Mein ist die Rache
- Blanvalet
- Erschienen: Januar 1992
- 40
- New York: Bantam, 1991, Titel: 'A Suitable Vengeance', Seiten: 371, Originalsprache
- München: Blanvalet, 1992, Seiten: 477, Übersetzt: Mechthild Sandberg-Ciletti
- München: Goldmann, 1994, Seiten: 478
- München: Goldmann, 1995, Seiten: 477
- München: Goldmann, 1998, Seiten: 477
- München: Goldmann, 2002, Seiten: 478
High Society Stil mit Rosamunde Pilcher-Effekt
Zitat: "Eine ungewöhnliche Begabung unter den Krimiautorinnen, vergleichbar nur mit P. D. James und Ruth Rendell. Elizabeth George überzeugt mit ihrer psychologischen Einfühlungsgabe, ihrer Phantasie und dieser ausgeklügelten Geschichte."
So urteilt der Kritiker der Los Angeles Times über das Buch "Mein ist die Rache" von Elizabeth George.
Ich kenne besagten Kritiker nicht und wollte mir mein eigenes Bild von diesem hochgelobten Werk machen, das bei Bantam Books, New York unter dem Titel "A Suitable Vengeance" erschienen ist und von Mechtild Sandberg-Ciletti übersetzt wurde.
Tina Cogin, Peter, Justin Brooks, Sidney St. James, Lady Helen Clyde, Simon Allcourt-St. James, Cotter, Deborah, Thomas Lynley, Lord Asherton, das sind jetzt nur mal die hübschen Namen der handelnden Personen auf den ersten fünfundzwanzig Seiten und ich verspreche euch, von dieser Sorte hochadeliger britischer Sippschaft mit ihrer gesamten Familie, Anverwandte, Bekannte, Liebschaften, Feindschaften, inklusive der gesamten Bevölkerung der Grafschaft Howenstow auf Cornwall, kommen noch unzählige Namen und Personen ins Spiel. Mag sein, dass meine kleinen, grauen Hirnzellen adäquat zur Haarfarbe ausgeblichen und vertrocknet sind, aber selten noch habe ich mir beim Lesen so schwer getan, all die Personen und Handlungsstränge in die richtige Zuordnung zu bringen.
Da wäre also einmal dieser feudale Thomas Lynley, Earl of Asherton, seines Zeichens Kriminalbeamter. Und dieser liebt Deborah, eine Fotografin, die er zu einem Verlobungswochenende auf den Familiensitz Howenstow einladen möchte. Inklusive aller Verwandten und Bekannten natürlich. Deborahs Vater Cotter ist Hausdiener bei Simon St. James, einem behinderten Wissenschaftler der Forensik. Dieser liebt Deborah aber auch, muss aber unter Zwang auf sie verzichten, weil sein Freund Thommy eben das Girl ehelichen will.
Dann gibt es auf diesem hochherrschaftlichen Gut natürlich auch einen Verwalter, mit einer geschwängerten Tochter, deren Mann eine Zeitung betreibt und das Mädel vorne und hinten bescheißt. Lauter wirklich eklige Typen, aber das Schicksal muss ja irgendwann in dem Schmöker zuschlagen und genau diesen Journalisten trifft es als erstes. Die ganze, feine Gesellschaft findet ihn nach einem Theaterabend ermordet auf, wobei man ihm noch als besonders ätzende Zutat seines Gemächts beraubt hat. Jaja, einfach so mit dem Küchenmesser kastriert und die Bude auf den Kopf gestellt! Wer war denn das nun?
Plötzlich hat fast jeder ein Motiv. Irgendwie verbandeln sich die Schicksale der einzelnen Personen, zwirbeln sich zu Zöpfen, ineinander verschlungen, jeder hat schuld und alle könnten es gewesen sein. Da bleibt es nicht aus, dass noch der bzw. die eine oder andere das Zeitliche segnet und alle rangeln mit ihrem schlechten Gewissen, bis sich der ganze Zinnober nach 478 Seiten entwirrt.
Ja, und wie hat mir nun dieses Buch gefallen? Mäßig, kann ich dazu nur sagen. Vielleicht entspricht dieser High Society Stil mit Rosamunde Pilcher-Effekt nicht ganz meinen Lesegewohnheiten. Auch kann mich die aufgesetzte Dekadenz der handelnden Adeligen nicht unbedingt befriedigen, die unter dem Motto, wer Geld hat, der kokst oder hat einen anderen Vogel, nicht glücklich machen. Hier hat wirklich jeder eine absolute Macke. Mag sein, dass das Leben der dörflichen Prominenz, die wochentags London bevögelt, pardon bevölkert, und am Wochenende ihren Schleimbolzencharme untereinander spielen lässt, für mich zu weit hergeholt ist, so dass mich das Ambiente dieses Romans nicht befriedigen kann.
Was den Schreibstil von Frau George betrifft, ist er, zumindest in der Übersetzung, durchaus flüssig. Die Dame beherrscht ihr Handwerk und hat trotz der von mir angesprochenen, persönlichen Negativa einen konsequenten Spannungsaufbau produziert, der mit vielen Überraschungseffekten aufwartet. Leser, die von Anfang an miträtseln, wer den nun wirklich der Täter ist, bekommen hier gleich mehrfach Nahrung für ihren kriminalistischen Spürsinn. Ab der Hälfte des Buches hört man auch auf, ständig darüber nachzudenken, wer denn nun wer ist und bekommt die Figuren soweit in den Griff, dass man zügig und mit wachsendem Interesse bis zum Schluss durchhält. Wobei in typischer Goldenes Blatt-Manier der Schlusspunkt in der Frage gipfelt: "Kriegt er sie nun, oder nicht?" Aber das könnt ihr ruhig selbst herausfinden.
Elizabeth George, Blanvalet
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