auge, Zahn um Zahn denken sich die Jugendlichen und wollen Svens Vater erpressen. Doch mit dem ist nicht zu spaßen. Zwei Killer hat er auf sie angesetzt. Und was mit dicken Stahltüren geschützte Kellerräume in dessen Villa mit einem alt-nordischen Kult aus Dänemark zu tun haben, kann und will noch keiner im beschaulichen Ostfriesland erahnen...

Ulrich Hefner ist kein Debütant mehr, Das Lächeln der Toten Augen ist bereits sein vierter Roman um Martin Trevisan von der Wilhelmshavener Kripo. Er kennt sein Personal und lässt es privat leiden, wenn der Fall noch nicht viel hergibt. So erleben wir Trevisan als aufgebrachten Vater, der seiner pubertierenden Tochter hinterherspioniert und nicht selten vor ihrer verschlossenen Zimmertür steht. Gar kein verkehrter Kniff, spielen doch Sechzehnjährige mehr als eine Nebenrolle und halten so ein homogenes Bild.

Wunderbar gelingen Hefner auch die Perspektivwechsel, die den Leser über lange Zeit - wie im Prolog - völlig ahnungslos belassen, ohne dabei zu langweilen. Da schwenkt er kurz die Kamera auf einen Fischkutter auf hoher See oder irgendwohin nach Dänemark, wo sich eine Art Großmeister an den "Alten Schriften" belabt. Auf eine Schießerei im Hafenvierteil, auf die Leiche des nächsten Jungen. Das ist komplex geplottet, gekonnt konstruiert und gerade bei den Szenen mit "Action" blüht Hefner auf.

Wo viel Licht, ist aber auch Schatten. Zum einen verärgert es schon, dass - mal wieder - ein Klappentext mehr als die Hälfte des Buches vorausnimmt. Und da man schon so lange keinen Wallander-Krimi mehr zur Hand hatte, fällt einem erst jetzt auf, dass man Kapitel, die mit Wetterbeschreibungen enden, eigentlich gar nicht vermisst hatte. Dazu will man dem Autor zurufen: weniger ist mehr! Der Protagonist muss nicht in wenigen Kapiteln erst verständnislos, dann dankbar und irgendwann auf welche Art auch immer nicken. Da kann und muss Hefner dem Leser mehr Text-Verständnis zutrauen, was gleichzeitig auch der Figur des Martin Trevisan zugute käme.

Das Lächeln der toten Augen ist dennoch ein guter bis sehr guter Polizeiroman. Einer, von dem sich so mancher Tatort etwas abgucken könnte. Nicht überfrachtet, nicht zu viel gewollt und deswegen mehr erreicht. Präzise an den Stellen, wo es um die Ermittlung geht. Nebulös, an denen, die den Hintergrund betrachten.Ein pflichtbewusster Kommisar in der Hauptrolle, der gleichzeitig ein kämpferischer wie glaubwürdiger Vater ist. Krimi menschlich - ohne Kitsch, mit dem Etikett "überaus spannend".

Das Lächeln der toten Augen

Ulrich Hefner, Leda

Das Lächeln der toten Augen

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