Ein Ring aus Blut
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2007
- 5
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2007, Seiten: 410, Übersetzt: Tanja Handels
Ein Whodunit im neuen Gewand
Das, was uns Declan Hughes in seinem zweiten Krimi mit Privatdetektiv Ed Loy präsentiert, ist alles andere als ein friedliches Kirchenfest im erzkatholischen Irland. Es geht um Rugby, "ein Stück irischer Religion", der keine Weicheier verträgt, es geht um mythische Blutsteine, Hämatite, welche die magische Kraft haben, ihren Träger unsichtbar zu machen, es geht um Intrigen, es geht um Morde aus längst vergangenen und absichtlich zugeschütteten und im wahrsten Sinne des Wortes ersäuften Zeiten.
Aber auch Ed Loy ist ja alles andere als ein Frömmelnder, der sich streng und unablässig an die Zehn Gebote hält.
Ed trinkt gern und regelmäßig Whiskey der irischen Edelmarke Jameson mit einem Pint Guinness, und das auch schon mal im Laufe des Vormittags. Erschwerend kommt dazu, dass er gut aussehenden irischen Frauen mit Sommersprossen und flammend rotem Haupt- und Schamhaar einfach nicht widerstehen kann, selbst wenn diese zum Kreis der Hauptverdächtigen zählen.
Loy ist ein typischer Schnüffler, schier unkaputtbar und nach seinem Amerika-Trip (s. Erstling Blut von meinem Blut) nun wohl wieder endgültig sesshaft geworden in der alten, kalten Heimat von Irland. Hier kann er seiner irischen Kindheitserinnerungen und seines alten Freundeskreises, zusammen geschweißt mit Blut, Schweiß und Tränen, auch im zweiten Krimi von D. Hughes nicht einfach so entrinnen.
Vom Promi-Dentisten Shane Howard wird er angeheuert, dessen verschollene Tochter Emily wieder aufzutreiben, möglichst diskret und unauffällig. Schließlich existieren schamlose Pornofotografien, welche publik gemacht werden sollen, falls die Lösegeldforderungen nicht eingehalten werden. Somit hat der renommierte Familienclan der Howards mehr als nur seinen guten Ruf zu verlieren.
Stethoskop in der einen, Kruzifix in der anderen Hand
Dr. John Howard als allmächtiger Vater ist der Gründer des familiären Dubliner VIP-Imperiums. Er war ein angesehener Mediziner und einer der führenden Gynäkologen Irlands, die streng dem katholischen Moralkodex folgten. Sterilisierung, Schwangerschaftsverhütung oder gar Schwangerschaftsabbruch waren klerikales Tabu. Dann schon eher die Totaloperation, die allerdings viele irische Frauen in Bettlägerigkeit und den Tod trieb.
Irgendwann geriet der dominante Pate dann auch unwiderruflich mit dem Gesetz in Konflikt und die Approbation wurde ihm entzogen.
Geblieben und damit verewigt hatte er sich mit dem von ihm geschaffenen Howard Medical Center, welches sich um die Gesundheit der Schönen und Reichen aus Dublin und Umgebung kümmerte. Mit Rowan House haben sich die Howards eine Familienburg geschaffen. Drei gewaltige Türme demonstrieren familiären Schulterschluss, ein finaler vierter ist geplant.
Im gesamten Hause prangen unzählige Ölschinken des Narziss Dr. John Howard von den Wänden, welche seine Nachfahren ständig anstarren und misstrauisch beobachten. Als Ansporn, Drohung, oder zum Schrecken?
Sehr zum Leidwesen des Nestors wurde die alterwürdige medizinische Familienberufstradition von seinen Kindern aber nicht fortgesetzt. Sein Sohn Shane wurde Zahnarzt, zwar auch für die Upperclass, aber in den Augen des übermächtigen Vaters ist diese Branche eine schändliche Diskriminierung des eigentlichen Arztberufes.
Seine Tochter grätscht völlig aus der ärztlichen Familientradition aus und wird Lehrerin. Dr. John Howard ist sauer, verbittert und nachtragend.
Von zornigen, missbrauchten Frauen, die endlich etwas ausleben wollen
Der Familienclan um John Howard, frömmelnder irischer Katholik, Wasser predigend, aber heimlich Wein trinkend, ist Dreh- und Angelpunkt der irischen Familiensaga. Es geht um skrupellose Morde und Familienschande, stark erinnernd an einsame Berggehöfte in deutsch-österreichischer Felsentristesse, wo im endlos langen und dunklen Winter Inzest kein Geheimwort war.
Was uns Autor Declan Hughes präsentiert, ist ein Whodunit im neuen Gewand, spannend zu lesen und mit einem durchaus glaubwürdigen Irland-Feeling. Für Anhänger der grünen Insel und verregnete Spätherbstabende ein lohnenswertes Lesevergnügen. Erstaunlich viele Morde, verteilt über eine Spanne von mehr als zwanzig Jahren, sorgen für reichlich Spannung und Abwechselung.
Aber: Ein nicht zu unterschätzendes Leseproblem ist die Vielzahl von ca. zwanzig Personen, welche teilweise zusätzlich erschwerend mit sich verändernden Namen auftreten. Es lohnt sich deshalb, auf kleinem Spickzettel ein Personenregister zu führen, um den Überblick zu bewahren. Bei der Krimis der rororo-Thriller-Serie aus längst vergangenen Zeiten war das übrigens Gang und Gebe. Versierten Lesern dürfte ein gut funktionierendes Kurzzeitgedächtnis von enormem Vorteil sein.
Es empfiehlt sich die Lesung am Stück, da müssen die demnächst eintreffenden Schulkinder einfach mal auf das anzurichtende Mittagbrot verzichten. Basta!
Declan Hughes, Rowohlt
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