Mädchenmörder
- Manhattan
- Erschienen: Januar 2008
- 38
- München: Manhattan, 2008, Seiten: 416, Originalsprache
- München: Goldmann, 2010, Seiten: 416, Originalsprache
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind rein zufällig
Julia ist einem Serienmörder entkommen. Die Leute sagen, sie hat Glück gehabt. Hat sie nicht - denn Glücklichsein fühlt sich anders an.
In den Händen des Peinigers
Umbringen will er sie, wie die anderen Mädchen vor ihr. Julia ist nicht das erste Opfer des ehemaligen Radprofis David, zu dem sie nach einer Party arglos in den Wagen steigt. In dem Kellerverlies, in dem sie ihr Peiniger gefangen hält, entdeckt sie in einem Pappkarton acht oder neun Teile Mädchen-Unterwäsche. Doch Julia ist anders als die anderen, sie zeigt keine Angst. Sie ist trotzig. Julia ist ein Mädchen, das seinen Zorn auf sich und die Welt durch autoaggressives Verhalten kompensiert.
Nach Tagen der Folter klingeln Polizeibeamte an der Tür des Entführers und dieser flieht - zusammen mit Julia. Ihre blutige Spur führt durch die Ardennen, Camargue und Pyrenäen, denn David mordet weiter und Julia überlebt.
In Freiheit
Wieder in Freiheit versucht Julia ihr Trauma zu verarbeiten, in dem sie ihre Geschichte für ein Buch aufschreibt. So erfahren wir im ersten Teil von der Ich-Erzählerin die Geschehnisse und Stationen der Entführung als eine Art Roadmovie.
Seelenstriptease
Was dann nach der ersten Buchhälfte kommt, ist ein typisch Dornscher Kunstgriff: Im zweiten Teil des Buches schreibt Julia die Geschichte nicht mehr für die Öffentlichkeit. Es folgen intime Briefe, in denen sich die wahren Gedanken Julias erschließen. Einmal mehr entsprang der Feder von Thea Dorn kein herkömmlicher Krimi, vielmehr entstand mit Mädchenmörder ein packendes Psychodrama, bei dem die Autorin sich mit dem "Stockholm-Syndrom" auseinandersetzt.
Bereits mit Die Brut hat Thea Dorn bewiesen, dass sie sich nicht davor scheut, heiße Eisen anzupacken. In Mädchenmörder tauchen wir mit ihr auf eindrucksvolle Weise tief hinab in die Abgründe der menschliches Seele. Wir werden zum Voyeur und können uns nicht abwenden, wenn Julia ihr Innerstes nach außen stülpt und gelangen zu verstörenden Einsichten über ein durchaus erklärbares Phänomen. Offensichtlich hat sich die Autorin intensiv mit dem Thema beschäftigt, was der Qualität dieses Romanes mehr als zuträglich ist.
In bewährter Manier beginnt Thea Dorn in ihrer klaren, nüchternen Ausdrucksweise mit einer scheinbar "ganz normalen" Entführungsgeschichte, wobei sie das Martyrium der Opfer nicht explizit beschreibt. Sie überlässt es der Phantasie des Lesers, durch ihre vagen Andeutungen die schaurigen Bilder im Kopf entstehen zu lassen und dies verfehlt nicht seine Wirkung. Mädchenmörder ist ein Buch, das zu kontroversen Diskussionen einlädt. Man sollte es schon deshalb gelesen haben, um mitreden zu können.
Der Fall Natascha Kampusch
Vergleiche zum Fall Kampusch drängen sich auf. Hier wurde die literarische Fiktion von der Realität eingeholt. Als der Name Natascha Kampusch in den Medien auftauchte, arbeitete Thea Dorn bereits zwei Jahre an ihrem Buch. Deshalb gilt: Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind rein zufällig.
Thea Dorn, Manhattan
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