Wenn das Meer verstummt

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2007
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  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2007, Seiten: 330, Übersetzt: Anne Bubenzer
Wenn das Meer verstummt
Wenn das Meer verstummt
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Jörg Kijanski
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2008

Besser als das Debüt, aber noch mit Schwächen

Kommissar William Wisting wird zu einer Apotheke in Stavern gerufen, vor der er einen schwer verletzten Mann findet. Dieser wurde angeschossen und notdürftig medizinisch versorgt. Der Mann wird in ein Krankenhaus gebracht, wo er jedoch im Koma liegend nicht vernehmungsfähig ist. Fast zeitgleich wird auf der nahe gelegenen Halbinsel Kaupang ein Feuer gemeldet. Als ein Mitarbeiter Kistings vor Ort eintrifft findet er nur noch die Reste eines völlig abgebrannten Ferienhauses vor. In den Trümmern finden die Ermittler eine Leiche und Spuren, die darauf hindeuten, dass es einen Schusswechsel gegeben haben könnte. Sollte ein Mann bei dieser Aktion verletzt und bewusst vor der Apotheke abgelegt worden sein, damit ihm schnelle Hilfe zukommt, ohne seine Komplizen bloßzustellen?

Vieles ist unklar, denn weder der im Koma befindliche Mann noch die Leiche aus der niedergebrannten Hütte können zunächst identifiziert werden. Da findet Wisting bei einem Segeltörn eine verlassene Yacht, auf der sich Blutspuren befinden. Kurz zuvor wurde bereits eine kleine Jolle entdeckt, die ebenfalls voller Blut war. Offenbar hängen diese Ereignisse miteinander zusammen, doch Wisting kann mit seinem kleinen Team kaum etwas ausrichten, zumal die stellvertretende Polizeidirektorin die Ermittlungen nahezu behindert.

Keine Zeugen, kein Motiv und Opfer ohne Namen

Eine erste Spur führt zu Staverns Döner-König Ala Adin Naama, doch dieser macht angeblich Urlaub im Irak. Sein Bruder Barzan will ihn schon länger nicht mehr gesehen haben und wenig später ist auch Barzan selbst wie vom Erdboden verschwunden. Dann liegen erste Untersuchungsergebnisse vor, doch die Blutgruppen des Mannes von der Apotheke, der Jolle und der Yacht sind allesamt verschieden. Da meldet sich Umar, der Sohn des Döner-Königs, bei Wisting und gibt an, dass das Opfer des Feuers auf Kaupang seine Freundin sei, die sich dort heimlich mit ihm treffen wollte. Damit geraten die Ermittlungen einmal mehr aus den Fugen, denn wie passt hierzu die Theorie von einer Schießerei, wenn das Opfer eine scheinbar unschuldige junge Frau ist? Die Obduktion der Leiche ergibt jedoch, dass die Frau schon vor dem Feuer tot war...

Mitunter überschlagen sich die Ereignisse etwas zu sehr

Im zweiten Teil der William-Wisting-Reihe von Jørn Lier Horst wird sehr detailverliebt die Polizeiarbeit dargestellt. Horst, selbst Polizist, übertreibt es dabei gelegentlich ein bisschen, da die Ermittlungen erkennbar nicht vorankommen und auch nicht immer überzeugend, sprich mit dem nötigen Nachdruck, geführt werden. Wer jedoch an dem Verfolgen der Polizeiarbeit und dem damit verbundenen, langsamen zusammensetzen eines Puzzles Spaß hat, der findet hier durchaus ein kurzweiliges Werk. Eine Chance zum Mitraten besteht allerdings kaum, da Wisting und seine Kollegen selber nicht durchblicken und der Autor auch all zu oft mit überraschenden Kehrtwendungen die bis dahin erzielten Ermittlungserfolge über den Haufen schmeißt.

Das Privatleben des Protagonisten wird natürlich auch fortgeschrieben, denn Wistings Frau Ingrid arbeitet nun endlich in Afrika als Lehrerin und soll in wenigen Wochen zu einem ersten Urlaub zurück nach Hause kommen. Glücklicherweise gibt es ja noch Line, Wistings Tochter, die sich als Journalistin beweisen will und praktischerweise davon profitiert, dass sie Informationen aus erster Hand erhält. Einen neuen Freund hat sie auch und dieser ist (wie praktisch) mit Umar befreundet.

 

"Ich habe mit dem Besitzer Kontakt aufgenommen. Er hat tausend dieser Feuerzeuge produziert, aber erst ungefähr die Hälfte weggeben."
"Super! Da haben wir in einer Sekunde die Anzahl der möglichen Täter auf fünfhundert reduziert"

 

Es ereignet sich also einiges in Wenn das Meer verstummt und fast ist man geneigt zu sagen, hier wäre weniger vielleicht doch mehr gewesen. So verrennt sich der Autor ein wenig in seiner Geschichte und findet nur mit Mühe wieder aus dieser heraus. Die Auflösung ist einmal mehr Geschmacksache, wobei sich hierbei die Ereignisse nochmals überschlagen. Am Anfang des Plots passiert viel, dann lange Zeit nichts außer ergebnislosen Ermittlungen und dann das Finale, bei dem Wistings Tochter Line dann doch noch verschwindet. Genauer gesagt fünfundzwanzig Seiten vor Ende des Buches, was insoweit von Interesse ist, als dass dieser Vorfall auf dem Buchrücken schon vorweggenommen wird.

Wenn das Meer verstummt

Jørn Lier Horst, Rowohlt

Wenn das Meer verstummt

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