Vergebt mir

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2003
  • 5
  • London: Bantam, 2002, Titel: 'The Business of Dying', Originalsprache
  • München: Goldmann, 2003, Titel: 'Tage des Zorns', Seiten: 383, Übersetzt: Marie-Luise Bezzenberger
  • München: Heyne, 2011, Titel: 'Vergebt mir', Seiten: 420, Übersetzt: Marie-Luise Bezzenberger
Vergebt mir
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Andreas Kurth
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2008

Gut oder böse - welch schwierige Frage

Detective Sergeant Dennis Milne ist Polizist. Aber er ist unzufrieden, dass oft genug die Schurken, die er jagen muss, ungeschoren oder mit viel zu geringen Strafen davon kommen. Deshalb nimmt er die Sache zeitweilig selbst in die Hand er lässt sich als Killer anheuern, der Verbrecher "um die Ecke" bringt. Ein mehr als gut bezahlter Nebenjob, auch wenn der vermeintliche "Saubermann" dadurch selbst reichlich Dreck am Stecken hat. Als er drei Männer erschießt, die angeblich Drogendealer sein sollen, wird er von seinem Auftraggeber aufs Kreuz gelegt. Zwar hat Dennis zunächst kaum Zeit nachzudenken, denn er muss den Mörder einer jugendlichen Prostituierten finden, aber schnell wird ihm klar, dass er offenbar die falschen Leute umgelegt hat. Zunächst fühlt er sich sicher, aber es gibt eine Zeugin des Mordes. Als schließlich ein Phantombild veröffentlicht wird, das Ähnlichkeit mit seinem Gesicht hat, beginnt sich die Schlinge zuzuziehen. Es dauert nicht lange, und Dennis ist der Gejagte.

Wer Simon Kernick aus seinen früheren Romanen als "Vollgas-Autor" kennt, muss sich bei Vergebt mir ein wenig umgewöhnen. Auch hier baut der Autor von Beginn an Spannung auf, aber im Gegensatz zu den früheren Romanen setzt er nicht auf pausenlose Action, sondern es geht zunächst um die gute alte Polizeiarbeit. Ermitteln, Fragen stellen, Zusammenhänge finden. Dabei wird dem Leser mit Dennis Milne ein höchst ambivalenter Protagonist zugemutet aber für mich ist das ein wirklich kreativer Ansatz. Endlich mal kein stahlharter und knackiger Super-Ermittler, sondern ein wirklich zwiespältiger Mensch, über dessen Situation und Beweggründe man nachdenken kann und muss. Zeitweilig muss man sogar aufpassen, für das Vorgehen dieses Mannes nicht zu viel Verständnis aufzubringen.

Denn Simon Kernick schildert eine Welt, in der die Opfer von Verbrechen und deren Angehörige scheinbar weniger Aufmerksamkeit bekommen, als Mörder und andere Gangster. Das Wertesystem des Polizisten Dennis Milne ist also nicht ohne Grund vollständig aus den Fugen geraten. Er kann nicht mehr an Recht und Gesetz glauben, deshalb meint er, Gericht und Geschworene umgehen und die Ordnung selbst aufrecht erhalten zu müssen. Dabei ist ihm Bruce Willis in seinen Stirb langsam-Filmen ein scheinbar erfolgreiches Vorbild irgendwie sehr bezeichnend.

Für seinen Auftraggeber, Bestattungsunternehmer Raymond Keen, ist kein kriminelles Geschäft zu schmutzig. Aber bei seinem letzten ob für Keen wird Dennis arglistig getäuscht. Als er hinter die wahren Beweggründe kommt, steht Dennis längst auf den Fahndungslisten seiner Kollegen und auf der Abschussliste der Verbrecher. Und wenn die Orientierung in Sachen Gut und Böse erst einmal verloren gegangen ist, vertraut man den Falschen und hält andere zu Unrecht für die Verursacher von Verbrechen. Im Unterschied zu seinen Action-Krimis setzt Simon Kernick in der neuen Reihe mehr auf nachdenkliche Töne, und so ist auch der Leser stärker gefordert. Statt das "Popkorn-Kino" in Buchform einfach zu konsumieren, ist Aufmerksamkeit angesagt.

Das mag manchen Kernick-Fans nicht so gefallen, aber der Autor bewältigt diesen Stil-Wechsel recht souverän. Auch in Vergebt mir zeigt der Autor, dass er ein guter Erzähler ist. Es gibt keine logischen Brüche, Langeweile kommt wahrlich nicht auf. Der Titel der Neuauflage ist allerdings eher irreführend. Bei seinem ersten Erscheinen auf Deutsch hieß der Roman 2003 bei Goldmann Tage des Zorns, in der Original-Ausgabe The Business of Dying, was irgendwie zutreffender klingt. Das Projekt ist als Reihe angelegt, es gibt sogar eine Lese-Probe des nächsten Romans mit Dennis Milne. Ich verrate also nicht zuviel, wenn ich schreibe, dass sich der zwiespältige Protagonist irgendwie durchschlägt. Man darf gespannt sein, wie Kernick die Rolle des mordenden Polizisten weiter entwickelt. Der Nachfolge-Band ist bereits auf dem Markt und dürfte bei den Fans des Autors erneut für ein gespaltenes Echo sorgen.

Vergebt mir

Simon Kernick, Goldmann

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