Die Gefangene

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2004
  • 2
  • München: Heyne, 2004, Seiten: 703, Übersetzt: Michélle Pyka
  • München: Heyne, 2007, Seiten: 703, Übersetzt: Michélle Pyka
  • London: Headline, 1999, Titel: 'Two Women', Originalsprache
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Ines Dietzsch
76°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2008

Über 700 Seiten Bangen und Hoffen auf ein Happy-End

East End - durch die Lebensumstände in dieser Londoner Wohngegend ist der Begriff East End Synonym geworden für Stadtviertel in Großstädten des angelsächsischen Sprachraums, in denen gesellschaftlich Unterprivilegierte zu Hause sind.

In diesem Londoner East End, einem Stadtteil, der für seine Bewohner nur wenige liebevolle Umarmungen übrig hat, wächst Susan McNamara auf. Jetzt heißt sie Susan Dalston, sitzt im Gefängnis und wartet auf das Berufungsverfahren in ihrem Mordprozess. Über einhundert Mal hat Susan mit dem Tischlerhammer auf ihren Ehemann Barry "Bal" Dalston eingeschlagen, sein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Um ihre Tat zu verstehen, führt sich Susan in der Haftanstalt ihre Kindheit und Jugend vor Augen.

Wenn die Gewohnheit über den Hass triumphiert

Es ist für Susan und ihre ein Jahr ältere Schwester Debbie trauriger Alltag, mitten in der Nacht vom Geschrei der Eltern aus dem Schlaf gerissen zu werden. Regelmäßig dreht der cholerische Joey McNamara durch und tobt sich an seiner Frau June aus. Regelmäßig müssen die beiden Mädchen miterleben, wie Joey seiner Frau büschelweise Haare ausreißt und das Gesicht zu einer blutigen Masse schlägt. Regelmäßig wird auch die Polizei gerufen, die Joey dann für eine Nacht wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses in trunkenem Zustand festnimmt. Regelmäßig steht Joey am nächsten Tag wieder gutgelaunt vor der Tür und versöhnt sich mit June.

Vom Regen in die Traufe

Barry Dalston ist neu im Viertel. Der Schotte, auf den alle Mädchen stehen, zeigt Interesse an der zurückhaltenden Susan. Dass dieses Interesse auf Susans Verwandtschaft mit einem Gangster und ihren zwei hervorstechendsten Argumenten gründet, bleibt Susan in ihrem verzweifelten Sehnen nach Zuneigung und Liebe verborgen. Sie dankt Gott, der Jungfrau Maria und allen Heiligen für die Begegnung mit Barry Dalston und sieht in ihm die Antwort auf all ihre Gebete. Barry kann ihrer bedingungslosen Bewunderung nicht widerstehen und heiratet Susan. Schon am Tag der Vermählung offenbart der Ehemann seinen fiesen Charakter und für Susan erhebt sich der Albtraum ihres Lebens in eine neue Dimension.

Ein Schicksal, das einem den Atem stocken lässt

Die Gefangene erzählt das ergreifende Schicksal eines Mädchens, das in fürchterlichsten Verhältnissen aufwachsen muss. Ungeliebt von der Mutter, vom Vater missbraucht, flüchtet sich die junge Frau in eine Ehe, die schlimmer nicht sein könnte. Es ist auch die Geschichte einer starken Frau mit einem unbeugsamen Willen, ihre Kinder bis zur Selbstaufgabe zu beschützen.

Martina Coles Story liest sich erschreckend authentisch. Die Autorin lässt ihre Protagonisten deutlich die Sprache des niederen Milieus sprechen und spart nicht an vulgären Ausdrücken. Und es ist gar nicht abwegig, dass sich solche Dramen außerhalb unserer Komfortzone so oder so ähnlich tatsächlich abspielen.

Sozialdrama, Familiensaga, Thriller?

Die Gefangene ist ein aufwühlendes Sozialdrama, eine berührende Familiengeschichte, ist es auch ein Thriller? Für mich persönlich kann ich diese Frage eindeutig mit Ja beantworten. Mit seinen 704 Seiten ist der Roman wahrlich kein schmales Bändchen und diese Seiten lassen sich in kürzester Zeit bewältigen, weil man einfach nicht loslassen möchte. Schon nach wenigem Umblättern leidet man mit Susan und bis zum Ende bleibt es bei einem permanenten Bangen und Hoffen, es möge doch bitte, bitte ein Happyend für diese bemitleidenswerte Frau und ihre Familie geben. Das ist mir Nervenkitzel zur Genüge.

Ich wage die Vermutung anzustellen, dass dieser Roman in erster Linie die weibliche Leserschaft in seinen Bann zieht, wohl aber auch den Leser zu fesseln vermag.

Die Gefangene

Martina Cole, Heyne

Die Gefangene

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