Die Schandmaske
- Goldmann
- Erschienen: Januar 1996
- 24
- London: Macmillan, 1994, Titel: 'The Scold´s Bridle', Seiten: 327, Originalsprache
- München: Goldmann, 1996, Seiten: 407, Übersetzt: Mechtild Sandberg-Ciletti
- München: Goldmann, 1998, Seiten: 407
- München: Goldmann, 2002, Seiten: 407
- München: Goldmann, 2001, Seiten: 445
- München: Goldmann, 2004, Seiten: 407
- München: Goldmann, 2005, Seiten: 407
- Wien: Ueberreuter, 2007, Seiten: 623, Bemerkung: Großdruck
- München: Goldmann, 2011, Seiten: 413
Das meint Krimi-Couch.de:
Mathilda Gillespie wird mit aufgeschnittenen Pulsadern tot in ihrer Badewanne aufgefunden. Über ihrem Gesicht trägt sie ein mit Blumen versehenes rostiges Gestell, eine Schandmaske, mit deren Hilfe man im Mittelalter zänkische Frauen zum Schweigen brachte. Während der Pathologe Dr. Cameron einen inszenierten Selbstmord für wahrscheinlich hält, ist Sergeant Cooper von einem Mord überzeugt, zumal die Tote im ganzen Dorf unbeliebt war und es an Tatverdächtigen nicht mangelt. Neben verschiedenen Nachbarn drängen sich vor allem die Erben, ihre Tochter Joanna und ihre Enkelin Ruth, auf, doch Mathilda hat auch hier für eine Überraschung gesorgt. Zwei Tage vor ihrem Tod hat sie nämlich ein neues Testament auf Video aufnehmen lassen, welches die bisherigen Fassungen ausser Kraft setzt. Von ihrer drogenabhängigen Tochter und ihrer stehlenden Enkelin bitter enttäuscht bestimmt sie ihre Ärztin, Dr. Sarah Blakeney, zur Alleinerbin.
Daraufhin kursiert im Dorf die Gerüchteküche mit der Folge, dass in der Praxis von Dr. Blakeney zunehmend die Patienten ausbleiben. Die Situation verschlimmert sich als ihr Mann Jack kurzerhand bei ihr aus- und bei Joanna einzieht. Sarah findet unterdessen in Jacks Atelier ein Bild von Mathilda, welches diese nackt zeigt. Auf ihrem Kopf trägt sie die Schandmaske.
Die Ermittlungen der Polizei kommen derweil nur schleppend voran. In erster Linie entdeckt Cooper bei seinen Ermittlungen, dass die Lebenswege nahezu aller Beteiligten katastrophal sind. Mathilda wird bereits als Kind regelmäßig sexuell mißhandelt und bringt letztlich Joanna zur Welt. Wenige Monate nach der Geburt ist Mathilda bereits wieder schwanger, diesmal jedoch von Paul Marriott, dessen Frau Jane als Sprechstundenhilfe bei Dr. Blakeney arbeitet. Paul hat sie damals erzählt, dass das Kind tot sei, einer anderen Version zufolge wurde es zur Adoption freigegeben. Tochter Joanna ist drogenabhängig und verdient sich ihr Geld in London als Prostituierte; Enkelin Ruth gerät an einen Kleinkriminellen, was dazu führte, dass sie ihre Großmutter bestohlen hat, was dieser allerdings nicht verborgen blieb.
So könnten also Joanna, Ruth, Jack Blakeney, Sarah Blakeney, Jane Marriott, Paul Marriott, aber ebenso einige Nachbarn durchaus ein Motiv gehabt haben, Mathilda nach dem Leben zu trachten. Sei es, um zu erben oder um sie zum Schweigen zu bringen. Zu allem Überfluss taucht auch noch Mathildas Ehemann James Gillespie auf, der die letzten vierzig Jahre in Hongkong lebte...
Die zerrütteten Familienverhältnisse des Hauses Gillespie und die sehr intensiven Ausflüge in die damit verbundenen menschlichen Schicksale, in denen sich letztlich alle Beteiligten gegenseitig das Leben zur Hölle machen und unaufhaltsam ihrem eigenen Abgrund entgegenschleudern, machen "Die Schandmaske" zu einem durchaus lesenswerten Buch. Ferner sind die einzelnen Figuren nachvollziehbar gezeichnet und tragen somit zu der insgesamt schlüssigen Atmosphäre bei.
Wie des Öfteren bei Romanen von Minette Walters darf der Leser natürlich nicht gleich alles glauben, denn vieles stellt sich mit der Zeit ganz anders dar, als es die Autorin zunächst Glauben machen will. So ist natürlich Dr. Blakeney zu keinem Zeitpunkt wirklich verdächtig und eine eingebaute Side-Story, in der Ruth eine wichtige Rolle spielt, hat ebenfalls kaum mit der Lösung des Falles zu tun. Leider kann sich dies der Leser bereits frühzeitig denken, denn eine derartige Lösung wäre a) zu simpel und damit b) einer Minette Walters unwürdig.
Der Roman krankt allerdings an einigen Stellen, die hier nicht unerwähnt bleiben sollen: So besteht das Buch aus gut und gerne "80 plus x" Prozent Dialogen, welche mitunter ermüdend sind, insbesondere wenn immer wieder weitere unglaubliche Details aus der Familienhistorie dargestellt werden. Da sich die Wege fast aller handelnden Personen, die Polizisten mal ausgenommen, in der Vergangenheit bereits gekreuzt haben, wird es oftmals nicht nur anstrengend, die Beziehungsgeflechte auseinanderzuhalten, sondern zunehmend unrealistisch. Natürlich kann man einiges konstruieren, allerdings wird im vorliegenden Fall der sprichwörtliche Bogen doch deutlich überspannt.
Die (polizeiliche) Ermittlungsarbeit verkommt lange Zeit zur Nebensache und wenn ermittelt wird, dann meist konsequent in die falsche Richtung. Da wundert es denn wenig, dass die Lösung des Rätsels eher zufällig durch Jack aufgezeigt wird, wobei das genannte Motiv dann doch schlichtweg enttäuschend ist (auch hier könnte man einmal mehr das Wort "unrealistisch" verwenden).
"Die Schandmaske" ist ein klassischer Krimi mit der ewigen Fragestellung nach Täter und Motiv, der allerdings keineswegs zur Genre-Pflichtlektüre gehört. "Im Eishaus" und "Die Bildhauerin" von Minette Walters sind hier klar vorzuziehen. Wer aber familiäre Abgründe als Lesestoff "liebt" kann gleichwohl zugreifen, denn erzählen kann Minette Walters bekanntlich ja. Im vorliegenden Fall übrigens mit zahlreichen Querverweisen auf das literarische Werk von William Shakespeare.
Minette Walters, Goldmann
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