Der Geschworene
- Econ & List
- Erschienen: Januar 1998
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- London: Hodder & Stoughton, 1997, Titel: 'Hung Jury', Originalsprache
- München: Econ & List, 1998, Seiten: 317, Übersetzt: Jutta Hein
Ebenso spannender wie dialogreicher Justizthriller
Die umstrittene Wissenschaftlerin Dr. Jenny Fox steht vor Gericht. Die als Öko-Aktivistin gefürchtete Forscherin soll ihren Kollegen Dr. Charles Easterman ermordet haben, mit dem sie sich seit langer Zeit eine erbitterte Fehde liefert. Dr. Fox, die einst in Tschernobyl kranke Kinder behandelt hat, will in ihren Untersuchungen entdeckt haben, dass die Leukämierate bei Kindern, die in der Nähe von Chemiewerken leben, in denen Pestizide hergestellt werden, besonders hoch ist. Dr. Easterman bestritt derartige Ergebnisse bis zu seinem Tod, der einer Exekution glich. Erfolgt durch drei gezielte Schüsse in den Hinterkopf. Das Blutbad ist auf einem Film festgehalten, auf denen angeblich Dr. Fox als Todesschützin zu sehen ist. Die Beweise sind erdrückend und so erscheint es für die Jury der Geschworenen ein leichtes Spiel, ein Urteil zu treffen.
Aber die Beratungen ziehen sich in die Länge, denn einigen Geschworenen, darunter der Architekt Alex Parrish, erscheint die Beweislage zu perfekt. So kommt es bei einer ersten Abstimmung weder zu einem einstimmigen Urteil, noch zu einem Urteil durch Mehrheitsentscheid, für das zehn der zwölf Geschworenen hätten einheitlich abstimmen müssen. Doch drei Geschworene sind (noch) nicht überzeugt, sehr zum Ärger des Vorsitzenden der Jury, der von allen nur "Onkel Bob" genannt wird. Mit zunehmender Beratung wird der Tonfall zwischen den Geschworenen immer rauer, da nach vierwöchiger Prozessdauer eigentlich alle nur noch nach Hause möchten, nachdem sie bis dahin sorgfältig von der Außenwelt abgeschnitten waren, um nicht beeinflusst zu werden.
Dass die Geschworenen von den Ereignissen außerhalb des Gerichtes nichts mitbekommen ist in der Tat von großem Vorteil, denn der bis dahin den Prozess führende Generalstaatsanwalt von England, Geoffrey Haversham, wurde einen Tag bevor sich die Jury zur Beratung zurück zog entführt. Die Kidnapper fordern die Wahrheit und wollen wissen, wer Dr. Easterman wirklich umgebracht hat. Nur wenn der wahre Täter bis zum Spruch der Geschworenen überführt wird, wollen sie den Generalstaatsanwalt freilassen. Für Edward Haversham, den britischen Premierminister und gleichzeitig Geoffreys Bruder, beginnt ein brutaler Wettlauf mit der Zeit. Zudem haben MI 5 und Scotland Yard ihre eigenen Ansichten, wie man mit Terroristen umgehen sollte...
Verschiedene Erzählstränge sorgen für Abwechslung und Spannung
Das Autorenduo Keith Rankin und Anthony Davis liefern mit Der Geschworene einen überzeugenden Justizthriller ab, der einige Altmeister dieses Genres in Bedrängnis bringt. Der Plot spielt im Wesentlichen auf drei Ebenen: Im Geschworenenzimmer des Old Bailey, in Downing Street 10 und bei den Entführern, die mit ihrer Geisel unterwegs sind. Sehr geschickt wird für die Leser/innen der Fall in den Gesprächen der Geschworenen beleuchtet und puzzleartig zusammengefügt. Dabei kommt es immer wieder zu Rückblenden über die abgelaufene Verhandlung. Beweismaterial wird vorgestellt, Zeugenbefragungen werden protokolliert.
Gute Darstellung der Arbeitsweise der Geschworenen
Mit zunehmender Dauer der Beratungen wird deutlich, dass zumindest ein Geschworener mit falschen Karten spielt, denn der zum Vorsitzenden gewählte Onkel Bob scheint die anderen Personen nur all zu gut zu kennen. Doch woher?
In der Zwischenzeit laufen beim Premierminister die Ermittlungen auf Hochtouren, denn dieser will natürlich seinen Bruder mit allen Mitteln retten. Dass dies nicht nur einen Interessenkonflikt auslöst, sondern fast die Erfolge der Verhandlungsexperten gefährdet, ist nahezu unausweichlich. Haversham lässt sich die Gerichtsakten kommen und versucht mit Hilfe seiner Frau Klarheit in den Fall zu bringen. Schon bald finden sie heraus, dass vor Prozessbeginn wichtige Unterlagen nicht zur Verhandlung zugelassen wurden, aus Gründen der nationalen Sicherheit. Die Zeit drängt, denn wer weis, wann die Geschworenen zu einem Urteilsspruch kommen werden?
Viel Licht, wenig Schatten
Für alle Liebhaber klassischer Justizthriller ist Der Geschworene uneingeschränkt zu empfehlen. Sehr gut gelungen sind den Autoren die Darstellung der Arbeitsweise der Geschworenen und deren psychische Belastung angesichts der wochenlangen Isolation von der Öffentlichkeit. Positiv ist ferner, dass ein nach wie vor hochbrisantes Thema, der "Circle of Poison", Ausgangspunkt des Falles ist. Ebenfalls anzumerken ist, dass Actionfreunde hier daneben greifen, da die Story zwar sehr spannend, aber doch weitestgehend durch Dialoge bestimmt wird. Schwachpunkte sind die Auswahl der Geschworenen, bei denen offenbar alle Problemgruppen Berücksichtigung fanden, sowie das unglaubwürdige Ende des Entführers.
Rankin Davis, Econ & List
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