Ich töte, was du liebst

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2009
  • 6
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2009, Seiten: 448, Übersetzt: Anja Schünemann
  • Camberville: Penguin, 2007, Titel: 'And hope to die', Seiten: 384, Originalsprache
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Sabine Bongenberg
40°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2009

Wohin führt die Geschichte?

Zugegebenermaßen ist bisher meines Wissens nach kein Krimi-Autor auf diesen Plot gekommen: Ein Kind wird entführt und dessen Mutter vor die Wahl gestellt: Dein Leben oder das des Kindes. Im Klartext bietet man den verzweifelten Frauen an, im Falle ihres Suizides das Kind zu verschonen und um den Ernst dieser Nachricht zu untermauern wird der Botschaft jeweils ein abgetrenntes Körperteil des oder der Entführten beigefügt. Wäre ein Vorgehen nach diesem Muster für sich nicht schon schlimm genug, wiederholt sich die Tat jeweils zum Jahreszeitenwechsel, also jeweils zum 22. eines jeden Quartals. Lieutenant Salomon und sein Team - bestehend aus der gewitzten und mit besonderen körperlichen Vorzügen ausgestatteten Nora und dem eher tumben aber netten Malone - ermitteln hier mittlerweile in dem vierten Entführungsfall. Bei zwei Fällen setzten die Mütter das Leben ihres Kindes höher an, als ihr eigenes, woraufhin die Verschleppten wieder frei gelassen wurden. In einem weiteren Fall überlegte es sich der Entführer offensichtlich anders und ließ sein Opfer ohne Gegenleistung frei. Nun wurde die neunjährige Amy entführt und nach Öffnen des übersandten Erpresserbriefes nebst "persönlicher Note" wird klar, dass es hier um ein Rennen gegen die Zeit geht.

Obwohl diese Geschichte schon auf einem Konflikt von fast biblischem Ausmaßes beruht, ist es leider dem Autorenteam nicht gelungen, diese mit Leben zu erfüllen. Hauptsächlich widmet sich der Krimi nämlich der Person des Hauptermittlers Solomon (Solly) Glass, dessen innere Zerrissenheit und problematische Beziehungen in erster Linie beschrieben werden, wobei der eigentliche Fall zur Nebensache mutiert. So bleiben auch die handelnden Personen - neben der des charismatischen aber eigenwilligen Lieutenants - blass und konturenlos.

Damit diese persönliche Erhebung Glass' in diesen Plot passt, stellt sich bei näherer Inaugenscheinnahme eines Erpresserbriefes mit der bereits erwähnten "persönlichen Note" heraus, dass Glass wesentlich tiefer in die Motive des Täters verstrickt zu sein scheint, als man bei einem schlichten Cop annehmen dürfte. Offensichtlich soll hier Rache für eine frühere Fehleinschätzung des Polizisten genommen werden, unter der er selbst bis zum heutigen Tage krankt. Wenn Sie das jetzt für eine doch arg konstruierte Geschichte halten, dann kommt es leider noch besser: Glass erkennt anhand eines winzigen Hinweises, wer sein Gegenspieler ist und macht sich augenblicklich auf die Jagd nach dem Täter.

Hier scheint dabei niemanden zu stören, dass nur die Tatsache, dass es sich bei dem Gesuchten um den Bruder eines Psychopathen handelt dessen Täterschaft belegt. Es beginnt eine aberwitzige Jagd, bei der der Täter den drei Hauptermittlern immer einen Schritt voraus ist und sich durch raffinierte Technik (so das komplette Verwanzen des Hauses des Entführungsopfers), geschickte Verkleidungen (die es ermöglichten fast ein Jahr als Frau aufzutreten) und das Anzapfen des Polizeicomputers und der Handys den Ermittlungen entzieht. Sie sind der Meinung, dass doch wohl an den Haaren herbeigezogen ist? Offensichtlich sehen das Millionen von Lesern anders, denn der rote Aufkleber auf dem Buch weist es als "Bestseller" aus. Neben diesen Schachzügen, die den Täter quasi als "Superverbrecher" aufweisen, irritiert, dass permanent auf Fälle aus Glass' Vergangenheit Bezug genommen wird, die dem Leser nicht bekannt sind und auch nicht weiter erläutert werden. Andererseits steht diese Vergangenheit aber auch mehrheitlich nicht unbedingt in unmittelbarem Bezug zu dem Fall und ist daher auch für die Lösung überflüssig.

Als Fazit bleibt hier zu festzuhalten, dass ein Autorenteam nach dem Muster Nicci French nicht funktionieren muss. Hier überwiegt der Eindruck einer Geschichte, die nicht weiß wo sie hin will. Soll hier die Geschichte eins zerrissenen Cops erzählt werden, der langsam an seinem Beruf und seinem früheren Versagen verzweifelt? Oder lieber die eines irren Psychopathen, dem es ein Vergnügen ist, mit der Qual und dem Selbsterhaltungstrieb seiner Mitmenschen zu spielen? Aus diesen Fragen hätten sich sicherlich zwei fesselnde Bücher konstruieren lassen, wogegen die Idee, diese Themen in einem Plot zu vereinen - zumindest bei diesem Autorenteam - nur scheitern konnte.

Ich töte, was du liebst

J. M. Calder, Rowohlt

Ich töte, was du liebst

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