Flop
- Argon
- Erschienen: Januar 2008
- 14
- New York: Dorchester, 2006, Titel: 'Bust', Originalsprache
- Berlin: Argon, 2008, Seiten: 4, Übersetzt: Rainer Schöne
Wer Waffen hat, sitzt am Drücker
Mit Ken Bruen (geboren 1951 in Irland) und Jason Starr (geboren 1968 in Brooklyn, USA) solidarisieren sich schriftstellerisch zwei Männer, die in der Krimibranche als Einzelkämpfer schon beachtliche Erfolge vorweisen können. Auch in der in der deutschen Publikumsgunst haben sie einen hohen Stellenwert. Zwei Autoren, 17 Lebensjahre und über 5.000 km Luftlinie voneinander entfernt, schreiben gemeinsam an einem Krimi - kann das überhaupt etwas anderes werden als ein peinlicher "Flop"?
Es kann, auch wenn das erste gemeinsame Hardboiled-Werk eben diesen Titel trägt. In 28 Kapiteln, jedes mit einem heftigen Zitat vorwiegend aus anderen Krimis der deftigen Sorte eingeleitet, wird ein Feuerwerk an krimineller Energie abgebrannt, das von seiner tragischen Situationskomik lebt und den Vergleich mit Traditionellem nicht zu scheuen braucht! Das ist Pulp im ursprünglichen Sinne. Die Väter dieses unverblümten, ehrlichsten und sozialkritischsten Krimigenres hätten ihre wahre Freude am gemeinsamen Flop vom Duo Jason Starr und Ken Bruen.
Verkorkste Gene mit schlimmen Folgen
Fast alle Hauptakteure sind böse, durchtrieben und schlecht, jeder versucht gnadenlos den anderen auszutricksen, und das selbst bei Gefahr des eigenen Untergangs: wuselige Jagdteckel, die sich ohne viel nachzudenken in den Fuchsbau stürzen, Kampf erprobt, aggressiv, rücksichtslos und mit einer gehörigen Portion unerschrockener Bissigkeit.
Max Fisher ist ein skrupelloser Geschäftsmann aus der boomenden New-Technology-Branche. Er hat mit seiner Firma NetWorld fix ein Vermögen gescheffelt, was er aber weniger seinem Fachwissen als vielmehr seiner trickreichen Cleverness und fleißigen Mitarbeitern zu verdanken hat. Bei so viel Reichtum trotz eigener Faulheit macht sich schnell Langeweile breit. Diese Langeweile verschwindet urplötzlich, als Fisher Angela Petrakos bei einem Vorstellungsgespräch für einen Bürojob in seiner Firma vor sich zu stehen hat. Angela Petrakos ist ein durchtriebenes Luder und vielleicht die schillerndste Figur im Flop.
Ihre Gene sind höchst explosiv: Die Mutter war Irin mit Leib und Seele sowie strengen Regeln, und "wenn die Iren Regeln festlegen, sind sie in Granit gemeißelt" (S. 19).
Die Vorfahren ihres Vaters kamen aus Griechenland, aber zu Hause hatte die irische Mutter das uneingeschränkte Sagen. Den ganzen Tag dudelten Jigs und Reels, Bodhrans und Dudelsäcke, niemals Theodorakis oder sonst eine Musik, die ihr Erzeuger so liebte. Kein Wunder, dass ihr Vater nach dem Tode seiner Frau diese umgehend einäschern ließ, "damit sie ganz bestimmt nicht zurückkommt." (S.20 )
Diese von ihren Vorfahren arg gebeutelte Angela Petrakos weiß, was sie will: raus aus dem armseligen Muff, schnell reich werden und ein sorgloses Leben führen. Sie hat sich vorgenommen, aus allen Positionskämpfen als alleinige Siegerin hervorgehen, all die lästigen Nebenbuhlerinnen, Partner und Geliebten abzuhängen und sich in der Wohlstandshierarchie Stück für Stück nach oben klimmen:
"Die wichtigste Grundregel, die sie gelernt hatte, war: Zieh einen kurzen Rock, Schuhe mit Mörderabsätzen und ein enges Top an, und schon drehen die Jungs durch." (S. 20)
Mit ebendiesem Outfit sitzt Angela zum Vorstellungsgespräch vor dem scheinbar hypnotisierten NetWorld-Firmenchef Max Fisher:
"Während des Gesprächs starrte Max sie die ganze Zeit mit offenem Mund lüstern an. Er war mit ziemlicher Sicherheit der widerlichste und armseligste Typ, den sie je getroffen hatte. Wie er so vor ihr saß, den Blick starr auf ihre Titten gerichtet, beinahe schon hechelnd, [...] wirkte er wie ein zu groß gewachsener Dreizehnjähriger. Nicht um alles in der Welt würde sie für diesen Penner arbeiten" (S. 65)
Was sie natürlich dennoch macht, weil Max ihr nicht nur Luxus und Geld, sondern nach kurzer "Einarbeitungszeit" auch prompt die Ehe verspricht. Einziges Handicap: Fisher ist verheiratet. Deshalb hat er die Absicht, sich seiner in die Jahre gekommenen Gattin zu entledigen um mit seiner rassigen Geliebten einen - dank Viagra & Co. - sexuell erfüllten Neuanfang zu starten.
