Todesträume am Montparnasse
- Knaur
- Erschienen: Januar 2007
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- München: Knaur, 2007, Titel: 'Todesträume', Seiten: 314, Originalsprache
- München: Heyne, 2009, Seiten: 366, Originalsprache
Das schlechte Gewissen des Kriminalisten
Frau Dr. phil. Alexandra Grote kennt Paris seit ihrer Schulzeit und obwohl sie jetzt in Berlin und Südfrankreich lebt, hat sie ihren Paradeermittler Hauptkommissar Maurice LaBréa von Marseille nach Paris geholt, damit er dort am Quai des Orfèvres Nr. 36 nach Mord in der Rue Lazare und Tod an der Place de la Bastille seinen französischen Charme bei der Aufklärung der Todesträume spielen lässt.
Die im Knaur-Taschenbuch-Verlag auf 314 Seiten ausgebreitete Story beginnt in der Santé, dem Pariser Gefängnis. Einer der Untersuchungshäftlinge hat sich in seiner Zelle erhängt. Der Mann hat eine junge Studentin vergewaltig und sie zu töten versucht. In der Nacht, in der ihn die Polizei festnehmen konnte, wurde er von Mitgliedern einer militanten Frauengruppe gestellt, zusammengeschlagen und seine Geschlechtsteile wurden mit lila Kunstharzlack eingefärbt. Diese Schmach hat der Vergewaltiger offensichtlich nicht überwunden und jetzt muss der Hauptkommissar diesen Tod untersuchen, denn es könnte sich auch um einen Mord im Gefängnis handeln.
Dr. Hélène Clement, die überaus attraktive Gefängnisärztin, hat den Toten bereits vom Fensterkreuz schneiden lassen. Ihre langen, wohlgeformten Beine sind für LaBréas Assistenten Franck Zechira genau der richtige Köder, um sich die Vorgänge und die Ärztin zu kümmern.
LaBréa wird in der Zwischenzeit zum Mord an einem Automechaniker gerufen. Der Tote wurde gefesselt und kastriert, unmittelbar nachdem er seine Haftstrafe wegen schwerer Körperverletzung in der Santé abgesessen hatte. Am Tatort wird eine Musikkasette mit Ravels Boléro gefunden.
Der Tote im Gefängnis war bereits der fünfte Vergewaltiger, den die unbekannten Frauen lila eingefärbt haben. Alle fünf Vergewaltigungsopfer wurden von der Psychologin Christine Payan in deren psychotherapeutischen Praxis betreut. Dieser Zusammenhang fällt dem Ermittlungsteam natürlich auf und sie nehmen die Frau unter die Lupe. Als zwei Frauen in Motorradmontur bei der Psychologin vorfahren, wird den Kriminalisten klar, dass sie es hier mit einem Rollkommando der Feministinnen zu tun haben und die Psychologin scheint als Auftraggeberin zu fungieren. Trotz Beobachtung folgt alsbald Leiche Nr. 2. Und auch sie brutal kastriert.
LaBréa und sein Team finden heraus, dass die beiden Entmannten als Söldner im ehemaligen Jugoslawien ihr Unwesen getrieben haben und dabei vor allem durch Morde und Vergewaltiger aufgetreten sind. Und Christine Payan hat auch einige dieser Opfer unter ihren Fittichen ...
Hauptkommissar LaBréa hat alle Hände voll zu tun, denn auch seine private Situation ist gerade nicht rosig. Alexandra von Grote, die dem Polizisten in ihrem Ermittler-Profil eine zwölfjährige Tochter und nach dem gewaltsamen Tod seiner Frau eine neue Freundin, die Nachbarin Céline, spendiert hat, fügt zwischen den einzelnen Recherchen immer wieder das schlechte Gewissen des Kriminalisten ein. Er hat viel zu wenig Zeit für seine Tochter, der offenbar die Pubertät weniger zu schaffen macht als ihrem Vater und das Gefühl, dass seine neue Freundin wegen seiner Vernachlässigung eventuell die Beziehung beenden könnte, beschäftigen den Leser mindestens genauso sehr, wie es die Aktionen der umtriebigen Beamten tun.
Dazwischen flicht die Autorin Briefe einer Vergewaltigten ein, bei der aber nicht klar wird, um wen es sich handelt. Bis zum bitteren Ende wird der Leser zwar im Unklaren gelassen, aber in gewieften Krimispezialisten wird sehr bald der richtige Verdacht aufkeimen. Der Spannungsbogen hängt in der Mitte ein wenig durch, denn Frau von Grote braucht sehr viele erklärende Worte, damit die Untaten plausibel werden. Dort wo sie allerdings der Handlung freien Lauf lässt, wird der Roman atmosphärisch dicht und macht das Buch zu einem Lesevergnügen.
Ein schwacher Kritikpunkt bleiben auch die Kollegen des Kommissars. Während sie für LaBréa einen ordentlichen Lebenslauf parat hält und diesen beständig auf- und ausbaut, bleibt für die Damen und Herren rund um ihn kaum Platz, diese so menschlich werden zu lassen, dass der Leser sie als Bestandteile des Teams akzeptieren kann. Frau von Grote stylt Kommissar und Opfer durch und vergisst dabei ein wenig, aus den Nebenpersonen Originale zu machen, die der Handlung noch mehr Flair geben könnten.
Mit Todesträume kann man dem Krimileser einen durchaus interessant konstruierten Krimi ans Herz legen, der zwar nicht unbedingt vor Spannung vom Hocker reisst, aber sprachlich sehr ordentlich zu unterhalten weiß.
Alexandra von Grote, Knaur
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