Der Sünde Sold

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2008
  • 16
  • Berlin: Ullstein, 2008, Titel: 'Der Sünde Sold', Seiten: 432, Originalsprache
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Thomas Kürten
78°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2009

Bemerkenswertes Debüt

Um eines direkt eingangs zu erwähnen: Der Sünde Sold ist ein rundum gelungenes Debüt. Inge Löhnig, die bislang in der Krimiszene noch nicht als Autorin in Erscheinung getreten ist und als Grafikdesignerin ihre Brötchen verdient, hat eigentlich alles richtig gemacht. Ihre Charaktere sind sehr tiefgründig, haben hohen Wiedererkennungswert und in der Handlung kann sie durch falsche Spuren und eine Reihe von Verdächtigen die Spannungskurve sehr lange hoch halten. Warum dann trotzdem bereits eingangs dieser Hinweis von mir?

Weil nach der Schilderung der Handlung ansonsten wahrscheinlich niemand mehr weiter lesen würde. Die wirkt nämlich auf den ersten Blick so was von antiquiert und zigfach durchgenudelt. Aber urteilen Sie selbst: Agnes Gaudera zieht ein Jahr nach dem Feuertod ihres Mannes und ihrer Tochter in einen Ort vor den Toren Münchens. In Mariaseeon scheint ihr die Welt noch in Ordnung, doch schon bald verschwindet ein Nachbarjunge und Polizei und Presse suchen nach Spuren bzw. einer verwertbaren Story.

Einmal aufatmen, dann geht es aber weiter…

Als sich nach ein paar Tagen das ganze Dorf zu einem Bittgottesdienst versammelt hat, entdeckt Agnes den Jungen im Wald, gefesselt und auf einer Art Scheiterhaufen. Das Dorf atmet auf und Kommissar Konstantin "Tino" Dühnfort kann also eigentlich fürs erste einpacken, doch noch läuft der Entführer unerkannt herum. Und schon bald soll die Kindergärtnerin der kleinen Ortschaft das nächste Entführungsopfer werden. Agnes hatte gerade Freundschaft mit ihr geschlossen. Gerät nun auch die immer noch sehr attraktive Grafikerin in das Visier des oder der Verbrecher?

Nein, das klingt wirklich nicht nach dem Stoff eines Bestsellers. Doch es gibt diese kleinen Glücksmomente, wenn man merkt, dass alle Vorurteile sich nach und nach in Luft auflösen. Die Handlung klingt so genüsslich plätschernd, dass das vermutete Einschlafpotenzial schon mal von Anfang an recht hoch ist. Der Sünde Sold ist aber mitnichten ein beschaulicher Landhauskrimi, in dem sich eine warum-auch-immer-ach-so engagierte Amateurdetektivin in die Polizeiarbeit einmischt. Agnes Gaudera ist eine traumatisierte Person, die ihre eigenen oben bereits genannten Erlebnisse erst noch verarbeiten muss. Der Trubel im neuen Wohnumfeld macht ihr dabei aber vorerst einen Strich durch die Rechnung.

Ganz starke Figuren

Diese Vergangenheitsbewältigung ist bei Agnes das beherrschende Motiv. Durch ihren unbekümmerten Umgang mit einzelnen Personen im Dorf wird sie jedoch immer mehr in den Fall verwickelt. Auch Kommissar Dühnfort ist eine facettenreiche Figur, der einen inneren Kampf gegen die Einsamkeit führt, Zeichen seiner Umwelt dabei aber nicht erkennen kann oder will. Die anderen Beamten der Mordkommission besitzen ebenfalls Potenzial für eine weitere, tiefgründigere Entwicklung. Stark aber auch, wie die Autorin andere Bewohner des Dorfes mit Wesenszügen ausstaffiert.

Besonders gelungen ist der Roman jedoch für die Gratwanderung der Erkenntnis, die die Autorin mit ihren Lesern treibt. Dass in Mariaseeon jeder jeden kennt, ist schnell klar. Ebenso, dass hier eigentlich keine Geheimnisse unentdeckt bleiben können. Doch das ganze Dorf trägt seit Jahrzehnten ein blutiges Geheimnis mit sich, was letztlich den Schlüssel zum Täter weist. Eigentlich unglaublich, dass Der Sünde Sold tatsächlich ein Debüt ist. Manch erfahrenem Kollegen kann diese Autorin schon mit diesem ihrem ersten Roman eine lange Nase machen.

Der Sünde Sold

Inge Löhnig, Ullstein

Der Sünde Sold

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