Geldmarie
- Gmeiner
- Erschienen: Januar 2008
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- Meßkirch: Gmeiner, 2008, Seiten: 277, Originalsprache
Ein paar gute Ideen sind nicht genug
Rechtsanwalt Stefan Knobel schwant nichts Gutes, als sein Intimfeind Hubert Löffke in Begleitung von zwei Polizisten überfallartig in sein Büro stürmt. Und in der Tat: Professor Grömitz bei dem Knobels Freundin Marie als studentische Hilfskraft beschäftig war und der ihr Examen betreut, wurde tot aufgefunden. Marie indes ist verschwunden und mit ihr der Computer, in dem sie ihre Examensarbeit und die Vorbereitungsschriften dazu abgespeichert hatte. Stefan Knobel macht sich auf die Suche nach der jungen Frau, die quasi vom Erdboden verschluckt zu sein scheint. Einzig Bargeldabhebungen, die immer wieder von Maries Konto vorgenommen werden, beweisen, dass die Vermisste offensichtlich noch lebt. Knobel beginnt Bruchstücke und Indizien zusammenzutragen, die das Rätsel um Maries Verschwinden lüften sollen und kommt dabei - ebenso wie seine Freundin - einem lange zurück liegenden Todesfall auf die Spur. Bei dieser Suche muss der Rechtsanwalt erkennen, dass seine Geliebte nicht nur Facetten aufweist, die ihm gar nicht bekannt sind. Er muss sich schließlich fragen, wie gut er die Frau an seiner Seite überhaupt kennt. Doch an einer Erkenntnis kommt Knobel auf keinen Fall vorbei: Seine Marie schwebt in tödlicher Gefahr und die Uhr tickt....
In seinem dritten Roman rund um den Rechtsanwalt Stefan Knobel stellt der Autor, Dr. Klaus Erfmeyer, dessen Beziehung zu seiner Freundin Marie in den Vordergrund. Hätte Erfmeyer sich dabei in erster Linie auf das Thema "Die Fremde in meiner Freundin" beschränkt, so hätte sein Buch sicherlich ein psychologisch spannender Einblick in eine moderne Beziehung werden können. Aber leider gibt sich der Autor mit dieser Möglichkeit allein nicht zufrieden. Vielmehr muss noch ein immerwährender Konflikt zwischen dem polternden, grobschlächtigen Löffke und dem feingeistigen Knobel ausgetragen werden, sind die Probleme zu erörtern, die eine Organisations-Untersuchung in der Kanzlei mit sich bringt, ist der Fall der verschwundenen Marie zu lösen und dabei auch noch die Problematik des ""Stockholm-Syndroms" zu beleuchten.
Mit diesen Vorgaben sind der Roman und seine Akteure vollkommen überfrachtet. Die Personen bleiben flach und konturenlos, ihre Aktionen sind teilweise unverständlich und nicht nachvollziehbar und der Handlungsstrang, der schließlich zur Lösung des Falles führt, veranlasst den Leser mehr als einmal dazu, irritiert die Augenbrauen zu heben. So muss man sich zum Beispiel fragen, warum Erfmeyers Held nach Einstellung der polizeilichen Ermittlungen durch seinen Kanzleichef gemeinsam mit Löffke mit der Suche nach der Verschwundenen beauftragt wird. Wenngleich die Idee, die beiden Rivalen in ein gemeinsames Projekt einzubinden, sicherlich nicht einer gewissen Würze entbehrt, so fragt man sich doch, warum eine Kanzlei ohne Grund und Auftrag Zeit und Personal für die Suche nach der Geliebten eines Partners verschwendet. Fragen wirft auch das Indiz auf, das letztendlich hauptsächlich auf die Spur der Verschwundenen führt, handelt es sich doch um eine achtlos hingeworfene Notiz einer Literatursignatur, wie sie von Bibliotheken benutzt wird. Diese Notiz wird wohlgemerkt auf einem mit Papieren übersäten Studentenschreibtisch gefunden und hätte genauso gut zu "Brehms Tierleben" oder zu dem "Kursbuch des Jahres 1950" führen können, aber natürlich erkennt Knobel messerscharf, dass es sich hier um eine wichtige Spur handeln muss.
Marie indessen hat ihre eigenen Sorgen. Im Zuge ihrer Examensarbeit ist sie einem lange zurückliegenden Todesfall auf die Spur gekommen und sieht sich unvermittelt einem Täter gegenüber, der bisher nicht von der Justiz behelligt wurde. Zwar ist bei dieser Konstellation davon ausgehen, dass die Tat schon lange verjährt ist, aber offensichtlich scheint das um des Plots willen niemanden zu kümmern. Der Täter greift zu seinen eigenen Mitteln, um sich zunächst Maries Schweigen zu sichern und hier wären wir dann bei dem Thema "Stockholm-Syndrom". Wer hier allerdings die Dichte kennt, die zum Beispiel Nicci French in seinem In seiner Hand aufbaut, der muss erkennen, dass Erfmeyers Versuch hier schlicht und ergreifend gescheitert ist. Auch hier bleiben die Handlungen wirr und unmotiviert und der Charakter oder die Motive der Handelnden unklar. Eine kleine Ironie leistet sich Erfmeyer in seinem Buch aber dann doch noch: Ein juristischer Vortrag über die "Bedeutung des Verwaltungsaktes" leistet einen erheblichen Beitrag zur Aufklärung des Falls. Wenn man sich jetzt vorstellt, dass hochrangige Juristen über dieses Thema diskutieren, dann wäre das einer Diskussion von Köchen über die Bedeutung des Toastbrotes bei der Bereitung des Frühstücks vergleichbar.
Als Fazit bleibt: ein paar ganz gute Ideen, die aber in der Umsetzung insgesamt gescheitert sind.
Klaus Erfmeyer, Gmeiner
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