Die Dante-Verschwörung
- Edition Lübbe
- Erschienen: Januar 2007
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- Paris: Grasset, 2006, Titel: 'Le piège de Dante', Originalsprache
- Bergisch Gladbach: Edition Lübbe, 2007, Seiten: 510, Übersetzt: Thorsten Schmidt und Barbara Schaden
Genial wie extrem kompliziert
Dante Alighieri hat sich anno domini 1321 sicher nicht träumen lassen, dass ein Teil seines epischen Meisterwerks "Commedia", das seit Boccaccio besser als "Divina Commedia - Die Göttliche Kömodie" bekannt ist, fast siebenhundert Jahre später als Grundlage eines venezianischen Historienkrimis vom französischen Schriftsteller Arnauld Delalande wiederverwertet wird.
Aus den 3 mal 33 Canti (und einem Prolog) des ersten Buches "Inferno" bastelte der seit "Das Vermächtnis des Mont Saint-Michel" auch bei uns bekannte Autor ein 510 Seiten langes Opus, das er in die neun Kreise der Hölle und 27 Gesänge unterteilt hat, um auch im Aufbau dem Vorbild nahe zu sein.
Dante reist in seinem beispielhaften Werk unter der Führung des römischen Dichters Vergil durch die Höllen, wo die Sünder aus Maßlosigkeit, Bosheit und Verrat büßen und entrinnt auf Satans Fell zurück zur Lichterwelt.
Fast vierhundert Jahre später sitzt in den Bleikammern Venedigs Pietro Viravolta, genannt die "Schwarze Orchidee" eine lebenslange Strafe ab, weil er, wie der ebenfalls inhaftierte Giacomo Girolamo Casanova, seine Finger nicht von fremden Frauen lassen konnte. Nachdem im Teatro San Luca der Schauspieler Marcello Torretone spektakulär ermordet wurde und auch dessen Beichtvater Cosimo Caffelli unter mysteriösen Umständen zu Tode kam, wird der schon früher als Geheimagent für den Dogen tätige Viravolta wieder aktiviert und soll die Ereignisse aufklären. Aber alle Personen, mit denen sich der James Bond der Lagunen unterhält, segnen alsbald in brutalster Weise das Zeitige.
Eines wird Viravolta aber bald klar: sein Gegenspieler ist ein wahrer Teufel - Il Diavolo - und er tötet nicht nur, er will die Macht über Venedig erringen ... und nur einer kann ihn stoppen - die Schwarze Orchidee Pietro Viravolta.
Was bei der Lektüre dieses Buches sofort auffällt: Delalande ist ein Meister der Recherche. Was hier an Details über das Leben im Venedig des 18. Jahrhunderts und an literarischen Zitaten aus der bedeutendsten Dichtung der italienischen Literatur zwischen den einzelnen Zeilen der Romanhandlung einfließt, gäbe allein schon ein historisches Kompendium. Im Zusammenspiel mit der eigentlichen Handlung bekommt es jedoch deutliches Übergewicht und macht "Die Dante-Verschwörung", die von Thorsten Schmidt und Barbara Schaden sicherlich mühsam aus dem Französischen übersetzt wurde, zu einem wenig flüssigen Leseabenteuer. Bei allem Respekt vor der akribisch genauen Arbeit des Autors wäre doch eine weniger umfassende Darstellungsweise etwas Mehr gewesen.
Dazu kommt, dass die Handlung zwar genial, aber extrem kompliziert, auf die Gesänge Dantes abgestimmt ist, und gerade deswegen vom Leser einiges an Denkarbeit erfordert. Wer hier nur ein schnelles, historisches Krimispektakel erwartet, der braucht nach diesem Buch erst gar nicht zu greifen.
Auch bei der Sprache bedient sich Delalande zahlreicher Schnörkel und versucht damit eine Atmosphäre aufzubauen, die dem Venedig von 1756 gerecht wird, um das Leben der besseren Gesellschaft in der Lagunenstadt, inmitten von Verkleidungen und ausschweifender Lebenshaltung, zu demonstrieren. Das normale, arbeitende Volk bleibt hier weitgehend unerwähnt, aber die High Society treibt zwischen Vergnügungssucht und Tod ihre bizarren Spielchen.
Der Zwangsermittler Viravolta wird als sympathischer Haudegen beschrieben, der seine frühere Affinität, bei den Damen unter die Röcke zu gelangen, aus Liebe zu einer verheirateten Frau abgelegt hat und nun hin- und hergerissen ist, zwischen seinem Auftrag und dem Sehnen nach den Armen der Liebsten, die zu allem Ungemach auch noch mit einem der Verschwörer verehelicht ist. Alle anderen Figuren rund um Viravolta werden zu Statisten degradiert, selbst Il Diavolo bekommt nur mäßig Gelegenheit, seine Untaten zu begehen.
Leider kommt zwischen all den geschichtlichen und literarischen Passagen die Handlung deutlich zu kurz. So kann man trotz der komplexen Handlungsidee und dem stilistisch passenden Schreibstil mit Arnauld Delalandes neuem Buch nur bedingt zufrieden sein. "Die Dante-Verschwörung" fordert den Leser deutlich über dem Durchschnitt. Gleichzeitig kann jedoch die Auflösung des Romans mit dem vorgegebenen Anspruch keineswegs mithalten. Was der Autor lang und breit aufgebaut hat, bricht am Ende in kurzen Sequenzen in sich zusammen, ohne dem Leser ein überraschendes Aha-Erlebnis bieten zu können.
Arnaud Delalande, Edition Lübbe
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