Im Profil des Todes
- Weltbild
- Erschienen: Januar 2002
- 37
- New York: Bantam, 1999, Titel: 'The Killing Game', Seiten: 355, Originalsprache
- Augsburg: Weltbild, 2002, Seiten: 447
- München: Ullstein, 2003, Seiten: 447
- Berlin: Ullstein, 200, Seiten: 447
- Daun: TechniSat Digital, Radioropa Hörbuch, 2008, Seiten: 1, Übersetzt: Katinka Springborn, Bemerkung: MP3
Zu viel Schmalz, zu wenig Logik
Zehn Jahre ist es her, dass Eve Duncans 8-jährige Tochter Bonnie ermordet wurde. Eve kann es nicht überwinden, dass ihre Leiche nie gefunden wurde. Fraser, der bereits hingerichtete Massenmörder nahm es als Geheimnis mit ins Grab, wo er seine Opfer versteckt hat.
Nach einem Erdrutsch werden in Georgia neun Skelette freigelegt. Eines davon ist ein Kinderskelett, bei dem es sich um die sterblichen Überreste von Bonnie handeln könnte. Joe Quinn, Detective bei der Kriminalpolizei Atlanta, ehemaliger FBI-Agent und Eves früherer Freund, nimmt sich der Funde an. Quinn, frisch geschieden, hofft immer noch, Eve zurückgewinnen zu können, und sucht sie auf Tahiti auf, wohin sie sich nach dem Tod ihrer Tochter zurückgezogen hat. Dort lebt sie mit ihrem Freund Logan zusammen.
Eve Duncan ist von Beruf Gesichtsrekonstrukteurin, dass heißt, sie versucht die Gesichter von Leichen wiederherzustellen, um diese identifizieren zu können. Nachdem Eve von Quinn über den Fund informiert wurde, gibt es für sie kein Halten mehr auf der Insel. Auch Logan muß erkennen, dass der frühere Konkurrent im Augenblick die besseren Argumente hat und er den Kampf um seine Freundin aufnehmen muß.
Eve will um jeden Preis das Gesicht der aufgefundenen Kinderleiche rekonstruieren, in der Hoffnung und der gleichzeitigen Angst, dass es sich dabei um ihre Tochter Bonnie handeln könnte und sie diese endlich nach Jahren nach Hause zurückbringen kann.
Quinn versteckt Eve in seinem abgelegenen Haus an einem See, damit sie von der Reportermeute verschont bleibt. Dort hat er ihr ein komplettes Labor eingerichtet, in dem sie arbeiten kann. Doch als Quinn den Schädel des Kinderskeletts aus der Gerichtsmedizin holen will, ist die Leiche spurlos verschwunden.
Und bei Eve meldet sich telefonisch ein Mann mit dem Namen Dom, der behauptet, dass nicht Fraser ihre Tochter getötet hat, sondern daß er selbst der Mörder von Bonnie und so vielen anderen Menschen ist. Aufgrund Doms Informationen muß Eve ihm Glauben schenken. Dom behauptet, bereits wieder ein Mädchen in seiner Gewalt zu haben, das er töten will. Er beginnt ein sadistisches Spiel mit Eve und diese muß das Spiel mitspielen, wenn sie den Psychopathen zur Strecke bringen will.
Ein großes Lob an Iris Johansen, die es - wie ich nur vermuten kann - völlig ohne schriftstellerische oder journalistische Ausbildung, mit einem minimalen Wortschatz, ganz wenigen Sätzen, die mehr als fünf Worte aufweisen und vielen Fragmenten, die nicht mal zwingenderweise Subjekt und Prädikat enthalten, geschafft hat, zur international erfolgreichen Thriller-Autorin aufzusteigen. Wodurch sie dies geschafft hat, wird mir allerdings ewig ein Rätsel bleiben.
Fast durchweg in Dialogen geschrieben, nur mit wenigen Sätzen dazwischen, lassen sich die in großer Schrift gedruckten 448 Seiten glücklicherweise in rasanter Lesegeschwindigkeit überfliegen. Viel nachzudenken braucht man wirklich nicht, um dem sehr simpel gestrickten Plot folgen zu können.
