Der nützliche Freund
- DAV
- Erschienen: Januar 2008
- 21
- Berlin: DAV, 2008, Seiten: 3, Übersetzt: Stephan Benson & Ulrike Johannson
- München; Zürich: Piper, 2010, Seiten: 312, Originalsprache
Eine Hommage an Paris (geschmückt durch einen guten Krimi)
Zu Ulrich Wickert muss an dieser Stelle nichts gesagt werden. Er ist irgendwie der unendliche Mister Tagesthemen, obwohl er diesen Job nun schon einige Jährchen nicht mehr ausübt. Seitdem versucht er sich mit Begeisterung als Krimi-Autor, Lesung hier, Podiumsdiskussion dort und zwischendurch auch das ein oder andere Festival mitgenommen. Zum Protagonisten seiner Krimis, Richter Jacques Ricou, braucht eigentlich auch nichts mehr gesagt werden. In Der nützliche Freund begegnet uns der integere Streiter für die Gerechtigkeit, der Genussmensch mit dem Faible für attraktive Frauen, nun schon zum dritten mal und es schleicht sich das Gefühl ein, einen alten Bekannten wieder zu sehen. Also könnten wir es kurz machen und direkt in medias res gehen.
Ein sensationelles Enthüllungsbuch wird angekündigt. Der zu unrecht in der Leuna-Affäre verurteilte Lobbyist Marc Leroc kündigt medienwirksam an, die wahren Hintermänner der Geldschieberei mit Hilfe eines "nützlichen Freundes" enttarnen zu wollen. Doch dazu soll es nicht kommen: Leroc stürzt vom Balkon seines Appartements in der 22. Etage in den Tod. Auf seinem Balkon findet die Polizei die bewusstlose Journalistin Margaux - die immer-mal-wieder-Freundin von Ricou. Doch die wird sich an nichts Wesentliches erinnern können.
Der "nützliche Freund" heißt Mormann und läuft der Polizei am folgenden Tag in die Arme. Die Mörder sind unterdessen auf der Suche nach Dokumenten und Beweisen, die Licht in das Dunkel der Leuna-Affäre bringen können. An Mormann kommen sie vorerst nicht ran. Hat aber vielleicht Untersuchungsrichter Ricou inzwischen belastendes Material? Keine Frage, er muss irgendwie ausgeschaltet werden, doch ein Mordanschlag misslingt. Was könnte dann besser passen, als eine kleine Intrige zu inszenieren.
Keine Frage, bei manch amerikanischem Kollegen wäre dieser Stoff reißerisch aufgepeppt zu einem rasanten Agentenroman verwurstet worden. Einem von vielen. Rasant, atemberaubend oder gar fesselnd wird Wickerts Krimi jedoch eigentlich zu keiner Zeit. Es ist ein beschaulich und ruhig erzählter Roman, der jede Gelegenheit nutzt, um das Leben in Paris in seinen vielen Facetten zu beschreiben. Da werden die Geschichten von Stadtteilen und Straßenzügen erzählt, Privilegien der Ehrenlegion erwähnt, Vorurteile und natürlich unvermeidlich auch so manche Speisekarte zitiert. Hierin ist die große Stärke des Romans zu sehen, hier ist der Journalist, der gute Beobachter am Werk, der in prägnanten, lockerleichten Sätzen mal eben das Leben in seiner ganzen Fülle einfängt.
Der nützliche Freund ist aber mehr als das. Es ist ein eigentlich sehr klug konzipierter Krimi. Das Potenzial, das in der Geschichte liegt, reizt Wickert eben auf seine Weise aus, womit er unterhalten, aber sicherlich nicht jeden Leser begeistern können wird. Schwächen zeigt der Roman eigentlich nur in den unverständlicherweise komplett überzeichneten Einschüben um das Genfer Finanzinstitut und seine beiden Vorstände. Der Kampf für die Schweizer Cervela-Wurst sollte vielleicht für so was wie Erheiterung beim Leser sorgen, diese edle Absicht ist aber zu einem mehr als hilflos anmutenden Störfaktor verkümmert.
Dennoch, Der nützlich Freund ist der bislang beste der drei Ricou-Romane. Ob nun Leuna-Affäre im Hintergrund oder nicht, wichtig ist dass Ricou in "seiner" Heimat ermitteln kann, dass er seine Leidenschaft und Liebe für die französische Hauptstadt austoben kann. Trotz aller Brisanz ist Wickerts Roman ein Krimi der leisen Töne oder eigentlich eher eine Liebeserklärung, die nebenbei auch einen kleinen Agententhriller umfasst.
Ulrich Wickert, DAV
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