Die Ruhe des Stärkeren
- dtv
- Erschienen: Januar 2010
- 5
- Wien: Zsolnay, 2009, Seiten: 320, Originalsprache
- München: dtv, 2010, Seiten: 318
Turbo-Kapitalismus und Kampfhunde
Bei Veit Heinichens Kriminalromanen kann man sich auf Zweierlei verlassen: Zum einen trifft man auf liebgewonnene Bekannte, zum anderen bekommen wir es mit einem Fall zu tun, der höchst aktuelle gesellschaftspolitische Themen aufgreift. In Die Ruhe des Stärkeren steht die derzeitige Finanzkrise im Vordergrund.
Aber der Reihe nach, denn die Thematik ist komplex und ein roter Faden zeichnet sich nicht offenkundig ab: Commissario Proteo Laurenti hat - nicht ungewohnt für ihn - wieder einmal alle Hände voll zu tun. In Triest sollen zum Neujahr die Schlagbäume fallen, die Grenzen zum Balkan werden geöffnet. Dazu ist ein großer Festakt geplant, der von den Sicherheitskräften geplant werden will. Und so kommt Laurenti eines nachts von einer Sicherheitskonferenz im Zug nach Hause - und noch während der Fahrt wird der Eichhörnchenpräparator Marzio Manfredi ermordet. Eigentlich ein No-Name im nicht ganz spannungsarmen Umfeld im Nordosten Italiens. Was hilft´s, auch dem muss nachgegangen werden.
Mit dem Gehen hat auch Laurentis junge Kollegin Pina, die wir bereits aus Totentanz kennen, einige Probleme. Sie wird von einem Kampfhund angefallen und von einem heranreitenden Querschnittsgelähmten Slowenen namens Sedem nicht nur gerettet, sondern auch gepflegt. Dass dieser der Sohn des einfluss- wie insgesamt reichen Goran Newmann, genannt "Duke" ist, erfährt Pina erst später. Und schlittert ungebremst in eine Affäre mit dem charmanten Jung-Broker, der aus 200.000 Euro seines Vaters - mal eben - einen zweistelligen Millionenbetrag an der Börse gemacht hat.
Um den Plot richtig undurchsichtig zu gestalten, verteilt eine recht anonyme Gruppierung namens Istria libera Flugzettel und Plakate, um auf windige Immobilienspekulationen an der Adria aufmerksam zu machen. Und ein Kampfhund namens Argos erzählt in Ich-Perspektive von seiner Zeit als animalischer Gladiator.
Das sind viele Fäden, die Autor Veit Heinichen in seinem neuen Roman spinnt. Doch er tut dies mit Kenntnis. Ohne belehrend zu klingen, erläutert und erklärt der Wahl-Triestiner, leuchtet Hintergründe aus und versucht eine Realität begreiflich zu machen, die den meisten Lesern in dieser Form doch mehr als fremd sein dürfte.
Und diese Realität im Schmelztiegel Triest, dort, wo so viele Bevölkerungsgruppen aufeinanderstoßen, sich arrangieren und miteinander wie gegeneinander leben, ist eine beunruhigende. Um diese darzustellen, benötigt Veit Heinichen jedoch keine Schockeffekte, auch kein ständiges Lamentieren und Jammern seines Protagonisten. Dessen kulinarische Vorlieben und sein Familienleben - auch da bahnt sich einiges an - lässt der Autor nicht außer acht und sorgt so struktursicher für Naherholungsgebiete, in denen der Leser verschnaufen darf. Altbekannte Charaktere wie der pensionierte Pathologe Galvano oder die noch recht frisch eingeführte, ebenfalls nicht aus Triest selbst stammende, Polizistin Pina runden diese Passagen ab.
Glücklicherweise überdecken Sie jedoch auch nicht das Wesentliche von Heinichens sechstem Laurenti-Roman: die Botschaft. Turbo-Kapitalismus parallel zu illegalen Hundekämpfen, organisiertem Verbrechen und Drogenhandel zu stellen, ist nicht ungewagt. Einmal mehr wird der Kriminalroman zum Vehikel für die Darstellung einer Gesellschaft, die offensichtlich nicht erkennt in welch schlimmer Lage sie sich befindet. Wie Veit Heinichen seine Beobachtungen und natürlich seine ganz persönliche Meinung so mit dem Genre kombiniert, ist nicht nur äußerst gelungen, sondern auch erfreuend unaufdringlich.
Die Ruhe des Stärkeren ist insofern erneut ein Roman Heinichens, der dem Autor das eigene Aushängeschild weiter aufpoliert: politisch-tiefgründige Kriminalromane mit einer wohldosierten Portion Dolce Vita. Da capo.
Veit Heinichen, dtv
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