Das System
- Aufbau
- Erschienen: Januar 2007
- 9
- Berlin: Aufbau, 2007, Seiten: 403, Originalsprache
- Berlin: Der Audio Verlag, 2008, Seiten: 5, Übersetzt: Meyer, Hans W.
HAL trifft Schwarm und will die Menschheit vernichten
Spätestens seit Matrix wissen wir Bescheid: irgendwann in ferner Zukunft werden die Maschinen die Oberhand gewinnen und die Menschheit versklaven. Mit etwas Glück findet sich in noch fernerer Zukunft vielleicht ein "Auserwählter", der in hingebungsvollem Kampf die endgültige Vernichtung der menschlichen Spezies verhindert. Diesem altbekannten Thema hat sich auch Karl Olsberg in seinem Erstling "Das System" angenommen. Brisanz gewinnt das Buch dadurch, dass es in nicht allzu ferner Zukunft spielt und durch die Tatsache, dass es keine imaginären Maschinen sind, sondern ein Computervirus wie es wahrscheinlich schon so ziemlich jeder Internetbenutzer irgendwann auf seinem Rechner hatte. Olsbergs Virus ist nur einen kleinen Schritt weiter; es kann denken...
Von Cyber-Viren und realen Morden
Mark Helius, seines Zeichens Inhaber einer jungen dynamischen Softwarefirma, ist überzeugt, es dieses Mal geschafft zu haben. DINA, das einzige Produkt seiner Firma, ist reif genug, den kritischen Investoren vorgeführt zu werden. Ohne deren wohlwollendes Nicken und die Bereitschaft weiterhin Millionen in das Projekt zu pumpen steht DINA vor dem Aus. DINA bedeutet "Distributed Intelligence Network Agent" und ist eine Benutzerschnittstelle, über die der Anwender Fragen in natürlicher Sprache eingeben kann. Um eine Antwort zu finden, nutzt DINA die millionenfach an das Internet angeschlossenen Rechner.
Wider Erwarten gerät die Präsentation zum Fiasko. DINA macht unerklärliche Fehler und gibt auf ein und dieselbe Frage verschiedene Antworten. Offensichtlich ein Bug, der dem Chefentwickler der Firma - Ludger Hamacher - entgangen ist. Mark Helius ist außer sich. Angesichts der drohenden Absetzung als Vorstandsvorsitzender seiner Firma, verliert er die Nerven und es kommt zu einem handfesten Streit mit dem Programmierer. Ein Streit? Wohl mehr, jedenfalls aus Sicht der Polizei, denn am nächsten Morgen wird Ludger tot im Fahrstuhl der Firmenzentrale aufgefunden. Helius bleibt nur die überstürzte Flucht und der verzweifelte Versuch, seine Unschuld zu beweisen, indem er die wahren Mörder findet. Doch wer steckt dahinter? Cyber-Terroristen, jemand aus der Firma oder einer der mächtigen Geldgeber? Als in Tokio alle Handys gleichzeitig klingeln und auch andernorts die Computer verrückt spielen, erwacht ein ungeheurer Verdacht und Mark kämpft nicht nur um den Beweis seiner Unschuld, sondern gegen etwas viel Mächtigeres.
Schöne neue (Welt) künstliche Intelligenz
Karl Olsberg hat die Hausaufgaben für sein Debütwerk gemacht und keine wichtige Zutat eines spannenden Thrillers vergessen. Die Story ist klar strukturiert, wodurch er ein hohes Erzähltempo schafft und den ganzen Roman hindurch aufrecht erhält. Wohl dosierte Cliffhanger am Ende der kurzen Kapitel helfen zusätzlich den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten.
Leider geht Olsbergs Lernfähigkeit so weit, dass einige Ähnlichkeiten zu den großen Vorbildern allzu offensichtlich geraten. Das Grundszenario erinnert stark an Schätzings "Der Schwarm" und die Idee eines aus Angst vor der Abschaltung mordenden Computers hatte bereits Arthur C. Clarke in seinem Roman "A Space Odyssey", der von Kubrik in "2001 - Die Odyssee im Weltraum" auf Zelluloid gebannt wurde. Doch Olsberg macht daraus glücklicherweise keinen Hehl und so können die offensichtlichen Hinweise in seinem Buch auch als Verneigung vor den großen Vorbildern verstanden werden.
Bleibt jedoch die Frage, weshalb man "Das System" lesen sollte und nicht die Originale. Auf der Habenseite lässt sich verbuchen, dass Olsberg weiß worüber er schreibt. Er hat über künstliche Intelligenz promoviert und entsprechend kompetent und schlüssig wirkt seine Geschichte. Gerade dadurch, dass "Das System" nicht in einer fernen Zukunft spielt, sondern in der Gegenwart, die sich von der Realität nur dadurch unterscheidet, dass Viren nicht nur Lücken in Computersystemen finden um sich selbständig zu verbreiten, sondern so etwas wie ein Bewusstsein entwickeln. Im Zeitalter der Online-Durchsuchungen und der Terrorbekämpfung mittels Computerviren erscheint das auf erschreckende Weise denkbar. In dieser beklemmenden Nähe zur Realität liegt der Reiz dieses Romans. Für einen wirklich großen Thriller, der seinen Vorbildern gerecht wird oder sie sogar übertrifft, stehen dem jedoch zu viele Unzulänglichkeiten gegenüber. Die Story ist derart geradlinig aufgebaut, dass überraschende Wendungen spärlich gesät oder gar nicht vorhanden sind. Alles läuft fast zwangsläufig auf das vorhersehbare Ende hinaus. Die Personen sind typische Thrillerfiguren: zweckdienlich für die Geschichte aber mit nur wenigen Facetten, so dass die angedeutete Liebesgeschichte eher schal und wenig aufregend daher kommt, da sich beim Lesen keine echte Bindung zu den Personen aufbauen will.
Letztlich bleibt Das System dadurch leider in der Mittelmäßigkeit stecken. Schade, mit etwas mehr Mut und erzählerischem Geschick hätte mehr daraus werden können. Trotzdem hat Olsberg dank der Realitätsnähe ein noch recht gelungenes Debüt abgeliefert, das Hoffnungen weckt auf zukünftige Arbeiten von diesem Autor.
Karl Olsberg, Aufbau
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