Genesis Secret

  • Hoffmann & Campe
  • Erschienen: Januar 2009
  • 12
  • Hamburg: Hoffmann & Campe, 2009, Seiten: 5, Übersetzt: Stephan Benson
  • München; Zürich: Piper, 2010, Seiten: 447
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Thorsten Sauer
20°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2009

Mit Gewalt versucht

Wenn ein Autor Ekel mit Spannung verwechselt und einen Flickenteppich aus Versatzstücken des Mystery-, Historien-, Horror- und Thrillergenres für einen geschickten Plot hält, kommt wohl zwangsläufig so etwas wie Genesis Secret von Tom Knox dabei heraus. Gute Unterhaltung liegt dann aber mindestens so tief vergraben wie das legendäre Göbekli Tepe, das als Aufhänger für diesen literarischen Missgriff herhalten muss.

Opferrituale

Göbekli Tepe, eine mysteriöse Tempelanlage, die vor tausenden von Jahren von ihren Erbauern zugeschüttet wurde, soll den Journalisten Rob Luttrell - als eine Art Erholungs- und Wiedereingliederungsauftrag nach einem knapp überlebten Selbstmordanschlag im Irak - wieder auf andere Gedanken bringen. Er soll einen Bericht über die kurdische Ausgrabungsstätte und den deutschen Forscher Breitner verfassen. Während Rob bei seinen Recherchen auf die Spur der uralten Glaubensgemeinschaft der Jesiden kommt, ist im entfernten London Inspector Forrester auf der verzweifelten Suche nach einem Serienmörder, der bei seinen bestialischen Morden offensichtlich alten Opferritualen folgt. Das verbindende Element der Morde aber auch der Bezug zu Göbekli Tepe ist das "Schwarze Buch" der Jesiden, doch nur Rob hat den Schlüssel, diese Verbindung herzustellen und das Geheimnis zu lösen. Luttrell, der in seinem Auftrag zunächst nur einen langweiligen Lückenfüller sah, macht sich recht unbedarft an die Lösung des Geheimnisses und bringt unversehens sich und alle, die ihm in seinem Leben etwas bedeuten, in tödliche Gefahr.

Göbekli Tepe: Die Wiege der modernen Kultur

Was der Heilige Gral für Sakrileg und die Geheimnisse der Vatikanstadt für Illuminati waren, vermag Göbekli Tepe für Genesis Secret sogar noch zu übertreffen: Es bietet den authentischen Hintergrund, Mythen und Sagen im Überfluss und kann zudem noch mit der exotischen Kullisse Kurdistans aufwarten. Die Ausgrabungsstätte, deren Bedeutung erst 1994 durch den deutschen Archäologen Klaus Schmidt erkannt wurde, gibt bis heute Rätsel auf. Das Alter konnte zuverlässig auf etwa 11000 Jahre vor Christus datiert werden, eine Zeit, in der die Menschen als Jäger und Sammler lebten und noch Generationen entfernt schienen von der Idee, monumentale Kultstätten zu schaffen. Die riesige Anlage, von der erst ein kleiner Teil freigelegt wurde, gilt in einigen Thesen als der steinerne Wendepunkt der Menschheit, weg vom Jäger und Sammler, hin zur Gemeinschaft mit Handel, Ackerbau und Kultur.

In Verbindung gebracht mit den unzähligen alten Glaubensgemeinschaften im Süden der Türkei und dem Norden Iraks mit ihren Sagen und Mythen, dürfte bei der Entwicklung eines fesselnden Plots wohl kaum noch etwas schief gehen sollte man meinen.

Doch weit gefehlt: Dort wo es Dan Brown gelang mit einer verzwickten Schnitzeljagd aus Dichtung und Wahrheit zu fesseln, scheitert Tom Knox mit flachen Dialogen und belanglosen Informationen über die mythischen Hintergründe. Verzweifelt versucht er den fehlenden Spannungsbogen durch quälend detaillierte Schilderungen bestialischer Hinrichtungen auszugleichen, die sich im Laufe der Erzählung bis ins Absurde steigern.

So muss sich der ekelresistente und mit Durchhaltewillen ausgestattete Leser mühsam durch die seitenlange Schilderung einer bei lebendigem Leibe gekochten Gebärmutter kämpfen um nur eine der Unappetitlichkeiten beim Namen zu nennen ehe er sich, nach der mehr als weniger vorhersehbaren Handlung, an einer völlig konstruierten Auflösung "erfreuen" darf. Schade, denn eigentlich hätte Tom Knox, hinter dem sich der dekorierte Reisejournalist Sean Thomas verbirgt, alle Voraussetzungen, um aus der interessanten Ausgangssituation einen wirklich fesselnden Thriller zu machen. Doch leider versandet die Geschichte, genau wie die gigantische Tempelanlage, unter der einfallslosen Handlung. Dabei versteht er es gerade zu Beginn der Geschichte blendend, die Atmosphäre der exotischen Kulisse einzufangen und für das Thema rund um die Ausgrabung von Göbekli Tepe und die Glaubensgemeinschaft der Jesiden zu begeistern. Doch unbegreiflicherweise scheint er selbst nicht an die Ergiebigkeit dieses Stoffes zu glauben. Denn anders ist es nicht zu erklären, dass er das was sich zu einer subtilen Handlung in zwei Erzählsträngen hätte entwickeln können, buchstäblich mit Gewalt zu einer bluttriefenden Sadistenposse verkommen lässt. Egal ob Wikinger oder Azteken, kein Opferritual ist zu weit hergeholt oder aus dem Zusammenhang gerissen, um nicht von Tom Knox irgendwie für eine noch makaberere Hinrichtungsmethode ausgeschlachtet zu werden. Fazit: Eklig aber trotzdem langweilig und daher nicht besonders lesenswert.

Genesis Secret

Tom Knox, Hoffmann & Campe

Genesis Secret

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