Vergessene Schuld

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2007
  • 6
  • Pymble: HarperCollins, 1996, Titel: 'Bad Debts', Seiten: 297, Originalsprache
  • München: Goldmann, 2007, Seiten: 352, Übersetzt: Sigrun Zühlke
Wertung wird geladen
86°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2007

Schnörkellos und treffsicher

Jack Irish weiß, dass seine große Zeit vorbei ist. Er jammert nicht, aber er ist von außerordentlicher Traurigkeit erfüllt und sein Urteil über die Welt und ihre Bewohner kann nur negativ ausfallen. Die Frau des einst erfolgreichen Anwalts wurde von einem aus der Bahn geworfenen Klienten erschossen, in der Zeit danach verfiel Irish dem Alkohol und fuhr seine Karriere vor die Wand. Nun finanzieren den Helden aus Peter Temples Vergessene Schuld (im Original Bad Debts bereits 1996 erschienen und Auftakt der bis heute vierbändigen Jack Irish-Reihe) Gelegenheitsaufträge und Geldeintreibeaktionen; zudem hat er sich selbst als Beschäftigungstherapie eine Arbeit in einer Tischlerei auferlegt.

Vielleicht ist diese Figur ein wenig zu sehr nach Schema F gestrickt: Jack Irish ist ein gealterter einsamer Wolf und natürlich sind seine Lieblingsorte die Kneipe und die Pferderennbahn, der typische urbane, leicht kaputte Ermittler halt. Aber egal: Irish hat nichtsdestotrotz diesen unbestechlichen Blick auf die Welt, jenen, der mit dem Bewusstsein einhergeht, dass die Welt ein Toll- und ein Irrenhaus ist und der den ganz normalen Wahnsinn, auch Alltag genannt, erbarmungslos durchschaut. Seine Metropole ist Melbourne, sein Trumpf ein Netzwerk von Bekannten aus der guten alten Zeit, die gerne gegen ein paar Drinks Auskunft geben.

Ein Fall aus der Vergangenheit, als Irish sich in der Trauerphase befand und seine Tage stets betrunken oder halb betrunken verbrachte, holt ihn ein: Der vor elf (übrigens nicht vor zwanzig, wie der Verlag im Klappentext behauptet) Jahren verurteilte und nun entlassene Danny McKillop, der die politische Aktivistin Anne Jeppeson bei einem Unfall mit anschließender Fahrerflucht getötet haben soll und stets darauf beharrte, sich nicht an die Tat erinnern zu können, versucht ihn mehrfach zu erreichen. Vergeblich. Kurz darauf ist Danny McKillop tot, umgekommen bei einer Schießerei mit Polizisten. Jack Irish erfährt, dass McKillop kurz vor seinem Tod einen Hinweis bekommen hat, dass er nicht am Tod von Jeppeson sein soll. Also wird der alte Fall in Eigeninitiative neu aufgerollt und ziemlich schnell muss Irish feststellen, dass er in ein Wespennest gestochen hat.

Eine Verbindung zwischen Jeppesons Tod und einem gigantischen Bauprojekt in der Yarra-Bucht tut sich auf und die späte Realisierung desselben geht mit einem Regierungswechsel in Australien einher. Unheilige Allianzen der Mächtigen aus Wirtschaft und Politik prägen schon bald das Bild. Vor diesem Hintergrund sind Leute wie McKillop, Jeppeson, weitere über die Klinge springende Beteiligte der über zehn Jahre zurückliegenden Geschichte und auch der ermittelnde Irish kleine Fische. Auch letzterer muss bald um sein Leben fürchten und sorgfältig prüfen, auf wen er sich wirklich verlassen kann. Irish kann trotz unzweideutiger Aufforderungen sich rauszuhalten, nicht von dem Fall lassen und recherchiert unermüdlich mit Hilfe der attraktiven Journalistin Linda Hillier weiter. Letztendlich behauptet Jack Irish sich, aber die Abgründe, die sich auftun und bis in höchste Regierungskreise reichen, erschüttern auch ihn.

Peter Temple kann in Vergessene Schuld mit einem gut konstruierten Plot aufwarten, die Geschichte ist schwungvoll erzählt, hin und wieder auch actiongeladen. Die Vielzahl an Zusammenhängen und Personen kann auch schon mal verwirren, aber da hilft es dann sehr, dass der Held stets resümiert, wie der Stand der Dinge gerade ist. In schnörkellosen, treffsicheren Sätzen wird erzählt, es ist eine reduzierte Sprache, die punktgenau trifft und nebenbei eine Menge Sozialstudien mitliefert. Zudem gelingt Temple eine glaubwürdige, schlüssige Dialogregie, was ja alles andere als eine Selbstverständlichkeit ist. Ein paar überflüssige Längen hat Vergessene Schuld so wird zum Beispiel eine für den eigentlichen Fall belanglose Nebenhandlung über einen Pferderennenwettcoup arg ausgebreitet. Doch das stört nicht allzu sehr.

Nachdem Peter Temple erst im letzten Frühjahr auf den deutschen Markt kam, wird es nun hoffentlich bald weitere Übersetzungen seiner Romane geben. Freuen kann man sich auf jeden Fall auf die, in denen Jack Irish ermittelt.

Vergessene Schuld

Peter Temple, Goldmann

Vergessene Schuld

Deine Meinung zu »Vergessene Schuld«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

Krimi-Couch Redakteur Dr. Michael Drewniok öffnet sein privates Bücherarchiv, das mittlerweile 11.000 Bände umfasst. Kommen Sie mit auf eine spannende und amüsante kleine Zeitreise, die mit viel nostalgischem Charme, skurrilen und amüsanten Anekdoten aufwartet. Willkommen bei „Dr. Drewnioks mörderische Schattenseiten“.

mehr erfahren