Hühnergötter
- Prolibris
- Erschienen: Januar 2005
- 1
- Kassel: Prolibris, 2005, Seiten: 143, Originalsprache
- München: Goldmann, 2011, Seiten: 160, Originalsprache
Ein in jeder Hinsicht dünnes Buch
Gerade in ostdeutschen Küstenregionen sind Hühnergötter begehrte Sammlerstücke. Die schwarz-weißen "Steine mit dem Loch" sehen interessant aus und können durch eine Kette oder ein Lederband beispielsweise zu einem Schmuckstück oder Schlüsselanhänger umfunktioniert werden. In ganz seltenen Fällen dienen sie aber auch einfach nur als Titel für einen Krimi.
Im vorliegenden Roman verlegt das Autorenduo Birgit Lautenbach und Johannes Ebend den Schauplatz des Verbrechens auf die kleine Rügener Nachbarinsel Hiddensee. Das hier tatsächlich mal ein Kapitalverbrechen stattfindet, dürfte zwar ähnlich wahrscheinlich sein wie ein Meteoriteneinschlag im Kanzleramt, aber sei es drum, denn die drei Monate alte Leonie wurde offenbar entführt.
Nur ganz kurz war Mutter Marie unter der Dusche und stellte den Kinderwagen im Garten ab. Ihr Mann Oliver arbeitete im angrenzenden Atelier, um an Tagestouristen seine Gemälde zu verkaufen, da war es schon passiert. Polizeihauptmeister Kästner und sein Mitarbeiter Pieplow sind überfordert, haben sich doch sonst ein recht beschauliches Leben. Selbst ein Fahrraddiebstahl passiert so gut wie nie.
Dieses Mal kommt es für die beiden jedoch knüppeldick, denn während sie auf Verstärkung warten und nur mit Mühe den Tatort vor Schaulustigen sichern können, meldet eine Frau tatsächlich den Diebstahl ihres Drahtesels, der wenige Meter von Leonies Kinderwagen entfernt stand.
Die Kollegen der Kripo Stralsund übernehmen und suchen zunächst nach Spuren im familiären Umfeld, sehr zum Ärger von Marie und Oliver. Die Insulaner haben währenddessen den Täter schon auserkoren. Marten, ein 32-jähriger geistig zurück gebliebener Mann, scheint perfekt für die Rolle des Entführers, zumal er vor zwei Jahren schon einmal einen Säugling in einem Strandkorb fand und einfach mitnahm...
08/15-Charaktere vs. 08/15-Polizisten.
Hühnergötter hat keine 140 Seiten und bietet keine Hand voll verdächtiger Personen. Wer Leonie aus ihrem Wagen mitnahm wird (den Lesern/innen) schnell klar, während die Polizei weiterhin im Dunkeln tappt. So verwundert es leider nur wenig, dass die gesuchte Person urplötzlich wieder von der Bildfläche verschwindet. "Kommissar Zufall" sei Dank und so bleibt der Polizei nur noch zu klären, ob Leonie noch lebt, wo sie sich aufhält und was das Ganze überhaupt sollte?
Am besten gelingt dem Autorenduo die Darstellung der beiden Dorfpolizisten, von denen zwar keiner den Durchblick hat, aber immerhin einer den Fall im Alleingang löst. Ansonsten bleibt vieles Stückwerk, was bei der geringen Seitenzahl nicht wirklich überrascht, die Geschichte aber auch nicht besser macht. Die Charaktere bleiben beliebig, die Ermittlungsarbeit der Polizei erfolgt nach Schema X und die "Auflösung" des Warum lässt mehr Fragen offen als beantwortet werden. Die Polizei hat (dann plötzlich doch noch) Ergebnisse ermittelt und somit ist der Fall gelöst.
"Sehen Sie, wenn etwas so Schlimmes passiert wie die Entführung eines Kindes, dann ermitteln wir umfassend und sehr gründlich."
Schade, dass dies den Lesern/innen während der knapp dreistündigen Lektüre nahezu gänzlich verborgen bleibt.
Birgit & Ebend Lautenbach, Prolibris
Deine Meinung zu »Hühnergötter«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!