Auf Rosen gebettet

  • Erschienen: Januar 2000
  • 1

Nie trog der Anblick der sanften Hügel um das idyllische Städtchen Mid-Yorkshire in der gleichnamigen englischen Grafschaft den Betrachter mehr als in diesem Sommer, da sie zum Schau- und Spielplatz des bizarren und (serien-)mörderischen "Wordman" werden. So nennt die Presse bald mit der für ihre Spezies typischen Begeisterung jenen offenbar geistesgestörten, aber wohl organisierten Unhold, der damit beginnt, die örtliche Prominenz nach einem seltsamen Schema auszurotten.

Zunächst bringt niemand den ersten "Dialog" des Wordman mit dem ungeklärten Tod eines ehrbaren Handwerkers in Verbindung, der offenbar einem Unfall zum Opfer gefallen ist. Er findet sich in einem prall gefüllten Postsack, der in der Mid-Yorkshire- Stadtbibliothek eintrifft. Dort hat man die einheimischen Freizeit- und Nachwuchs- Literaten aufgefordert, an einem Wettbewerb teilzunehmen. Gesucht wird die beste Kurzgeschichte, und das hat den Wordman wohl auf den Plan gerufen und zu mordbegleitenden schriftstellerischen Aktivitäten inspiriert.

Todesurteil für die Nachrichtenredakteurin

Aber erst Mord Nr. 2 ruft die Beamten des Mid-Yorkshire Criminal Investigation Departments auf den Plan. Jax Ripley, die ehrgeizige Nachrichtenredakteurin im regionalen Sender der BBC, zieht es aus der Provinz in die große Stadt. Einem Informanten bei der Polizei verdankt sie den Hinweis auf den Wordman, der sich als landesweiter Knüller entpuppen dürfte. Tatsächlich schlägt Ripleys Sendung ein wie eine Bombe. Detektiv Superintendent Andrew Dalziel, Chief Inspector Peter Pascoe und Sergeant Edgar Wield zeigen sich wenig begeistert über Ripleys Vorpreschen. Der Wordman begreift indes den Wink, den seine mediale Gönnerin ihm gab: Er ernennt sie zur Hauptperson seines zweiten "Dialoges", was für Jax Ripley das Todesurteil bedeutet.

Wer ist der mysteriöse Mörder? Aus Mid-Yorkshire stammt er wohl, das findet die Polizei rasch heraus. Leider ist die Zahl der Verdächtigen ausserordentlich hoch. Der kleine Ort entpuppt sich als Hort heimlicher, aber eifriger Wortliebhaber und Schriftsteller mit durchaus großen Ambitionen. Die Kulturszene von Mid-Yorkshire ist ein überschaubarer, aber keineswegs friedlicher Kosmos, wie Inspector Pascoe verblüfft feststellen muss. Viel lieber würde er ohnehin seinen alten Feind Franny Roote als Wordman entlarven. Nachdem dieser als Verdächtiger in einem früheren Mordfall einen Selbstmordversuch unternahm, muss Pascoe ihn allerdings mit Samthandschuhen anfassen, was Roote, ein intelligenter, aber verschlagener und undurchsichtiger Zeitgenosse, sehr genau weiß und seinen Widerpart gern bis zur Weissglut reizt.

Die Morde immer spektakulärer, der Mörder immer dreister

Während die Ermittlungen trotz mancher interessanten Erkenntnis über die gar nicht so harmlosen Bürger von Mid-Yorkshire auf der Stelle treten, bleibt der Wordman fleissig. Immer neue "Dialoge" gehen ein, dem zuverlässig weitere Morde folgen. Diese werden immer spektakulärer, der Wordman immer dreister, da er sich inzwischen der Polizei überlegen und der irdischen Gesetze enthoben fühlt. Der Wahnsinn treibt ihn zum Äussersten, und ihm bleibt noch genug Scharfsinn, sein Schreckensregiment auf eine ganz neue Ebene zu heben...

Zum 18. Mal stürzen sich Peter Pascoe, der unvergleichliche Andy Dalziel und der unerschütterliche Sergeant Wield in ein neues kriminalistisches Abenteuer, und zum dritten Mal (nach "Das Dorf der verschwundenen Kinder" und "Das Haus an der Klippe") bietet ihnen in Deutschland der Europa Verlag (Möge er - und nicht nur deshalb - lange leben!) das angemessene Forum. Wie eigentlich immer gelingt Reginald Hill ein einmaliger Thriller, dessen Qualität einmal mehr wundern macht, wieso dieser Autor hierzulande immer noch als Geheimtipp gilt. Vor einem Ian Rankin oder einem Henning Mankell muss er sich ganz sicher nicht verstecken!

Sind Hills Romane zu fröhlich?

