Mordspuren

  • Lübbe Audio
  • Erschienen: Januar 2007
  • 10
  • Bergisch Gladbach: Lübbe Audio, 2007, Seiten: 4, Übersetzt: Benecke, Mark, Bemerkung: Regie: Kerstin Kaiser
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Eva Bergschneider
64°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2007

In der Grauzone zwischen krank und teuflisch

Mit seinen populärwissenschaftlichen Werken "Dem Täter auf der Spur" und "Mordmethoden" avancierte der Diplombiologe und Doktor der Medizinwissenschaften Mark Benecke zum Starautor in den Medien und unter den Krimi-Fans. Kein Wunder das sein neues Buch "Mordspuren"mit vielen Vorschusslorbeeren versehen und die Erwartungshaltung der Leser entsprechend hoch gepuscht wurde.

Was will uns "Mordspuren" vermitteln?

 

"In seinem neuen Buch erzählt der bekannteste Kriminalbiologe der Welt von atemberaubenden Mordfällen, [..].- anhand von exklusiv neuem Material zum Fall Jürgen Bartsch [..]."

 

verspricht vollmundig der Klappentext. Was mag das für neues Material sein, 31 Jahre nach dem Tod des pädophilen Serienmörders? Und wer vermag schon den Bekanntheitsgrad von Mark Beneckes Kollegen weltweit zu beurteilen? Das die Verlage sich mit ihren Ankündigungen sehr weit aus dem Fenster lehnen, kennt man, fundierte Informationen kann der Leser leider nicht immer erwarten. Etwas mehr über seine Intentionen verrät uns der Autor selbst im Vorwort:

 

"Nun mache ich den letzten Schritt und verwische die Grenzen zwischen Gut und Böse ein wenig. [..] Welches Urteil in den folgenden Fällen gerecht ist, überlasse ich dabei ihrer Entscheidung. [..] Wer das Helle verstehen will, sollte das Dunkle kennen"

 

Beleuchtet Benecke juristische und moralische Grauzonen, die außergewöhnliche Verbrechen umgeben?

Fälle, die das juristisch-moralische Empfinden auf die Probe stellen

Exemplarisch stellt der Autor die Fälle der Serienmörder Jürgen Bartsch und Luis Alfredo Garavito gegenüber. Jürgen Bartsch war selbst erst 15 Jahre alt, als er 1962 sein erstes Opfer, einen acht jährigen Jungen missbrauchte und tötete. Vier bestialische Morde gingen bereits auf Bartschs Konto, ehe 1966 das fünftes Opfer fliehen und sein Peiniger festgenommen werden konnte. Trotz zweier Gerichtsverfahren und zahlreicher Gutachten blieb Bartsch ein Rätsel. Daran ändern auch seine in "Mordspuren" zum großen Teil erstmals veröffentlichten Briefe nichts. Aber sie vermitteln einen interessanten Einblick in die Psyche des verzweifelten und zum Mitleid unfähigen Kindermörders. Dem Autor gelingt hier eine Annäherung an Bartschs widersprüchliche Persönlichkeit.

Den Vergleichsfall Luis Alfredo Garavito eröffnet Benecke mit der Ankündigung, dass es sich um einen besonderen Täter handele. Er habe nicht nur über 300 Opfer getötet, sondern sei auch der erste Serienmörder, der möglicherweise seinen Lebensabend in Freiheit verbringt.

Im Fall Bartsch hatte Benecke nachdrücklich auf die Rechte hingewiesen, die auch ein Serienmörder habe, z.B. das Recht auf Heilung und damit auf ein eigenständiges Leben. Hier scheint der Autor zunächst einen etwas anderen Grundton anzuschlagen. Erst später erfährt der Leser, wie grundverschieden sich das Vorgehen im Garavito-Fall darstellt. Sieben Jahre lang hatte der Kolumbianer 8-13 jährige Jungen gequält und umgebracht. Verurteilt wurde er durch ein so genanntes Strafbefehlsverfahren. Der Angeklagte willigt in eine zuvor festgelegte Strafe ein, die der Richter ohne Verhandlung festlegt. Garavito wurde also nie wirklich mit seinen Taten konfrontiert und erhielt keinerlei therapeutische Betreuung. Anders als im Fall Bartsch, ist es Benecke kaum gelungen, sich Garavitos Psyche anzunähern. Das Kapitel geht kaum über eine interessante, aber eher unpersönliche Fallbeschreibung hinaus.

Spannende Ermittlungen und überraschende Einsichten präsentiert der Autor dagegen in "Tod auf dem Inka-Pfad" und dem Fall "The Lady in the Lake". Benecke spielt geschickt mit provokanten Hypothesen und animiert immer wieder zum Hinterfragen der gezogenen Schlussfolgerungen. Dadurch macht er deutlich, wie leicht das Urteilsvermögen durch eine eindimensionale Sichtweise geschwächt werden kann und sensibilisiert den Leser für eine differenziertere Bewertung.

Fälle, die den Leser ins Grübeln bringen...

..weil er sich fragt: "Was haben die hier zu suchen?" Die Frage stellt sich bei der Lektüre von "Die Goldprinzessin". In eine Sammlung über kuriose Vorfälle im preußischen Reich hätte dieser Betrugsfall gut hinein gepasst. Es geht um eine Dame aus einfachen Verhältnissen, die durch geschickte Täuschung ihrer wohlhabenden Mentorin das gesamte Vermögen abnimmt. Kein mysteriöser Todesfall, keine Ermittlungen und schon gar kein Täterprofil wird in diesem abgeschriebenen Exposé vorgestellt. Benecke kommentiert den Fall nicht einmal, sondern leitet mit ein paar kurzen Bemerkungen über Hochstapelei zum ungeklärten Tod des "Nerds" Lars Oliver Petroll über. Dieser Artikel stützt sich auf Untersuchungen des Autors und die Recherchen zweier Journalisten. So interessant dieser Fall analysiert wird, Fehler, wie die Verwandlung von Datasetten zu Disketten fallen negativ auf.

Ein weiterer Beitrag, der nicht in den Kontext passen will, ist der autobiografische Bericht eines Vergewaltigungsopfers am Ende des Eingangskapitels über Vampirverbrechen und Kannibalen. Erläuterungen des Autors, die den Bezug zum Thema verdeutlichen, sucht man vergeblich.

Insgesamt lässt Mordspuren leider jeglichen roten Faden vermissen, ein übergeordnetes Konzept ist bestenfalls zu erahnen. Die neu aufgerollten und bewerteten Fällen lesen sich überwiegend sehr unterhaltsam. Man hätte sich allerdings mehr Eigenleistung des Autors und etwas weniger "Füllmaterial" gewünscht, dass augenscheinlich nur eine gewünschte Seitenanzahl vervollständigen sollte. Mit etwas mehr Konzentration auf das im Vorwort angekündigte Thema "Grenzen zwischen Gut und Böse" hätte Mordspuren ein würdiger Abschluss werden können. So endet Beneckes kriminalistische Trilogie etwas enttäuschend.

Mordspuren

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