Sardische Vendetta

  • List
  • Erschienen: Januar 2008
  • 3
  • Turin: Einaudi, 2006, Titel: 'La memoria del vuoto', Originalsprache
  • Berlin: List, 2008, Seiten: 232, Übersetzt: Esther Hansen
Sardische Vendetta
Sardische Vendetta
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Lars Schafft
1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2008

Ein Bärendiest. Oder: Verlags-Banditen

Sardische Vendetta von Marcello Fois, dem von der Kritik hochgejubelten Italiener, gehört zu den Büchern, über die man sich ärgert - und ihnen dabei doch Unrecht tut. Denn für das Ärgernis kann der gute Marcello Fois wohl am wenigsten. Sardische Vendetta ist intelligente Literatur, ein Gesellschafts- und Inselporträt, ein unterhaltsamer historischer Roman. Nur eines ist Sardische Vendetta nicht: ein Kriminalroman. Und genau dies gaukelt uns der List-Verlag in seiner deutschen Ausgabe von La memoria del vuoto vor.

Marcello Fois erzählt in seiner fiktiven Biographie des sardischen Banditen Samuele Stocchino natürlich auch von Verbrechen. Von solchen zu Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts. Von Morden. Aber eben nicht von deren Aufklärung. Sondern vielmehr davon, wie dieser Samuele Stocchino zu dem wurde, weswegen das Buch den Titel "Sardische Vendetta" trägt. Und dafür nimmt er sich zwar auf dem Papier nur etwas mehr als 200 Seiten Zeit, geht aber in Samueles Lebensgeschichte zurück bis zu dessen Geburt. Und macht schon früh durch sein Personal - an vorderster Front die Bewohner von Samueles Heimatdorf - klar, dass er nicht groß zu psychologisieren gedenkt. Der kleine Samuele habe schon als junger Bursche eine Art bösen Blick gehabt.

Der böse Blick wird im Laufe der Jahre düsterer und düsterer, womit wir zurück zur Front kommen. Da kämpft er nämlich als Frischling für die italienische Armee in Afrika, wird von einer schwarzen Prostituierten entjungfert und kommt schwerverletzt wenngleich als Held zurück nach Sardinien. Was ihn nun neben dem Krieg und dem bösen Blick zu einem Banditen machte, der Blutrache schwört und diese auch ausübt? Vielleicht kann man es sich denken, dass eine Jugendliebe und ein viel zu reicher Dorfpatron einem geruhsamen Veteranenleben einen Strich durch die Rechnung machen.

Halten wir Marcello Fois zugute, dass er wohl das geschrieben hat, was man einen urtypischen sardischen Roman nennen könnte. Nicht ausufernd und verspielt, sondern trotz all seiner sprachlichen Fähigkeiten und seiner Kunst, das Büchlein wie ein Drama aufzubauen, dann doch eher karg wie die Insel. Wer ein Herz für Sardinien und seine Geschichte und vor allem seine Menschen hat, findet in Sardische Vendetta ein feines Stück Literatur, das andeutet, was man von Marcello Fois noch erwarten darf.

Dass der List-Verlag aus Sardische Vendetta aber einen Kriminalroman macht - im Gegensatz zu vielen derzeit auf dem Markt, die wirklich welche sind, das Präfix "Kriminal" auf dem Umschlag aber vermissen, prangt es hier unter dem blutroten Titel in weißen Lettern vorne drauf -, hätte dem Gerechtigkeitsfanatiker Samuele sicherlich nicht gefallen. Machen wir wie er mit seinen Feinden kurzen Prozess: Wer aus einer historischen Räuberpistole einen Krimi machen möchte, nur weil der Autor durchaus zum Genre gezählt werden kann, beweist nicht gerade, dass er Ahnung von beiden hat. Und erweist damit seinem eigenen Autor nun wirklich einen Bärendienst. Das haben weder Marcello Fois, noch sein Roman, noch der Leser verdient.

Sardische Vendetta

Marcello Fois, List

Sardische Vendetta

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