Blutrose

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2009
  • 4
  • München: Blanvalet, 2009, Seiten: 381, Übersetzt: Christoph Göhler
Blutrose
Blutrose
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Jürgen Priester
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2008

Hochspannung in Südwest

Blutrose ist ein zynischer Titel. Beschreibt er doch die makaber- florale Erscheinung auf der Stirn eines Opfers kurz nach dem Auftreffen einer Kugel. Und Zynismus passt eigentlich nicht zu Margie Orford, einer ernsthaften, engagierten Autorin, die nicht nur spannend unterhalten will, sondern stets auch die Realitäten der Länder berücksichtigt, in denen sie gelebt hat. So deuten wir die Blutrose als Ausdruck der Brutalität, mit der in der folgenden Geschichte Jugendliche exekutiert werden.

Margie Orfords Serienheldin, die Journalistin und Profilerin Dr. Clare Hart will sich nach den turbulenten Ereignissen der jüngsten Vergangenheit (Blutsbräute) eine Auszeit gönnen, zumal auch die Beziehung zum besitzergreifenden Polizei-Captain Riedwaan Faizal der sonst eher zurückgezogen lebenden Clare zu eng geworden ist. Deshalb plant sie einen Besuch bei ihrer Zwillingsschwester Constance. Kurz vor ihrer Abreise wird sie ins Kapstädter Polizeipräsidium gebeten. Dort ist ein Hilfegesuch der Polizei von Walvis-Bay, einer Küstenstadt im benachbarten Namibia eingegangen. Die ortsansässige Ermittlerin Tamar Damases vermutet hinter der Ermordung dreier Jungendlicher einen Serientäter. Clares Fähigkeiten als Profilerin sind gefragt. Anstatt eine Verschnaufpause zu genießen, muss sich Clare in einen neuen Fall stürzen, dessen Brisanz sie anfänglich unterschätzt.

Walvis-Bay, einst ein bedeutender Handels- und Fischereihafen ist von überschaubarer Größe geblieben, so hat die Polizei schnell eine Verbindung geknüpft, als innerhalb von drei Wochen drei etwa gleichaltrige Jungen auf dieselbe Art und Weise erschossen werden. Die Handschrift: ein gezielter Kopfschuss in die Stirn und die spätere Zurschaustellung der Leichen an einem exponierten Ort weisen auf einen Einzeltäter hin. Die beiden letzten Opfer sind zudem mit einer Signatur auf der Brust versehen.

Clare sucht im Umfeld der Jungen nach einem gemeinsamen Nenner, was sich nicht als allzu schwierig erweist. Bei den Jungen handelt es sich um elternlose Straßenkinder, die ihren Lebensunterhalt teils als Stricher, teils als Müllsammler oder Müllsortierer bestreiten – alle drei hatten in einem Sozialhilfeprojekt zusammen Fußball gespielt. Ein bescheidener Erfolg für Clare, die zunehmend an den Motiven des Täters verzweifelt. Sexueller Missbrauch konnte durch die Obduktionen ausgeschlossen werden. Doch da der Fundort nicht der Tatort ist, weiß niemand, was sich zwischen Täter und Opfer abgespielt hat. Forensische Untersuchungen können den Tatort näher eingrenzen, die führen in die unwirtliche Gegend des Kuiseb-Deltas zu einem geheimnisvollen Eingeborenen namens Splyt. Doch zu einem Durchbruch in den Ermittlungen komm es erst, als bei einem vierten Opfer eine Kugel sichergestellt werden kann. Ein Datenabgleich mit dem Polizeicomputer

weist auf eine Waffe, die bei einer lange zurückliegenden Straftat benutzt wurde. Clares Blutrosen-Fall bekommt eine neue Richtung, die den lokalen Honoratioren gar nicht gefällt, die nun alles daransetzen, Clare Steine in den Weg zu legen. Nur mit der Unterstützung ihres Kapstädter Kollegen Riedwaan Faizal, der später hinzugestoßen ist, und des nicht-weißen Personals der Walvis-Bay-Polizei kann Clare die Hintermänner des Falles ausmachen.