Die folgende Leseprobe ist ein Beispiel von vielen, die die oben erwähnten Ausführungen sehr gut verdeutlichen sollte:
Sie hob die schwarzen Kerzen auf.
"Jetzt kommen Sie zu mir."
Langsam ging sie auf ihn zu.
Ein Schritt.
Zwei.
Drei.
"Schneller, ich kann es kaum erwarten zu..."
Sie schleuderte ihm die Kerzen ins Gesicht.
"Eve!"
Sie rannte los. Aus dem Schatten heraus in den von Kerzen erleuchteten Kreis.
Sie blickte sich um. Er lief hinter ihr her.
Schnell.
Raus aus dem Dunkeln.
Ins Licht.
Ein einzelner Schuss zerriss die nächtliche Stille.
Daß der Typ des hochgenialen Massenmörders, der mit seinen Verfolgern Spielchen spielt, in der Realität nicht vorkommt, sollte sich mittlerweile auch in Krimiautorenkreisen herumgesprochen haben. Dennoch haben Autoren wie Jeffery Deaver und Thomas Harris gezeigt, dass man auch mit dieser Fiktion intelligente und gut aufgebaute Romane schreiben kann. Dagegen wirkt die von Iris Johansen aufgebaute Geschichte nur wie ein müder Abklatsch.
Eine Gesichtsrekonstrukteurin als Protagonistin auftreten zu lassen, ist mal eine neue Idee und erinnert sofort an Kathy Reichs forensische Anthropologin. Leider bleibt es bei der Idee, denn in dieser Funktion tritt Eve Duncan fast nicht auf. Hier wurde viel gutes Material verschenkt. Sollte die Autorin zu wenig recherchiert haben, um in dieser Hinsicht etwas mehr bringen zu können?
Obwohl Iris Johansen die Handlung rasant vorantreibt, scheint jeder Schritt vorhersehbar. Phantasielos und uninspiriert lässt die Autorin ihren Killer an jedem beliebigen Ort auftauchen, ohne später nachzuvollziehen, wie dies möglich gewesen sein soll. Bleibt beamen als einzige Erklärung.
Die Protagonistin weist einen äußerst zwiespältigen Charakter auf. Einerseits seit dem Tod ihrer Tochter eine gebrochene Frau, nach jedem Anruf des Killers einem Nervenzusammenbruch nahe, spielt sie zwischendurch die Powerfrau, die weiß was sie tut und jeden Wettlauf mit dem Killer aufnimmt. Absolut flach wirken auch die beiden Pseudo-Casanovas, die um ihre Gunst buhlen. Sehr merkwürdig, zumindest psychisch sehr labil, wirkt auch die Besitzerin des Suchhundes. Einzig Eves Mutter, die Sozialarbeiterin sowie Janes Pflegemutter weisen eine gewisse Persönlichkeit auf, doch sind ihre Rollen leider zu klein geraten.
Die fiktiven Dialoge von Eve mit ihrer toten Tochter sind für die Handlung völlig bedeutungslos und wohl nur dazu gedacht, ein wenig auf die Tränendrüse zu drücken.
War der Roman nun wenigstens spannend? Die Frage lässt sich nicht eindeutig beantworten. Zumindest weißt das Buch eine rasante Handlung auf. Für manch einen mag das schon mit Hochspannung gleichzusetzen sein. Durch die Vorhersehbarkeit wird jedoch bereits wieder viel von dieser Spannung herausgenommen. Leider fehlt durch den platten Schreibstil auch jegliche Stimmung, die auch vonnöten wäre, um sich so richtig in eine Handlung hineinversetzen zu können.
Der Spruch auf dem Klappentext "Machen Sie alle Lichter an und stellen Sie das Telefon neben sich - wenn Sie das lesen, werden Sie nicht alleine im Dunkeln sein wollen!" gefällt mir wirklich sehr gut, für dieses Buch jedoch ist er stark überzogen.
So ist man dann schließlich froh, wenn man nach einigem Querlesen das Ende erreicht hat. Auch die nochmalige Kehrtwendung kurz vor Schluß, nachdem man den Täter zu kennen glaubte, durfte natürlich nicht fehlen. Insgesamt zuviel Schmalz, zu wenig Logik.
Iris Johansen, Weltbild
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