Der ewige Gärtner

  • Ullstein Hörverlag
  • Erschienen: Januar 2001
  • 21
  • London: Hodder & Stoughton, 2000, Titel: 'The Constant Gardener', Seiten: 508, Originalsprache
  • München: Ullstein Hörverlag, 2001, Seiten: 5, Übersetzt: Rufus Beck
  • München: List, 2002, Seiten: 557
  • Berlin: List, 2004, Seiten: 557
  • Köln: Random House Audio, 2006, Seiten: 4, Übersetzt: Rufus Beck
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1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2003

Ein verschenktes Thema

Natürlich sind die meisten von uns froh, dass der kalte Krieg so sanft entschlummert ist. Auch John Le Carré dürfte die Verschmelzung der einstmals feindlichen Welten begrüßt haben, obwohl ihm klar gewesen sein muss, was diese politische Entwicklung für ihn und einige seiner Kollegen nach sich ziehen wird: das Verschwinden einer klar umrissenen Freund-Feind-Konstellation, in der die Geheimdienste der Blöcke ihre stummen Kriege ausfochten. Es gibt ganze Legionen mehr oder weniger versierter Polit-Thriller-Autoren, doch es ist das unbestrittene Verdienst Le Carrés, dem Genre Agenten-Thriller neue Türen geöffnet zu haben. Er war der erste, der die Frontlinien zwischen guter und böser Spionage immer mehr verwischte, bis eine für alle Akteure gemeinsam gültige Erkenntnis übrig blieb: der Krieg der Geheimdienste ist tückisch, gnadenlos und schmutzig. Seine George-Smiley-Romane setzten Meilensteine in der Geschichte des Genres mit ihren hochraffinierten Handlungsabläufen - und Le Carré weiß wahrlich, wovon er schrieb: Er kennt das Geschäft.

Aber kennt er es auch noch heute? Kennt er die Hightech- , die Cyber-Spionage ? Die kann er nicht kennen, die bleibt ihm verschlossen - er ist ein Kind seiner Zeit. Also was macht er? Er wendet sich schweren Herzens anderen Themen zu - im vorliegenden Fall den bedenkenlosen Strategien von Pharma-Konzernen.

Der Roman beginnt in Nairobi, Hauptstadt von Kenia und Le Carré andächtig-ehrwürdiger Stil lässt uns eintauchen in die uns fremde Welt spezifisch britischer Tradition. Auch im britischen Hochkommissariat im Nairobi des Jahres 2000 bewegen sie die dortigen britischen Beamten in der unterkühlt-arroganten Gedankenwelt des einstmaligen Empires. Contenance, Esprit und ein knapper Befehlston sind die Mastertugenden dieser kleinen Truppe von Herrenmenschen.

Die Truppe wird aufgeschreckt durch einen Mordfall: In der Wildnis fernab der Hauptstadt wird die rigoros hingemetzelte Leiche von Tessa Quayle gefunden, einer couragierten jungen Frau, die auf eigene Faust kriminellen Machenschaften eines Pharmagiganten auf der Spur war. Ihr Ehemann Justin, Leiter der Kanzlei im Hochkommissariat und ein gut gebauter, aber insgeheim belächelter Schwächling, beginnt den Aktivitäten seiner toten Frau nachzuspüren und stößt sehr schnell auf unsichtbare Akteure, die schnell und effektiv Unterlagen verschwinden lassen. Sichtbar umgibt ihn eine Unmenge lächelnder Köpfe, die beschwichtigen, abwiegeln, hin und wieder eine hartnäckige Neugier an den Tag legen und in seltenen Fällen schon mal ein bischen drohen.

Diese Köpfe gehören manchmal Afrikanern, meistens jedoch Briten, gehören zu altehrwürdigen Beamten des Außenministeriums oder Scotland Yard. Wer Le Carré kennt, weiß schon: Die Herkunft, das sichtbare soziale Umfeld einer Person ist Schall und Rauch. Wem also vertrauen? Wer ist Freund, wer Feind?

Justin vertraut niemandem und aus dem einstigen Schlaffi und Hobby-Gärtner wird ein knochiger, leidensfähiger Jäger. Seine Recherchen führen ihn zu einem Pharmakonzern, der noch nicht vollständig ausgereifte Medikamente bereits an Patienten in afrikanischen Krankenhäusern erproben lässt. Mit Hilfe eines Grüppchen aufrechter helfer geht Justin den letzten Weg seiner Frau bis an den Ort ihres Todes. Und dort warten sie bereits auf ihn...

Das Thema des Romans wirkt ausgesucht, denn seine literrische Bearbeitung verrät keine wirkliche Leidenschaft: ein Pharmakonzern auf Abwegen - ein Plot, der im Maelstrom grassierender Viren-Thriller einfach verschwindet.

Aber halt, ich sagte ja schon: Le Carré ist ein alter Fuchs mit nach wie vor brillianten Qualitäten. Quayles sorgfältig kaschierte Begegnungen mit Kontaktpersonen, das unhörbare Bewegen des Jägers in der Schattenwelt, um nicht selbst unversehens zum Gejagten zu werden - an diesen Stellen läuft Le Carré zu alter Hochform auf. Das hat er wirklich drauf: das behutsame Schleusen des Lesers durch eine Welt, in der jede belanglose Kleinigkeit ein Signal sein kann, in der eine Sekunde der Unaufmerksamkeit tödlich sein kann. Und auch in diesem Roman gelingen Le Carré Passagen, in dem er in einem fast somnabulen Stil Vorgänge beschreibt - das kann nur er.

Unterm Strich gilt es jedoch festzuhalten: kein originäres, sondern ein verschenktes Thema. Es gibt halt nicht mehr her als 25 km/h - zu schade für einen Autoren mit einem Hochleistungsmotor.

Der ewige Gärtner

John Le Carré, Ullstein Hörverlag

Der ewige Gärtner

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