Grand Cru
- Diogenes
- Erschienen: Januar 2010
- 20
- London: Quercus, 2009, Titel: 'The Dark Vineyard', Seiten: 308, Originalsprache
- Zürich: Diogenes, 2010, Seiten: 8, Übersetzt: Johannes Steck
- Zürich: Diogenes, 2011, Seiten: 380
Mit dem Willen zur Harmonie
Es ist eine hübsche, ruhige Welt, dieses Périgord. Eine Welt, die in Ordnung ist: das ländliche Frankreich. Die Winzer süffeln ihren Wein am liebsten selbst, die Bauern geben ihren nicht EU-zertifizierten Käse dazu, der Bäcker bäckt seine Croissants und Baguettes – es ist eine Welt wie aus einem Comic von Sempé.
Eine Idylle, wie man sie sich gerne erträumt. Aber dann brennt eine Wiese ab in der Nähe des Dorfes Saint Denis, und ein Schuppen, der darauf steht auch. Das komische ist, dass dort gar kein Schuppen stehen darf, und auch die Wasserleitung dorthin dürfte es nicht geben. Die Spur führt zu einem Versuchsgut, und es kommt heraus, dass auf der Wiese genmanipuliertes Getreide angebaut wurde, auch das unerlaubt und heimlich, aber mit dem Segen von den Ministerien im fernen Paris. Und dann kommt auch noch ein reicher Amerikaner in die weinselige Idylle, will investieren, will aber auch aufkaufen und hat seine eigenen Pläne, wie man wirtschaftlich mit Wein und Menschen umgeht. Und dann passieren noch ein paar Todesfälle.
Grand Cru ist der zweite Roman in einer Reihe um Bruno, den Polizeichef, der sich so richtig wohl im ländlichen Frankreich fühlt, und der deswegen eine Beziehung zu einer attraktiven und ehrgeizigen Polizistin abbrechen lässt. In Saint Denis fühlt er sich zu Hause, hier versucht er die Konflikte auf seine Art zu lösen, und das heißt ruhig, mit viel Überlegung, mit dem Willen zur Harmonie. Meist gelingt ihm das auch. Und manchmal ist die auswärtige Kriminalpolizei sogar froh, dass er dabei ist, weil er die Menschen kennt, und mit dieser Menschenkenntnis die Fälle auch lösen kann.
Martin Walker ist ein schottischer Autor, der uns diese Traumwelt vorführt, und er muss schon sehr aufpassen, dass er nicht in die Falle des Kitsches fällt, die er sich mit seiner Idylle selbst gegraben hat. Manchmal geraten seine Charaktere und seine Handlung auch wirklich etwas zu holzschnittartig, und viele hartgesottene Leser werden seine Bücher zu langweilig finden. Doch Vorsicht: Indem Walker hier eine Gegenwelt schildert, in der sich die Nachbarn noch helfen, sich auch kontrollieren, sich auf jeden Fall gut kennen, kritisiert er auch unsere schnelllebige, anonyme Großstadtwelt, in der ich nicht einmal mehr weiß, wie es meinem unmittelbaren Nachbarn geht, ob er vielleicht schon tot in der Wohnung nebenan liegt. Und Brunos Konflikte sind die der großen Welt: der brutale Räuberkapitalismus, der sich nicht um Menschlichkeit schert; die Globalisierung, die gerade in Frankreich einige Widerstandshelden hervorgebracht hat. Und so ist auch seine so sanftmütige Krimireihe eine Studie über den Kapitalismus und eine Anleitung zum bürgerlichen Ungehorsam. Man muss ihn nur so zu lesen wissen.
Martin Walker, Diogenes
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