Köbi Santiago
- Bilger
- Erschienen: Januar 2007
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- Zürich: Bilger, 2007, Seiten: 235, Originalsprache
Mehr als ein Regio-Krimi
Seit Stephan Pörtner 1998 seinen Antihelden Köbi Robert zum ersten Mal durch Zürich gejagt hat, sind drei Erzählungen von der Presse als "Urbane Heimatromane" hochgejubelt worden. Bei dem 2007 im bilgerverlag erschienenen vierten Buch Köbi Santiago hat der unorthodoxe Jakob sich nach Spanien abgesetzt, widmet sich dem süßen Nichtstun und verbraucht seine Erbschaft.
Ausgerechnet auf dem Platz der Toten, der Quintana de los muertos, hinter der Kathedrale von Santiago de Compostela, sieht er den Geist von Mark Hausmann, dem ehemaligen Züricher Hanfkönig, der damals inmitten seiner Pflanzen erschlagen aufgefunden worden war. Und jetzt benötigt der Tote dringend seine Hilfe, denn die Mutter seiner Tochter ist verstorben und Köbi soll mit dem Mädel, das von ihrem Vater keine Ahnung hat, den Kontakt herstellen. Und das ausgerechnet in Zürich, wo Köbi wahrscheinlich polizeilich gesucht wird.
Köbi, der Mark noch einen Gefallen schuldig ist, tritt mit diesem zusammen die Reise an und stellt den Kontakt mit der Tochter her. Doch bevor es ein Zusammentreffen mit dem Vater geben kann, wird dieser vor Köbis Haustür unsanft ins Jenseits befördert und Köbis Tochter engagiert prompt den Detektiv wider Willen, die Hintergründe aufzuklären ...
Wenn man sich die Biographie von Stephan Pörtner auf seiner Website durchliest, so scheint dessen Leben deutlicher interessanter zu sein, als das Leben seines Protagonisten Jakob K. Robert, obwohl sich darin sicher einige Parallelen finden. Köbi ist ein übrig gebliebener Revoluzzer aus dem Züricher Untergrund der Achtziger Jahre. Sein Roman spielt im Chreis Cheib, Langstraße, dort wo Rotlicht und Drogen zuhause sind und der Ausländeranteil über vierzig Prozent beträgt, gleich hinter dem Züricher Hauptbahnhof bis hin zum Bezirksgericht, dass bei der hohen Kriminalitätsrate auch nötig ist.
Und auch Köbi ist nicht ganz astrein. Pörtner stilisiert den unspektakulären Mitläufer zum Aussteiger, der am liebsten von allem seine Ruhe haben will und die dunklen Gassen gegen die Sonne des Südens eingetauscht. Mit Köbi kann man sich identifizieren, wenn man ein Kind dieser Zeit ist, vor allem aber, wenn man Schweizer ist. Und besonders auch für Schweizer ist das Lokalkolorit, das der Autor zeichnet interessant, denn wer sich in diesem Quartier noch nicht selbst bewegt hat, wird die feinen Spitzen im Schreibstil von Pörtner wohl nicht erkennen und über weite Strecken ein Gähnen nicht unterdrücken können, denn die Handlung an sich ist weder aufregend, noch sonderlich originell. Der Reiz von "Köbi Santiago" liegt ausschließlich in gekonnten Milieuschilderungen, leichten Untergriffen gegen das Establishment und einer gelassenen Lebensanschauung, weil sich ohnehin nichts geändert hat und ändern wird.
Köbi Santiago ist mehr als ein Regio-Krimi, weil er Zeitzeichen dokumentiert, politisch verhalten anprangert und ansonsten jegliches Vorurteil gegen die Schweizer bedient, das man als auswärtiger Leser haben kann. Die sprichwörtliche Langsamkeit spiegelt sich auch im Handlungsablauf, der gemütlich und ohne große Höhepunkte dahin plätschert. Selten haben Morde weniger Spannung ausgelöst als in diesem Buch, das als Kriminalroman wohl nur unterdurchschnittlich eingestuft werden kann, aber sprachlich und zeitbezogen überaus interessant mit urigen Charakteren aufwartet.
Stephan Pörtner, Bilger
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