Die ohne Schuld sind
- Lübbe
- Erschienen: Januar 2008
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- London: Allison & Busby, 2006, Titel: 'The cipher garden', Seiten: 346, Originalsprache
- Bergisch Gladbach: Lübbe, 2008, Seiten: 332, Übersetzt: Ulrike Werner-Richter
Langatmig, geschwätzig, triefend
Martin Edwards Roman The Cipher Garden, dessen deutscher Titel Die Ohne Schuld sind, sich unverhohlen und anbiedernd an die Fans von Elizabeth George richtet, hat bereits mit dem Prolog verloren. Denn da darf sich die "Gestalt unter der Kapuze" mehrfach wüst betätigen, alleine zweimal "griff" sie nach etwas, und am Ende der knapp zweieinhalb Seiten kurzen Einleitung ermordet sie den Gärtner Warren Howe mit seiner eigenen Sense. Wer ist "die Gestalt unter der Kapuze"? Eine schlechte Übersetzung, ein kleinwüchsiger Butler oder ein rappender Gartenzwerg? Butler kommen seltsamerweise in diesem Klischee von einem Landhauskrimi nicht vor; Gärten einige, aber keine Zwerge, die sie bevölkern. Zumindest keine körperlichen.
Wie auch immer, der übel beleumundete Gärtner liegt wüst zugerichtet in einem eben ausgehobenen Erdloch. Zu Lebzeiten ein wilder Geselle, der durch die Betten Brackdales turnte, als wäre Sex Leistungssport. Weder Ehefrau noch Kinder konnten ihn von seinen wechselnden Liebeshändeln abhalten. So macht man sich nicht viele Freunde und folgerichtig kommt eines klammen Tages der Sensenmann vorbei. Doch der Mordfall bleibt unaufgeklärt. Bis Jahre später ein anonymer Brief bei der Polizei eintrudelt. Die Cold-Case-Truppe um Chief Inspector Hannah Scarlett beginnt zu ermitteln. So etwas ähnliches jedenfalls, denn mit richtiger Ermittlungsarbeit hat das stümperhafte Vorgehen wenig zu tun.
Gleichzeitig versucht der Historiker Daniel Kind der seltsamen Architektur seines Gartens und der Verbindung zu zwei lang zurückliegenden Todesfällen auf die Spur zu kommen. Die damaligen Besitzer seines Anwesens (und damit des Gartens) sind doch tatsächlich am gleichen Tag gestorben. Kind, als Polizistensohn Ermittler aus Leidenschaft, eruiert nicht nur die Historie seines Gartens, nein, er bekommt auch heraus, wie es dazu kam, dass das Ehepaar Quiller am selben Tag das Zeitliche segnete. Doch das reicht dem Schmalspurschnüffler nicht, er hilft auch DCI Hannah Scarlett und ihrer labilen Einsatztruppe auf die Sprünge. Das sein Historikerherzchen ganz aufgeregt pocht, wenn er an Scarlett denkt, macht die ganzen mysteriösen Begebnisse noch aufregender, als sie es ohnehin schon nicht sind. Denn nicht nur er, sondern auch seine angebetete Polizistin leben in festen, aber wenig befriedigenden Beziehungen. Da steckt noch viel Konfliktpotenzial für zukünftige Romane drin.
"Leider", möchte man sofort hinzufügen, denn Die ohne Schuld sind ist das ödeste Stück Literatur, das man sich nur vorstellen kann. Der schlagende Beweis, das Zeit nicht fließt, sondern sich zieht wie erkaltender Teer auf einer schnurgeraden Straße. Heimlicher Höhepunkt des Romans ist ein Besuch Daniels samt Schwester Louise und nervender Lebensgefährtin Miranda im ehemaligen Anwesen der Beatrix Potter (nicht verwandt mit Harry). Potter, die lange Jahre in Cumbria lebte, wird des öfteren wohlwollend im Roman erwähnt. Zurecht! Denn die Welt verdankt ihr so wunderbare Figuren wie "Peter Hase", Herrn ""Schnappeschlau", Frau "Tiggy Wiggel", "Timmy Triptrap" oder "Jemima Pratschel-Watschel" (ich tippe auf eine Ente), gezeichnet auf jene herzerwärmende Art, die das Kindchenschema auf ewig zum Fluch werden ließ. Figuren, die allesamt ein hochrotes Köpfchen bekämen, wenn sie wüssten, was in Martin Edwards Darstellung ihrer Heimat so los ist. Da wird geklatscht, getratscht und gelogen, bis sich die Balken biegen, fremdgegangen und Inzest betrieben; sogar aus Verzweiflung das eigene Selbst ermordet. Verwundert fragt sich der aufmerksame Leser, warum Miranda und ihr Gatte das umtriebige London überhaupt verlassen haben. Viel mehr kann da auch nicht los gewesen sein.
