Die Shakespeare-Morde
- List
- Erschienen: Januar 2008
- 19
- New York: Dutton, 2007, Titel: 'Interred with their Bones', Originalsprache
- Berlin: List, 2008, Seiten: 464, Übersetzt: Sophie Zeitz
- Berlin: Ullstein, 2009, Seiten: 462
Sein oder tot sein
Frau Dr. phil. Jennifer Lee Carrell, die an der Harvard University in Englischer und Amerikanischer Literatur promoviert und unterrichtet hat und auch Studien Englischer Literatur in Oxford und Stanford absolvierte, schrieb im Jahr 2007 Interred With Their Bones, das in der Übersetzung von Sophie Zeitz im List Verlag als Die Shakespeare-Morde veröffentlich wurde.
Wie der Titel schon sagt, dreht sich hier alles um den alten Meister, von dem bis heute keiner zu wissen glaubt, ob es ihn wirklich gab, ob sein Name nur ein Pseudonym einer historischen Persönlichkeit oder gar einer Gruppe von Schriftstellen war, die William Shakespeare als Speerspitze ihres Schaffens benötigte.
Heldin dieses Erstlings aus der Feder der amerikanischen Autorin ist die junge Kate Shelton, ihres Zeichens Shakespeare-Expertin und Theaterregisseurin am namhaften Londoner Globe Theatre am rechten Ufer der Themse. 1613 zum ersten Mal abgebrannt, brennt es nach der Neuerrichtung 1997 im Juni 2004 erneut, just nachdem Kate während einer Probe von Hamlet von ihrer ehemaligen Tutorin Rosalind Howard besucht wurde. Ros stirbt während des Brandes, aber nicht an den Folgen des Feuers, sondern an einer tödlichen Injektion. Ros hinterlässt Kate eine Kassette mit brisantem Inhalt. Demzufolge soll es ein unbekanntes Stück von Shakespeare geben, das seinerzeit für politische Aufregung gesorgt hätte.
Sir Henry Lee, alternder Doyen des Globe Theatres, und Ben Pearl, ein von Rosalind Howard angeheuerter Sicherheitsspezialist, gehen mit Kate auf eine weltweite Jagd nach dem verschollenen Stück, hinter dem auch andere Sammler und Wissenschaftler her sind. Und keiner schreckt vor Mord zurück, um das wertvolle Manuskript zu ergattern ...
Und diese wilde Jagd geht über 450 Seiten, in der die Autorin nimmermüde ein Shakespeare-Zitat an das nächste reiht. Die Geschichte ist fabelhaft ausgedacht, auch die Art und Weise, wie die Personen agieren und die Story voran getrieben wird, ist trotz komplizierter Zusammenhänge mit einer gewissen Spannung nachvollziehbar. Aber wem nicht spätestens zur Hälfte des Thrillers die permanenten Verweise (die natürlich dramaturgisch notwendig sind) zum Hals heraus hängen, der muss ein echter Shakespeare-Fanatiker sein.
Im Verlauf der Handlung schafft es Frau Carrell sämtliche Beteiligten zu mutmaßlichen Bösewichten zu machen. Misstrauen und Mord beherrschen die Szene und gipfeln in einem unterirdischen Showdown in einer Höhle in New Mexiko. Kate Shelton mutiert zu einem weiblichen Indiana Jones der britischen Literaturforschung und je länger das Buch dauert, umso unglaublicher wird der Stoff, der zwar fiktiv ist, aber in seiner Grundlagenforschung auf geschichtlichen Tatsachen aufbaut, wie man dem zehn Seiten langen Anhang entnehmen darf.
Für meinen Geschmack steckt in dem grundsätzlich hochinteressanten Thema ein wenig zu viel Shakespeare. Die Autorin lässt ihre umfangreichen Kenntnisse über den englischen Dramatiker in einer derartigen Fülle in die Geschichte einfließen, dass man im Laufe der interessanten Handlung den Faden verliert, wenn man nicht permanent auf die überall verstreuten Zitate achtet. Da wird das Lesevergnügen äußerst mühsam und der Lesefluss wird des Öfteren unterbrochen. Mit etwas weniger Fakten rund um die Schnitzeljagd nach dem Manuskript und die Codiersysteme mittelalterlicher Nachrichten hätte das Buch von mir eine deutlich bessere Wertung bekommen. Wer nicht gerade ein Literaturstudium aufweisen kann oder sich intensiv mit alten Meistern beschäftigt, wird meines Erachtens von diesem Schmöker nicht besonders begeistert sein.
J. L. Carrell, List
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