Feuertaufe

  • Knaur
  • Erschienen: Januar 2010
  • 3
  • München: Knaur, 2010, Seiten: 494, Originalsprache
  • München: Knaur, 2018, Seiten: 496, Originalsprache
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Jörg Kijanski
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2009

<cite>Feuertaufe</cite> zeigt, wohin ein Überwachungsstaat führen kann

Bei einem Brandanschlag auf ein Mehrfamilienhaus in Kreuzberg sterben zwölf türkischstämmige Bewohner, nur der neunjährige Yarik überlebt. Um nach außen gut dazu stehen, entscheidet der Berliner Polizeipräsident, dass Kommissar Paul Selig die Ermittlungen leiten soll. Dieser löste vor einem Jahr einen spektakulären Fall und kann so der Öffentlichkeit als "unser bester Mann" verkauft werden. Dabei soll sich Selig aus den Ermittlungen selbst heraushalten und nur auf den anstehenden Presseterminen die Leute beruhigen. Doch Selig denkt gar nicht daran, sich zum Vorzeigeclown machen zu lassen. Parallel zum eingesetzten Untersuchungsteam ermittelt er ebenfalls mit seinen Leuten. Seine Kollegin Maria Fernandez ist alles andere als begeistert von Seligs berüchtigten Alleingängen, Horst Wagner war noch nie ein Teamspieler und Dirk Rüther will vor allem eines, nämlich Selig vernichten, macht er diesen doch dafür verantwortlich, dass sich Maria vor einiger Zeit von ihm getrennt hat.

Die Ermittlungen verlaufen ergebnislos. Währenddessen überschlagen sich andernorts die Ereignisse. Rüther wird zur neu gegründeten Antiterroreinheit versetzt, was ihm dank modernster Überwachungstechniken die Möglichkeit gibt, seinen Rachefeldzug gegen Selig zu perfektionieren. Die neue Bundeskanzlerin Susanne Bergstedt versucht die Reste einer angeblichen Demokratie zu bewahren und muss sich dabei immer wieder auf Auseinandersetzungen mit ihrem Innenminister Weyland einlassen. Weyland ist dabei, durch das Einbringen neuer Sicherheitsgesetze mit einer neu zusammengestellten Antiterroreinheit eine vierte Staatsgewalt in Deutschland zu installieren. Diese überwacht nahezu alle Straßen und kann auch weitgehend problemlos die Aufenthaltsorte gesuchter Personen bestimmen. Nahezu tägliche und gewalttätige Demonstrationen in Berlin sind die Folge, an denen Seligs Sohn Tobias nicht unbeteiligt ist. Außer Kontrolle scheint die Situation zu geraten, als bei Tobias eine Mordwaffe gefunden wird und Selig selbst, durch Manipulation technischer Daten, in das Visier der Antiterroreinheit gerät&

Feuertaufe ist der zweite Kommissar-Selig-Roman und spielt ein Jahr nach Zwillingsspiel, Markus Stromiedels Debütroman. Weitgehend unverändert stellt sich die Reihe der Protagonisten dar, allen voran der eigenbrötlerische Paul Selig. Nein, ein Teamspieler scheint aus ihm nicht mehr zu werden, was er mit seinem Kollegen Wagner gemeinsam hat. Auch Rüther scheidet für diese Disziplin aus, denn statt seiner Arbeit nachzugehen, versucht er Selig fertig zu machen, da er ihm eine Beziehung zu Maria Fernandez unterstellt. Nichts ist abwegiger, wenngleich sowohl Maria wie Selig sicher nichts dagegen hätten. So ist Feuertaufe zunächst einmal eine gelungene Fortsetzung des Debüts, ohne hiervon allzu viel zu verraten.

Feuertaufe ist zudem ein moderner Politthriller, der in einer deutschen Hauptstadt spielt, die total überwacht wird. Unterhalb des Berliner Hauptbahnhofes befindet sich eine neu eingerichtete Überwachungszentrale. Von hier wird die Kontrolle zahlreicher Straßen durch modernste Technik koordiniert. Anhand biometrischer Daten oder kleinster Chips - beispielsweise in Handys - können verdächtige Personen leicht und beinahe überall lokalisiert werden. Dies kritisiert vor allem Tobias, Seligs Sohn, der die täglichen Demonstrationen gegen die neuen Sicherheitsgesetze unterstützt. Dies sorgt für Verärgerung bei Selig, wandelt sich jedoch später in leichte Sympathie, denn just als ausgerechnet Selig (na klar) als Terrorist verdächtigt wird, kommt die Hilfe von Tobias Freunden gerade recht.

Wer einen Roman über das Leben in einem Überwachungsstaat lesen oder sich mit Themen wie Innere Sicherheit, Internet, Privatsphäre beschäftigen möchte, der wird durch Feuertaufe gut unterhalten. Allerdings spielt die Geschichte auf zahlreichen Ebenen, so dass der Roman für kurze Lesezeiten, beispielsweise auf dem Weg zur Arbeit, nur bedingt zu empfehlen ist. Auch muss man deutliche Abstriche bei den Charakteren machen, die sehr stereotype Schwarz-Weiß-Figuren sind. Dass eigene Handeln und Denken in Frage stellen? Nein, hier läuft alles eindimensional ab, vermutlich, weil die Geschichte sonst auch nicht funktioniert. Wer sich für die genannten Themen interessiert darf dennoch gerne zugreifen, für alle anderen könnte sich das Warten auf eine Verfilmung lohnen. Denn Filmcharakter hat Feuertaufe mit seinen schnellen Schnitten und Szenenwechseln durchaus. Keine große Überraschung, ist Markus Stromiedel doch ein erfolgreicher Drehbuchautor.

Feuertaufe

Markus Stromiedel, Knaur

Feuertaufe

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