Letzte Show
- List
- Erschienen: Januar 2008
- 2
- Paris: Viviane Hamy, 2005, Titel: 'La fille du samouraï', Originalsprache
- Berlin: List, 2008, Seiten: 328, Übersetzt: Brigitte Lindecke
Putzig, pussierlich - und zu viel des Guten
Mit ihrem Deutschland-Debüt Schöne der Nacht begeisterte die Französin Dominique Sylvain mit einem erfrischend unaufregeten Ermittlerduo, das an die teils durchaus skurrilen Charaktere einer Fred Vargas erinnerte: Lola Jost, pensionierte Kommissarin mit einer Vorliebe fürs Puzzeln, und Ingrid Diesel, Amerikanerin, Stripperin und Inhaberin eines Pariser Massage-Salons, brachten Schwung in den sonst oft so arg überpolitischen französischen Krimi - beziehungsweise in das, was davon ins Deutsche übersetzt worden ist. Letzte Show heißt der zweite Fall für die beiden Damen. Und kann leider nicht ganz das halten, was der Vorgänger erwarten ließ.
Der Tatort: wie im ersten Fall Paris. Das Opfer: Alice, Tänzerin und Amateurdouble von Britney Spears. Die Tat: vielleicht gar keine? Aber von vorne: Alice wird zu einem Gig in ein Pariser Nobelhotel bestellt, in ihrem Zimmer erwartet sie bereits ein Schaumbad und ein edles Fläschchen Champagner. Doch dann stürzt sie sich aus dem 34. Stock - Selbstmord? Oder hat da vielleicht jemand nachgeholfen? Das vermuten sowohl Stripperin Ingrid als auch Rentnerin Lola und begeben sich in ein Milieu, in dem es für die beiden richtig gefährlich wird: Alices Agentur ist nämlich in prekäre Machenschaften verwickelt, die ihre Kreise gar bis an die Spitze der französischen Regierung ziehen...
Wie schon in Schöne der Nacht lebt auch Dominique Sylvains zweiter Jost-&-Diesel-Fall von den beiden weiblichen Hauptfiguren, hier in letzte Show aber auch vom Rest ihres putzigen bis pussierlichen Personals. Unvergesslich wird die Szene bleiben, in der Lolas Freund Maurice, schicksalhafterweise der Großvater der Toten, quasi Amok läuft: In einem Kaufhaus sieht er das Video von Alice, wie sie aus dem Fenster stürzt und schlägt dann TFT- nach Plasmafernseher in seine Einzelteile. Herrlich!
Was aber diesmal irritiert: Letzte Show wirkt gerade zum Ende hin sehr chaotisch. Dominique Sylvain hat in ihre sonst humorvoll-getünchte, Pariser-Atmosphäre, ziemlich harte Thriller-Elemente einfließen lassen, mit Folterszenen und Showdown in der Bretragne. Damit hat sie leider viel kaputt gemacht und den Erzählfaden vielleicht ein wenig überdreht, einen Stilbruch begangen. Verfolgungsjagden, Schießereien und besagtes Foltern wollen nun gar nicht zu Ingrid Diesel und Lola Jost passen. Hier wäre weniger weitaus mehr gewesen. Thriller sind nicht Madames Ding und sollten es auch nicht werden.
Dennoch: Dominique Sylvain ist eine absolute Bereicherung für den Krimimarkt, das Übertriebene in Letzte Show sollte man mit französischer Nonchalance nehmen. Letzte Show ist ein kleiner Ausrutscher, wie so oft kann Numéro deux nicht ganz an den Erstling anknüpfen. Deswegen überwiegt eine leichte Enttäuschung - wenngleich auf hohem Niveau. Wer Ingrid Diesel und Lola Jost jedoch noch nicht kennt, kann und darf hier zugreifen. Empfohlen sei jedoch für Einsteiger Schöne der Nacht.
Dominique Sylvain, List
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