Die Signatur des Mörders
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2008
- 2
- München: Goldmann, 2008, Seiten: 411, Originalsprache
Auf Kafkas Spuren
Wie bekommt man eine zu Tode gepeitschte Tänzerin und einen im Käfig verhungerten Mann mit Franz Kafka zusammen? Krystina Kuhn hat das mit Phantasie, dem Kafka-Jahr im Rücken und einer sehr freien Auslegung von Kafkas Erzählungen bewerkstelligt und einen durchaus spannenden Krimi entwickelt.
Bizarre Morde mitten in Frankfurt
Die Frankfurter Staatsanwältin Myriam Singer macht einiges durch: Privat kriselt ihre Beziehung zu dem Ermittler Henri Liebler und beruflich steht sie vor der bizarrsten Mordserie ihrer Karriere. Die Brutalität der Morde spricht für sich: Eine junge Tänzerin wurde - offensichtlich ohne Gegenwehr - ausgepeitscht und verblutete, während wenig später ein junger Mann verhungert aufgefunden wird. Jemand hatte ihn mit zugenähtem Mund in einen Käfig gesperrt.
Zunächst scheint nichts die Morde zu verbinden, außer dass beide den Literatur-Professor und Kafka-Spezialisten Milan Hus kannten. Kafka-Manuskripte tauchen auf, scheinbar authentische und bisher unbekannte Bearbeitungen, in denen die Morde detailliert beschrieben werden. Die Verbindung zu Milan Hus ist schnell gezogen und der Literaturprofessor festgenommen; zu schnell, denn es taucht ein drittes Manuskript auf.
"Ein Hungerkünstler" und "Auf der Galerie"
"Kafka selbst", erklärte Hus, "war ein gestörter Mensch, der von einem unterdrückten Selbstwertgefühl angetrieben, von Gewaltphantasien gequält wurde." (S. 128)
Das ist nicht gerade die verbreitete Lehrmeinung, die Krystina Kuhn einem ihrer Hauptakteure in den Mund legt, aber gerade im Kafka-Jahr scheint ein regelrechter Wettbewerb um die abenteuerlichste Deutung Kafkas ausgebrochen zu sein. So kann man sich beispielsweise in einem in England erschienenen Buch über Kafkas angebliche Affinität zur Pornografie informieren, die sich freilich nur als harmlose Sammlung der expressionistischen Zeitschrift Der Amethyst mit freizügigen Zeichnungen entpuppt. Der "Entdecker" der Sammlung ist James Haws, der in seinem viel diskutierten Buch eine Neuinterpretation Kafkas Werk verlangt. Haws und Hus, die Namensähnlichkeit ist vermutlich Zufall, gibt Krystyna Kuhns Geschichte aber eine gewisse Aktualität.
Doch nicht nur das, auch Kafkas Werk selbst scheint sich als Hintergrund für einen Kriminalroman bestens zu eignen. Wer einmal gelesen hat, mit welcher Gelassenheit in "In der Strafkolonie" über eine bizarre Hinrichtung gesprochen wird, dem dürfte beim Lesen des Klappentextes von Die Signatur des Mörders sofort klar sein, dass Kuhns Idee funktionieren muss. Sie hat sich allerdings nicht der Strafkolonie bedient, sondern mit "Der Hungerkünstler" und "Auf der Galerie" zweier etwas weniger bekannter Erzählungen, die jedoch nicht minder rätselhaft sind.
Konventionell trotz Kafka
Nicht nur Kafka-Freunde werden jedoch darüber enttäuscht sein, dass Kuhn bei der Einbindung von Kafkas Werken in ihre Geschichte nicht allzu tief vordringt. Letztlich ist nur die Idee der bizzaren Tötungsrituale den Erzählungen entlehnt. Das ist insofern schade, als dass Die Signatur des Mörders nach einem viel versprechenden Beginn und der Hoffnung auf einen ungewöhnlichen Plot schnell einen zwar spannenden aber eben sehr konventionellen Verlauf nimmt.
Das liegt vor allem daran, dass sich die Prager Episoden des Romans, um vermeintlich authentische Manuskripte Kafkas als eher unwesentlich für den Krimi entpuppen. Die eigentliche Handlung spielt in Frankfurt. Myriam Singer und ihr Ermittlerteam suchen den Mörder, machen Fehler, bis die Zeit knapp und der dritte Mord fast passiert ist. Daneben muss sich Myriam mit einer - großzügig als kafkaesk zu bezeichnenden - Bedrohung auseinander setzen und ihre Gefühle zu Henri ordnen. Zusätzlich - auch das ein großes Kafka-Thema - wird ihre Arbeit immer wieder von der Bürokratie in Gestalt ihres Vorgesetzten behindert.
Es gibt sie also, die Anspielungen auf den großen Meister, doch leider bleibt es bei Andeutungen. So ist Die Signatur des Mörders nicht mehr und nicht weniger als eine gut zu lesende und spannende Geschichte, an deren Ende neben der guten Unterhaltung aber eben auch ein wenig die unerfüllte Hoffnung auf einen Hauch des Besonderen, das Kafkas Werk umgibt, bleibt.
Krystyna Kuhn, Goldmann
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