Vielleicht sind Hills Romane zu fröhlich? Zwar neigt auch Peter Pascoe zur Melancholie, aber ihm steht der Vorgesetzte und Freund Dalziel zur Seite, der noch jeden Schatten lautstark, ordinär und unglaublich witzig zu vertreiben versteht. Einen Falstaff habe ich ihn in einer früheren Besprechung genannt; keine Ahnung, ob mir das als Erstem eingefallen ist - es würde mich wundern, weil es so vorzüglich passt. Auch Andy Dalziel ist nicht die Witzfigur, als die er sich oft (und trügerisch) gibt, sondern weist durchaus Charaktertiefe und Tragik auf. Hill ist nur zu klug, um dies allzu aufdringlich in den Mittelpunkt zu rücken oder gar die Handlung ersetzen zu lassen (was die letzten Wallander-Romanen vergällte).

Und während die Konkurrenz noch immer beliebte Polizei- oder Detektiv-Serien mit denselben Maschen totreitet, beackert Hill wacker neue Felder. Wurde Das Dorf der verschwundenen Kinder von gotischem Horror geprägt, war Das Haus an der Klippe ein recht lupenreiner Polit-Thriller. Nun also - und sehr spät - versucht sich Hill auf dem Serienmord-Sektor. Er wäre freilich nicht der originelle und eigensinnige Autor, den man so schätzt, wenn er nicht erneut eigene Wege ginge: "Die rätselhaften Worte" ist auch ein "Whodunit" ("Wer tat es?") reinsten Wassers: ein Katz-und- Maus-Spiel zwischen Polizei und Übertäter als Rätsel- und Vexierspiel. Hochgradig irre, aber scheinbar übermenschlich schlaue Serienmörder hat es seit dem Schweigen der Lämmer (allzu) viele gegeben. Der "Wordman" reiht sich nahtlos ein in diese Galerie. Hill kreuzt das inzwischen abgegriffene Killer-Treiben mit dem klassischen Krimi des "Goldenen Zeitalters", das im angelsächsischen Sprachraum etwa bis 1945 dauerte. Unglaubliche verwickelte Plots zum Mitraten prägten es, wobei besonders Autoren wie Ellery Queen, S. S. van Dine oder der unvergleichliche John Dickson Carr sich hervortaten.

Ein Markenzeichen der klassischen Vorbilder

Obwohl Mord auf Mord folgt, geschieht eigentlich nicht viel - auch das ein Markenzeichen der klassischen Vorbilder. Statt dessen wird viel (sehr viel) geredet. Im Mittelteil hängt die Handlung daher manchmal ein bisschen durch. Aber bald merkt der Leser, dass sich die Puzzleteile zu einem Gesamtbild zu fügen beginnen. Hill ist ausserdem ein (gut übersetzter) Meister des Dialogs. Ein Feuerwerk witziger Wortspiele brennt er besonders dann ab, wenn Dalziel auf der Bildfläche erscheint. Dies geschieht maßvoll, wohl dosiert, könnte man sagen, denn der dicke Andy ist Hills Katalysator: Wenn er eingesetzt wird, gibt es eine in der Regel unvorhersehbare Reaktion. Verdächtige plaudern, Vorgesetzte geben nach, Reporter vergessen nachzufragen - Dalziel schwebt allgegenwärtig über der Szene, selbst wenn er nicht körperlich anwesend ist.

Das übliche Team der Detektive hat Hill wiederum leicht variiert. Nachdem Shirley Novello, die noch recht Neue, in "Das Haus an der Klippe" eine Schussverletzung davontrug, ersetzt sie nun der noch jüngere, aber um so eifrigere Constable Ethelbert "Bowler" Hat. Er sorgt für den nötigen frischen Wind in Mid-Yorkshire und wird uns sicherlich wieder begegnen - womöglich in recht tragischer Rolle, denn Hill gelingt das seltene Kunststück, sein Werk mit einem echten Knalleffekt enden zu lassen.

Ein Cliffhanger der Sonderklasse

Nicht so sehr die Auflösung als solche verblüfft, sondern die Art und Weise, wie der Verfasser sie präsentiert: Wieder bricht Hill die Regeln des Genres. Erlebten wir schon Pascoe und Dalziel in einer früheren Inkarnation als Äneas und Odysseus, wird der "Wordman"- Fall dieses Mal von den Opfern gelöst, deren Geister sich im Jenseits treffen, um das Puzzle endgültig zusammenzusetzen. Das ist so elegant wie ironisch und fügt sich nahtlos in das bisher so realistische Geschehen. Ausserdem gelingt Hill ein Cliffhanger der Sonderklasse, der zusätzlich neugierig macht, wie der Verfasser seine grandiose Serie fortsetzen wird!

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Szenen einer Ehe. Detective Chief Superintendant Colin Harpur steht vor seinem schwersten Fall: An einem kalten Dezembermorgen findet er seine Frau Megan erstochen auf dem Bahnhofsparkplatz vor ihrem Auto liegend. Obwohl ihre Ehe schon lange nicht mehr die Beste war, ist der zynische Polizist geschockt, als er herausfindet, dass sie ihn am Tag ihres Todes eigentlich verlassen wollte. Sein Nebenbuhler ist ein ehemaliger Kollege, der offensichtlich in kriminelle Machenschaften verstrickt ist...

Auf Rosen gebettet

Bill James,

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