Wer einen Blick auf die Biographie der Autorin geworfen hat, konnte feststellen, dass sie ihre Jugendjahre in Namibia verbracht hat. Zu einer Zeit als dieses Land noch unter dem Protektorat Südafrikas stand und somit ebenso schwer unter den Auswirkungen des Apartheid-Regimes gelitten hat. Namibia wurde 1990 in die Unabhängigkeit entlassen, wie es so schön heißt, aber an den Problemen hat sich fast nichts geändert. Nach wie vor wird die eingeborene Bevölkerung unterdrückt und ausgebeutet, so wird aktuell die Landbevölkerung ihrer lebenswichtigsten Ressource, des Wassers, durch verstärkten Uranerzabbau beraubt. Uran u.a. auch für deutsche Atomkraftwerke.

In solch offene Wunden legt Margie Orford ihren Finger und benutzt, wie viele ihrer südafrikanischen Kollegen, den Kriminalroman als Vehikel, um auf Missstände aufmerksam zu machen.

Wirkte ihr Debütroman Blutsbräute streckenweise überladen mit zwar interessanten, aber nicht unbedingt notwendigen Nebenhandlungen oder der Turtelei ihrer beiden Hauptprotagonisten Clare und Riedwaan, so ist Blutrose deutlich gradliniger konzipiert. Der Fall der ermordeten Jugendlichen steht eindeutig im Vordergrund, die Fahndung nach dem Täter geschieht mit Verve und auch an Action mangelt es nicht. Die beiden Gast-Ermittler stellen, wie sich das für höfliche Gaste geziemt, ihre persönlichen Differenzen hinten an – bis auf die gruselige Eingangsszene des Romans, ein Tête-à-tête am frühen Morgen, das dem Rezensenten das Buch fast aus der Hand fallen ließ. Die beide sind zwar allgegenwärtig, aber sie dominieren nicht den Plot. Es bleibt genügend Raum für die Nebendarsteller, die teilweise etwas klischeehaft rüberkommen, so die verhuschte englische Lehrerin Mara Thompson oder der ständig notgeile Polizei-Sergeant van Wyk. Alles in allem eine ausgewogene Mischung.

Autoren legen oft all ihr Herzblut in den Erstling, was ja auch Sinn macht, nicht selten kommt es vor, dass der oder die Nachfolger abfallen. Bei Margie Orford ist es umgekehrt. Blutrose ist deutlich besser als das Debüt. Sprachlich ist es nicht weiter auffällig, verfasst in dem flüssig zulesenden Hochdeutsch, dessen sich fast alle bekannten Autoren befleißigen. Die wichtigsten Charaktere sind nicht zu detailliert, aber stets treffend beschrieben. Auf eine Besonderheit sei noch hingewiesen, auch wenn die Rezensentin von "Blutsbräute" das schon angesprochen hat. Die Autorin meidet es, die auftretenden Personen mit einer Hautfarbe zu benennen, was bei der Lektüre zu Irritationen führen kann. Eine Erklärung hierfür mag sein, dass die Autorin den Menschen in den Vordergrund stellen will und nicht dessen Hautfarbe.

Eine nette Geste sollte nicht unerwähnt bleiben. Margie Orford lässt den Inspector Eberard Februarie auftreten, der beim Autorenkollegen Andrew Brown in "Schlaf ein, mein Kind" die Ermittlungen führte. Im Gegenzug hat Brown in seinem aktuellen Roman "Würde" Captain Riedwaan Faizal mit einer Szene vor Gericht bedacht.

Es ist doch schön, wenn Menschen sich gut verstehen!

Blutrose

Margie Orford, Blanvalet

Blutrose

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