Glaspuppen
- dtv
- Erschienen: Januar 2008
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- Oslo: Aschehoug, 2006, Titel: 'Glassdukkene', Seiten: 393, Originalsprache
- München: dtv, 2008, Seiten: 414, Übersetzt: Sigrid Engeler
- München: audio media, 2009, Seiten: 6, Übersetzt: Julia Fischer, Bemerkung: gekürzte Lesefassung
- München: dtv, 2011, Seiten: 414
Wohltuende Alternative zum skandinavischen Krimi-Mainstream
Eigentlich geht es auf der kleinen Insel Tromsoya beschaulich zu, so dass Aslak Eira, Kriminalhauptkommissar in der Hauptstadt Tromso, einen recht ruhigen Job hat. Doch mit der Ruhe ist es schnell vorbei als in einem beliebten Naherholungsgebiet die Studentin Beate Moberg tot aufgefunden wird. Mehr zufällig ergibt die Obduktion, dass die junge Frau mit dem Pflanzengift Ricin vergiftet wurde. Ricin ist hochgradig gefährlich und war bisher nur im Zusammenhang mit Terrorismus bekannt.
Eira und seine Kollegen sind alarmiert und auch die Presse nimmt sich der Geschichte gerne an, nicht zuletzt da ein Informant brisante Details aus Eiras Leben streut. Früher war Eira, der samischer Abstammung ist, nämlich als Aktivist gegen ein großes Staudammprojekt. Nicht alle früheren Gefährten haben ihm den Seitenwechsel zur Polizei vergeben. Doch Eira kann und will sich nicht mit der Presse abgeben, zu dringend gilt es den Fall zu lösen, denn nach nur wenigen Tagen verschwindet bereits eine weitere Studentin. Auch sie wird, nur zwei Wochen nach dem Mord an Moberg, tot in einem See aufgefunden. Allerdings können die Gerichtsmediziner einen Mord nicht einwandfrei nachweisen. Möglicherweise ist sie auch ertrunken oder hat sich umgebracht.
Eiras Team ermittelt besessen, doch bleiben Fortschritte weiter aus. Verdächtige gibt es, aber keine verwertbaren Spuren. Sollte womöglich ein Serienmörder die Kleinstadt aufgesucht haben? Bereits vor einem Jahr verschwand eine junge Schwedin, von der bis heute jede Spur fehlt. Sollte ein Zusammenhang bestehen, doch wenn ja, warum hat der Täter dann über ein Jahr pausiert und schlägt jetzt in einem so hohen Tempo zu? Das Tempo wird wahrlich hoch, denn ein weiteres Opfer hat sich der gerissene Mörder bereits ausgesucht...
Keine Dauerdepressionen, keine drogenabhängigen Kinder oder Ehepartner. Einfach nur ein guter, solider Krimi "klassischer Art". Und das aus Skandinavien. Hut ab!
Jorun Thörring ist eigentlich Gynäkologin von Beruf, doch seit einiger Zeit bereichert sie die skandinavische Krimilandschaft. Nicht, dass es an lesenswerten Autoren/innen aus Skandinavien mangeln würde, ganz im Gegenteil, aber Jorun Thörring ist dennoch eine klare Empfehlung wert. Thörring ist vorsichtshalber gleich mit zwei Serien am Start. Einmal mit der in Paris lebenden Gerichtsmedizinerin Orla Os (Debütroman "Schattenhände") und zum anderen mit dem samischen Kriminalpolizisten Aslak Eira, der in "Glaspuppen" seinen ersten Auftritt hat.
"Wenn du den ganzen Tag lang zuvorkommend und höflich sein musst, und wenn du vielleicht einiges runterschlucken musstest, dann tut es gut, sich abends an den Computer zu setzen und jemand umzubringen." (Jorun Thörring in einem Interview)
"Glaspuppen" ist schon deswegen einen Tipp wert, da er den gängigen Klischees skandinavischer Krimis nicht entspricht. Zwar ist Eira aufgrund seiner samischen Abstammung nicht der typische Norweger und dass er in einem Heim aufwuchs, da sich nach dem frühen Tod seiner Mutter der Vater dem Alkohol hingab, deutet zunächst auf das übliche Schema hin. Zudem hinzukommt, dass Eira allein erziehender Vater eines siebzehnjährigen Sohnes ist. Und obwohl damit die Grundlagen für skandinavische Krimis geschaffen sind, verzichtet Thörring erfreulicherweise auf ausufernde Depressionen, drogenabhängige Jugendliche und ähnliches. Nein, Eira bläst nicht wie seine zahllosen Kollegen ständig Trübsal und dies, obwohl auch das Wetter in Tromso alles andere als erfreulich ist. Es ist bereits Mai, doch große Mengen Schnee sorgen für winterliche Verhältnisse.
Die Kriminaltechniker und Gerichtsmediziner dominieren das Geschehen
Die "Stars" von Thörrings Roman finden sich bei der Kriminalpolizei, bei den Technikern, die die Tatorte untersuchen, bei Ärzten und den Gerichtsmedizinern. Ruhig und beschaulich werden die Ermittlungen haarklein begleitet und dies, obwohl Fortschritte jedweder Art zunächst gänzlich ausbleiben. Erst nach gut 300 Seiten kommen die Ermittler so langsam etwas auf die Reihe. Der Leser beziehungsweise die Leserin hat es da schon besser. Recht früh wird bekannt, dass Totto der Übeltäter ist, aber wer zum Teufel ist Totto?? Verdächtige gibt es reichlich und so darf mitgeraten werden. Krimivielleser werden vielleicht recht früh einen Verdacht haben, doch gibt es genügend Alternativen, so dass man gerne auch falsch liegen kann und am Ende doch noch überrascht wird. Apropos Ende: Hier kommt es tatsächlich ansatzweise zu ein bisschen "Action", wenngleich die Autorin im Finale ein klein wenig überzieht.
Wer Krimis "klassischer Machart" bevorzugt und auf grausame Metzelorgien verzichten kann, der wird hier zur gemeinsamen Mördersuche eingeladen. Die angedeuteten Side-Stories wie beispielsweise Eiras nicht ganz einwandfreie Zeit als junger Erwachsener erhöhen zudem die Vorfreude auf die nächste Geschichte, bei der es dann vielleicht auch Neuigkeiten aus Eiras aktuellem Privatleben geben könnte.
Jorun Thørring, dtv
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