Der schwarze Regen

  • Luchterhand
  • Erschienen: Januar 2007
  • 5
  • Mailand: Garzanti, 2002, Titel: 'Neropioggia', Originalsprache
  • München: Luchterhand, 2007, Seiten: 224, Übersetzt: Michael von Killisch-Horn
Der schwarze Regen
Der schwarze Regen
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Lars Schafft
86°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2007

So schwarz kann gelb sein

"Gelb" bzw. "Giallo" - so nennen die Italiener ihren Krimi. Doch das, was wir hierzulande mit dieser Farbe assoziieren, hat nicht viel mit dem zu tun, was der junge Italiener Flavio Soriga (geboren 1975) uns in Der schwarze Regen zu verdauen gibt.

Soriga erzählt die Geschichte von Marta, einer Frau in dem verschlafenen Dorf Nuraiò, die Männerherzen reihenweise bricht. Und die diese Geschichte nicht überleben soll. Soriga erzählt auch die Geschichte des Maresicallo Crissanti, aus der Großstadt versetzt in dieses kleine sardinische Kaff, in dem so gar nichts passieren will. Er stellt uns Pater Alberto vor, für den der Glaube bis in die späte Jugend der Fußball, die Hoffnung auf die große Karriere bei einem der reichen Vereine im Norden war und der sich jetzt damit befasst, dass sein Leben als Dorfpfaffe enden, der Kindern zur Taufe den heiligen Kuss geben wird. Soriga macht den Leser mit Nicola Rau bekannt, einem Mann, der sich der Poesie und der Revolte verschrieben hatte und nun ein stinknormales Dasein mit seiner Frau fristet, die er nicht liebt.

Aber dann passiert schließlich doch noch etwas in diesem Dorf, in dem der Regen nie aufhören will, zu prasseln. Maresciallo Crissantis Kumpel Giovanni zieht den Ärger Nuraiòs auf sich, als er einen Artikel über die in unmittelbarer Nähe zum Dorf geplante Mülldeponie veröffentlichen und auf die Verlogenheit seiner Nachbarn aufmerksam will. Die Quittung: ein gekreuzigter Hund in seinem Garten. Und schließlich ist da noch Marta, das Sinnbild von Freiheit und Lebensfreude für die geschundenen Männerseelen Nuraiòs . Ihr Leben endet wie so manche erotische Liaison nachts in einer Blutlache...

Wer Andrea Maria Schenkels Kriminalromane und Milieuschilderungen wie Tannöd für eine literarische Offenbarung hält, hat Der schwarze Regen nicht gelesen. Was Flavio Soriga mit seinen gerade einmal zweiundreißig Lenzen formuliert, wie er Sprache zelebriert, wie er Figuren entwirft und an sich selbst scheitern lässt, ist zutiefst beeindruckend. Nahtlos reiht sich Soriga mit seinem zweiten Roman ein in die Garde ähnlich begnadeter junger Italiener wie Niccolò Ammaniti oder Stefano Massaron ein, die zeigen, dass selbst ein so gewiefter Fuchs wie Andrea Camilleri bald von einer neuen Generation von Schriftstellern abgelöst werden wird, die der Urstimmung des "Giallo" zwar treu bleiben, ihn aber mit ihren Fähigkeiten in neue Höhen treiben.

Der schwarze Regen ist nichts anderes feinste Hochliteratur. Mit seinen Sätzen über zwei Seiten, mit nicht einem Protagonisten, sondern einem ganzen Potpourri. Mit der Schilderung der ausweglosen Sackgasse für jeden von ihnen, dem dauernden Regen als Metapher für einen ganzen Menschenschlag ohne Perspektive und verlorener Schicksale. Dennoch mit einer Leichtigkeit geschrieben, wie sie nur ganz wenige Autoren zu Papier bekommen.

Und nein: Flavio Soriga vergisst darüber nicht den Krimi an sich, zitiert wie nebenbei Friedrich Dürrenmatt, lässt seinen Maresciallo Crissanti Krimis lesen und über Manuel Vazquez Montalban, über Leonardo Sciascia und die Rezeption des Kriminalromans grübeln:

 

"Er schaltete den alten Computer aus, nahm das Buch, öffnete es, suchte die Markierung, so besonders war er nicht, dieser Krimi: die Empfehlung einer Hochglanzzeitschrift eines brillanten Journalisten, durch den er vor Jahren die Ironie eines katalanischen Detektivs entdeckt hatte, aber seit einger Zeit waren die guten Empfehlungen selten geworden, meist waren es mittelmäßige Bücher, solche, die in den Literaturspalten erwähnt wurden, erbauliche Geschichten für Vierzigjährige ohne Glaube Utopie Träume, die sich in die Bewunderung für der Ordnungskräfte geflüchtet hatten, Geschichten, die ab einem bestimmten Punkt immer schlecht ausgingen für die Bösen."

 

Der schwarze Regen ist keine dieser zitierten Geschichten. Weder utopisch, noch erbaulich. Aber manchmal verträumt, manchmal verspielt, manchmal poetisch. Und alles andere als Mittelmaß. Vielmehr eine kleine Sensation, eine wunderbare Kriminalnovelle, eine Erzählung vieler dunklen Geschichten über kleine Träume und große Enttäuschungen.

Der schwarze Regen

Flavio Soriga, Luchterhand

Der schwarze Regen

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