Totenmesse
- steinbach sprechende bücher
- Erschienen: Januar 2009
- 28
- Schwäbisch Hall: steinbach sprechende bücher, 2009, Seiten: 5, Übersetzt: Hagen, Till
- Stockholm: Bonnier, 2004, Titel: 'Dödsmässa', Originalsprache
- München; Zürich: Piper, 2010, Seiten: 402
Bush Live
Der gute, alte Bankraub ist auch nicht mehr das, was er einmal war. Stürmte man früher in eine Bank, um sich die Taschen voller Geld zu stopfen, und wild um sich schießend von der Anarchie und von einer besseren Zukunft zu träumen, findet man sich heutzutage in der sterilen Welt einer reinen Interbank wieder, die Zwecken eigener Art dient und nicht selten neben einer hohen Geheimstufe, vieles zu verschleiern hat.
Irgendwo auf der Welt wird immer Krieg geführt, inzwischen live im Fernsehen übertragen und kommentiert. Einmal mehr erscheint der Kampf der Kulturen die Menschheit in den Wahnsinn, den kollektiven Untergang zu treiben. Dass dieser Irrsinn nicht auf die große Weltpolitik beschränkt bleibt, zeigt der sechsundvierzigjährige, mit dem deutschen Krimipreis ausgezeichnete Arne Dahl in seinem neuen Kriminalroman Totenmesse. Es geht bei ihm schlicht um den Erhalt unserer westlichen Ansprüche. Wer will schon zu Fuß gehen?
Der Autor versammelt eine illustre Gesellschaft in Östermalm, einem Viertel Stockholms, wo angeblich so viel Sprengstoff gelagert wurde, dass ein ganzes Stadtviertel in Schutt und Asche gelegt werden könnte. Wer denkt da nicht an 9/11 und die Hysterie über mutmaßliche Terroranschläge. Dahl zieht einen Vergleich zur Antike. Griechen flüchten vor Türken in die Stadt Anavatos, wo sie als einzigen Ausweg den kollektiven Selbstmord mit dem Sprung in die Tiefe sehen. Sind wir schon so weit?
Ein Rückspiel
Im dem guten, alten Kriminalroman geht das Verbrechen zumeist schief. Man kann nicht alles planen, selbst wenn man behutsam vorgeht. Die Dinge laufen aus dem Ruder, die Zeit einem weg, selbst jene Fehler unterlaufen, die man zuvor bedacht hat. Im Falle der beiden Bankräuber in der Adelsbank, die mit Mitteln aus dem Ölgeschäft gegründet wurde, stört die Ex-Frau von Paul Hjelm den geplanten Ablauf, weil sie sich zufällig unter den Geiseln befindet und die Geistesgegenwart besitzt, ihr Handy einzusetzen, um sowohl Nachrichten nach draußen zu senden, als auch Fotos von den Geiselnehmern zu schießen.
Mozarts Requiem gibt den Ton der Geschichte vor, auch wenn sie anfänglich einer leichten Fernsehdramaturgie unterworfen wird, die an einen besseren Tatort oder gleich an Dominic Grafs Die Katze erinnert. Ein von außen gesteuerter Raubüberfall. Das wirkt an einigen Stellen blass, äußert sich in Mutmaßungen und gipfelt in möglichen Motiven, wie russische Mafia oder den dunklen Machenschaften der Geheimdienste. Die Spannung zieht erst wieder an, als bei der Festnahme der Bankräuber Überraschendes geschieht. Kerstin Holm und ihr A-Team sehen sich plötzlich vor das Rätsel gestellt, dass zwei eigentlich festgenommene Geiselnehmer verschwunden sind.
Das Stockholm-Syndrom, das Viggo Norlander dazu verleitet ausgerechnet eine Geisel niederzuschlagen, kommt ebenso vor, wie die toten Tschetschenen im Dubrovka-Theater. Hier zeigt sich Arne Dahls Anspruch. Er entwirft seinen Fall nicht auf dem abgeschiedenen Land mit einer weisen Miss Marple, er siedelt ihn zwischen den News an. Es kommt einem vor, als spiegele sich der alltägliche Schrecken immer vor dem noch größeren Schrecken im Hintergrund auf dem Bildschirm.
Wenn die Zigaretten ausgehen
Es geht um eine wissenschaftliche Entdeckung, die versteckt in den Erinnerungen eines Landser während des Russlandfeldzugs schlummert und die die Wirtschaft der modernen Welt mit Rohstoff versorgen soll. Es geht um eine Formel. Wer Andreas Eschenbachs Ausgebrannt gelesen hat, weiß, was es für uns bedeutet, ins Mittelalter zurückgeschleudert zu werden, wenn es kein Öl mehr zu fördern gibt. Dann stehen nicht nur die Taxen still.
Umso anziehender ist die Aussicht, in Besitz einer Formel zu gelangen, die dies verhindert und dem Besitzer ein Höchstmaß an Macht verleiht. Am Ende wird das Tagebuch des Soldaten der Zukunft übergeben. Glaubt der Tagebuchschreiber.
Wären da nicht die Raucher, die im Krieg ihre Sucht bekämpfen müssen. Doch Dahl ist Optimist, er setzt darauf, dass die Zukunft immer noch möglich sein muss.
Arne Dahl, steinbach sprechende bücher
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