Das Nest
- Argument
- Erschienen: Januar 1991
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- London: Women´s Press, 1989, Titel: 'Common Murder', Originalsprache
- Hamburg, Berlin: Argument, 1991, Seiten: 267, Übersetzt: Sonja Hruby
- Duluth, MN: Spinsters Ink, 1995, Originalsprache
Klischees von Anfang bis Ende
Die Protagonistin des Romans ist Lindsay Gordon. Lindsay ist Reporterin bei einer Londoner Tageszeitung und erst kürzlich von Glasgow nach London gezogen, um dort mit ihrer Lebensgefährtin Cordelia Brown, einer Schriftstellerin, zusammen zu ziehen. Eine besonders große Story erwartete Lindsay nicht von dem Auftrag, für den sie ihr Chef in ein Frauenfriedenscamp schickt, wo eine der Frauen verhaftet wurde. Ein Dorfbewohner behauptet, von der Frau aus dem Camp angegriffen worden zu sein, wobei sie ihm die Nase gebrochen hatte. Lindsay nimmt jedoch gerne an, weil sie das Camp sehr gut kennt und dort Freundinnen hat. Bereits vor einem Jahr wollte sie dort eine Reportage machen, doch bestand kein Interesse an einer Story über Frauen, die sich vor einem amerikanischen Luftwaffenstützpunkt in Brownlow Common niedergelassen hatten, um gegen die dortige Stationierung von Marschflugkörpern zu protestieren. Mittlerweile haben die Dorfbewohner den "Steuerzahler gegen die Zerstörung Brownlows"-Verein gegründet, um die Frauen loszuwerden, die ihrer Meinung nach ein öffentliches Ärgernis darstellen.
Im Camp angekommen muss Lindsay überrascht feststellen, dass es sich bei der verhafteten Frau um Deborah Petterson handelt, mit der sie vor Jahren eine Beziehung hatte. Deborahs Anwältin Judith kann sie zunächst aus dem Gefängnis herausholen, und Lindsay bleibt über Nacht bei Deborah und deren kleinen Tochter Cara in Deborahs Wohnmobil. In der Nacht beobachtet Lindsay Polizei auf dem Gelände. Rupert Crabtree, der angeblich von Deborah angegriffene Dorfbewohner, wurde erschlagen aufgefunden. Natürlich zählt Deborah jetzt zu den Hauptverdächtigen. Und sie hat kein Alibi. Lindsay kniet sich nun in die Geschichte hinein und schließt mit Kommissar Rigano ein Abkommen über den gegenseitigen Austausch von Informationen.
Val McDermid war mir bisher nur von ihrem Spitzenklasse-Roman Ein Ort für die Ewigkeit ein Begriff und deshalb habe ich mit der entsprechenden Erwartungshaltung Das Nest gelesen, obwohl es als Frauenkrimi angepriesen wird und ich somit nicht zur Zielgruppe gehöre. Zwischen diesen beiden Büchern liegen immerhin zehn Jahre, doch einen derart frappanten Unterschied wie zwischen Tag und Nacht hatte ich nicht erwartet.
Von Anfang an wirkt die Geschichte ohne rechtes Konzept. Mit Klischees durchsetzt von Anfang bis Ende kommt nie ein ordentlicher Spannungsaufbau zustande. Die Geheimdienststory, die sich Val McDermid hier aus den Fingern gesogen hat, wirkt dermaßen unglaubhaft und konstruiert und die Art und Weise, wie die Reporterin den Fall auflöst, entbehrt jeglicher logischer Grundlage. Dabei kann man ja nicht mal behaupten, dass der Fall am Ende wirklich aufgelöst wird.
Zugegeben, Ende der 80er-Jahre war Computerwissen noch nicht so verbreitet wie heute, dennoch hätte die Autorin gut getan, ein wenig mehr in diesem Bereich zu recherchieren, anstatt hier mit ihrem Halbwissen an den Haaren herbeigezogene Informationen zu verbreiten.
Auch sprachlich kann man mit dem Gebotenen alles andere als zufrieden sein. Holprige Formulierungen und langweilige Dialoge lassen allenfalls den positiven Schluß zu, dass man sich als Schriftsteller auch schnell weiter entwickeln kann, wie das Beispiel Val McDermid zehn Jahre später beweist.
Die weiblichen Charaktere sind sich allesamt ziemlich ähnlich, so dass im Prinzip keiner davon besonders auffällt. Die privaten Probleme der Protagonistin werden nur oberflächlich behandelt, das hätte die Autorin ruhig noch ein wenig vertiefen können.
Mir ist leider nicht ganz klar geworden, ob Val McDermid sich mit dem Bild der vegetarischen pazifistischen Lesben parodistisch selber auf die Schippe nimmt oder ob da wirklich Überzeugung dahinter steckt.
Wie bereits erwähnt, zähle ich nicht zur Zielgruppe des Romans, doch könnte ich mir vorstellen, dass nur die eingefleischtesten Feministinnen diesem Kriminalroman etwas Positives abgewinnen können.
Val McDermid, Argument
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