Der 13. Brief
- Grafit
- Erschienen: Januar 2008
- 17
- Dortmund: Grafit, 2008, Seiten: 350, Originalsprache
Kesse Frühreife ermittelt an der Schule
Schön, wenn man eine Überraschung erleben darf. Schön, wenn sich jemand etwas wagt. Und schön, darüber berichten zu dürfen. Lucie Klassen aus Bad Pyrmont, gerade mal Jahrgang 1977, hat ihren ersten Kriminalroman geschrieben, unkompliziert, spannend und frech. Ein junger Krimi von einer jungen Autorin, geschrieben für eine interessante Zielgruppe. Doch dazu später mehr.
Lila Ziegler - warum eigentlich nicht Rosa oder Bleu? - wird von ihren Eltern eigentlich nach Bielefeld geschickt, um dort Jura zu studieren. Doch Lila hat keinen Bock auf ein trockenes Studium und fährt ganz trocken mit dem Regionalexpress weiter bis nach Bochum. Hier strandet sie bei einsetzendem Regen vor der Detektei von Ben Danner. Pitschepatschenass erheischt sie sich Unterschlupf bei dem mürrischen Schnüffler, um dann selber in seinen Akten rumzuschnüffeln. Und so findet sich Lila unversehens in ihrem ersten eigenen Fall wieder.
Tod einer Schülerin gibt Rätsel auf
Ben Danner ermittelt für seinen Freund Lenny Staschek an einem Bochumer Gymnasium. Eine Freundin von Lennys Tochter ist dort aus dem Fenster in der fünften Etage gesprungen und die Polizei will es als Selbstmord abtun. Doch Lenny will nicht daran glauben, dass ein lebensfrohes Mädchen ihrem Leben selbst ein Ende gesetzt haben soll. Danner, getarnt als Sportlehrer, kommt jedoch nicht an die Freundinnen der Toten heran und tappt mit seinen Ermittlungen auf der Stelle. Da kommt ihm die neugierige Lila, selber gerade der Schulbank entwachsen, als Assistentin gerade recht. Und in einem potenziellen Mordfall zu ermitteln macht allemal mehr Spaß als ein pupstrockenes Jurastudium.
Die größte Qualität dieses Romans: umwerfend scharfe Charaktere. Neben der äußerst vorlauten, kessen Göre Lila, die nebenbei noch die gesamte Männerwelt Bochums um den kleinen Finger zu wickeln scheint, sind da vor allem Danner und Lenny sowie Kneipenwirt Molle. Drei Kerle mit ausgeprägtem Beschützerinstinkt, aber auch mit kriminalistischer Spürnase, die sie - soweit die Situation es zulässt - auch einzusetzen verstehen. Lenny ist Kommissar, Danner war es, bis er sich von seiner damaligen Freundin, der heutigen Polizeivizepräsidentin von Bochum trennte. Sehr amüsant das immer noch währende Gemetzel zwischen den beiden.
Eine Lücke wird geschlossen
Keine Frage, ohne Lila, die niemals gedacht hätte, so schnell wieder die Schulbank zu drücken, hätten Danner und Lenny keine Chance, den wahren Hintergründen auf die Spur zu kommen. Ihre Ermittlungen unter den Mitschülern des toten Mädchens bilden die Brücke zwischen dem typischen Stoff für Kinder- und Jugendkrimis auf der einen Seite und dem Whodunit auf der anderen. Der 13. Brief schließt hier eine Lücke, denn es gibt wenige Romane, die es besonders jungen Lesern einfach machen, Zugang zu den klassischen Krimigenres zu finden. Genau mit dieser Qualität begeistert nämlich Klassens Roman.
Mädchenfreundschaften und pubertierende Jungs auf der einen Seite, komplizierte Liebschaften und kaltblutige Verbrechen auf der anderen. Der 13. Brief bringt frischen Wind in den Lesesommer 2008. Nur verwunderlich, dass Lilas Eltern offenbar überhaupt nicht bemerken, dass ihre Tochter niemals in Bielefeld angekommen ist.
Lucie Flebbe, Grafit
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