Networld floppt nie!
Natürlich kennt Angela den geeigneten Profikiller, der diese Drecksarbeit für Fisher entschlossen erledigen wird. Diesen Dillon, einen ehemaligen IRA-Mann, hat sie in ihrer durchnässten Heimat kennen gelernt, als er sie vor einem total besoffenen und sexuell anzüglichen Landsmann mit "Mundgeruch wie ein Abflussrohr" in einem Irish Pub (wo sonst!) auf rigorose Weise vor perversen Anzüglichkeiten beschützte. Sie kann sich der Faszination des obercoolen Dillon (so nebenbei schleppt dieser ständig ein Zen-Buch mit sich herum, was ihm einen glamourösen intellektuellen Touch verleiht) nur schwer entziehen: "Eine Sache, auf die Angela abfuhr, war Gefahr, und der Kerl roch danach." (S. 22 )
Was Max Fisher bei seinem Auftragsmord nicht ahnt: Dieser spindeldürre, irische Killer mit den ungepflegten, grauen Fetthaaren, den seltsamen, sternförmig ausgefransten Lippen (bleibendes Resultat eines Kampfes, als Dillons Gegner eine Glasflasche mit abgebrochenem Hals und guter Treffsicherheit als Waffe einsetzte), dieser Ire, der mehr das Aussehen einer schmuddeligen Kanalratte als das eines Furcht einflößenden Auftragskillers hat, pflegte lange Zeit ein intensive sexuelle Beziehung zu seiner zukünftigen Traumfrau Angela Petrakos.
Der unwissende Fisher akzeptiert Angelas Vorschlag und bastelt an seinem wasserdichten Alibi, den Killer-Fähigkeiten Dillons vertrauend. Aber dann eskaliert die so schön geplante Aktion, die Ereignisse überschlagen sich und alles, aber auch wirklich alles läuft aus dem Ruder.
Raffinierter Mix aus Situationskomik und skrupellosen Morden
Was uns das Schriftstellerduo Bruen/Starr hier vor die Krimiaugen legt, ist eine bitterböse Intrige im brutalen Hardboiled-Jargon, in welche der Leser aber kurioserweise vom Gefühl her nicht einbezogen wird. Hier für irgendjemanden und mitleidend Partei zu ergreifen bleibt uns erspart, weil die Story durchweg gewürzt ist durch einen gewaltigen Schuss Humor und herrliche Überzeichnungen. Dieser Mix macht das Buch ebenso zu einem Lesespaß wie die herrliche Zeichnung der Hauptakteure, besonders der Bösewichter - und davon gibt es viele.
Selbst der querschnittsgelähmte, Rollstuhl fahrende alte Haudegen Bobby Rosa kann das Mausen nicht lassen und versucht weiterhin, den Umständen entsprechend im Gangstergeschäft mitzumischen:
"Für einige Leute mag siebenundvierzig nicht alt sein, aber für einen Mann, der vierzehn Jahre im Gefängnis, ein Jahr im Irak und drei Jahre in diesem beschissenen Rollstuhl verbracht hatte, war es alt." (S. 16)
Als erfolgreicher, aber letztendlich tragisch endender Paparazzo (s. äußerst trashige und vom amerikanischen Original übernommene Umschlagillustration von R.B. Farrell!) mit Vorlieben für pralle Brüste und Ärsche, mit deren Fotos er dann die Wände seiner angekeimten Wohnung tapeziert, wird er eine der tragischen Schlüsselfiguren der Gangsterkomödie im absolut knackigen Hardboiled-Milieu.
Das Geheimnis dieses Krimis liegt aber auch am sich erfolgreich ergänzenden Insiderwissen.
Jason Starr scheint New York wie seine Westentasche zu kennen, weiß, wie die Geschäfte am Big Apple laufen und wo hier die Luft am heißesten brennt. Ken Bruen beherrscht als irischer Landsmann ergänzend dazu das knallharte Gangstermilieu, weiß, wie unberechenbar und aggressiv seine Iren mitunter munter ticken können.
Das ergibt eine herrlich skurriles (wenn auch fett überzeichnetes!) Gebilde von Land und Leuten und macht Flop zum äußerst witzigen Lesevergnügen, trotz oder gerade wegen dieser peinlichen Pannen bei Mord und Totschlag.
Man kann der neuen Hard-Case-Crime-Reihe vom Rotbuch-Verlag zu diesem dritten Band nur gratulieren und für die Zukunft einen langen Atem wünschen, auf dass der Lesespaß noch lange anhält und die Krimi-Jäger und -Sammler zukünftiger Generationen viel zu tun haben werden. Flop wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein solches Objekt der Begierde zukünftiger Krimilesergenerationen. Herzlichen Glückwunsch, Lisa Kuppler, und danke für diesen "Flop", der keiner werden wird.
Ken Bruen, Argon
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