In diesem Sodom und manchmal auch Gomorrha erweist sich wenigstens die Polizei als rücksichts- und verständnisvoll. Tatsächlich wird seitenlang darüber lamentiert, ob man einen Mordfall klären soll, weil man doch die Überlebenden, Hinterblieben und Tatverdächtigen im Falle des eigenen Versagens, unnötig erneut seelisch schwer belasten würde. Hanna Scarlett, immerhin leitende Ermittlerin, bricht auch schon mal ein Verhör ab, aus Angst, ihr Gegenüber könne "zusammenklappen" und endlich mit der Wahrheit rausrücken. Muss man aber auch verstehen, hadert die Guteste doch damit, ob sie ihren Partner liebt, mit ihm ein Kind haben will und wie sie mit dem anziehenden Daniel Kind umgehen soll. Eine Anziehung, die gegenseitig ist, denn auch Daniel ist mit der prätentiösen Miranda nicht wirklich glücklich (er musste sie geradezu zwingen das Potter-Haus zu besuchen! Unglaublich.). Am Ende halten Hannah und Daniel ein wenig Händchen, atmen tief durch und alles ist gut.
Die ohne Schuld sind bestätigt alle Aversionen, die man gegen Cozies, jene gemütvollen Häkelkrimis, angesiedelt im ländlichen Milieu, nur hegen kann. Langatmig, geschwätzig, triefend vor überflüssigen Landschaftsbeschreibungen, die so gerne poetisch wären und doch nur Wort gewordene Kitschpostkarten sind. Dazu ein Personal, dass durch die Bank larmoyant, wehleidig und zu kaum einer sinnvollen Kommunikation fähig ist. Der Mörder wird auf den letzten Zeiten aus dem Hut gezogen, bekommt eine passende Motivation verpasst und hat plötzlich noch etwas anderes als eine Mordanklage am Hals. Den größten Beitrag zur Auflösung leistet Daniel Kind, während die Damen und Herren Polizisten eher lustlos durch die ländliche Gegend flanieren, Hölzchen von Stöckchen trennen, oder wie Scarlett Pimpernell entweder untätig oder sich übergebend die Landschaft verschandeln. Einen aufsehenerregenden Beitrag zur englischen Kriminalliteratur hat Edwards Buch jedoch zu bieten: es ist die ganze Zeit über schwindelerregend heiß und trocken. Außer im Prolog regnet es keinmal.
Manchmal keimt der Eindruck auf, dass es sich beim "Zifferngarten" um einen überlangen Monty-Python-Sketch handelt. Wenn dem so wäre, würden allerdings die Flopsi-Häschen nicht so bitterlich weinen und Thomasina Tittelmaus bräuchte ihr selbst gesticktes Schnupftuch nicht zu verleihen. Nur Mieze Mozzi hat's wieder von Anfang an gewusst und hätte das Buch auch wütend schnurrend in die Ecke geschmissen, wenn nicht Jeremias Quaddel darauf insistiert hätte: "Lies Burschi, und schreib eine Rezension." Was die bösen, wilden Hasen sehr amüsierte. Glücklicherweise kam Schweinchen Schwapp zum Trösten vorbei, mit Feuchtel Fischer im Schlepptau, der genau wusste, wo Eichhörnchen Nusper seine Nüsse und seinen Whisky hortet. Und alle feierten eine große, rauschende Party und waren glücklich bis an ihr Lebensende. Über die unsittlichen Auslassungen von Stoffel Kätzchen und Herzogine, was man alles zu dritt in des Gärtners Grube anstellen könne, wird stille geschwiegen
Martin Edwards, Lübbe
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