Forellen-Quintett
- btb
- Erschienen: Januar 2007
- 4
- München: btb, 2007, Seiten: 384, Originalsprache
- München: btb, 2009, Seiten: 383, Originalsprache
Kein Vergleich zu den ersten Romanen Ritzels
Ulrich Ritzel hat sich einen Namen gemacht als Krimiautor leiserer Töne. Um atemberaubende Spannung und Nervenkitzel hat er eigentlich von Anfang an einen Bogen gemacht, dafür bestachen gerade seine ersten Romane aufgrund einer ausgefeilten Sprache und einer ruhigen, sachlichen Atmosphäre, in der die kleinen und großen Ärgernisse der Gesellschaft zum Thema wurden. Auch in seinem sechsten Roman Forellenquintett beherzt Ritzel diese leisen Tönen. Dennoch hat sich vieles geändert. Leider.
Das betrifft in erster Linie die Sprache, die Atmosphäre und die handwerkliche Präzision, mit der er anfänglich überzeugen konnte. Forellenquintett hat nicht mehr viel von der einstigen Klasse des Autors.
Kopflos in Krakau
Mehrere Handlungsstränge greifen mehr oder weniger schnell ineinander über:
- Tamar Wegenast hat eine Kronzeugin gegen einen albanischen Mafiaboss kurzerhand bei ihrer Ex-Freundin in Krakau untergebracht.
- Ein junger Mann irrt mit einer Plastiktüte und dem darin befindlichen Kopf der o.a. Zeugin durch Kattowitz.
- Die polnische Polizei vermutet hinter dem Mord an der Zeugin eine Tat mit Hintergrund im Drogenmilieu und deshalb deutsche Täter.
- Der junge Mann wird auf seiner Flucht in Berlin niedergeschlagen, ins Charité eingewiesen und spielt in einer Musiktherapiegruppe ganz wunderbar Klavier.
- Ein Ehepaar vom Bodensee glaubt in dem jungen Mann seinen seit 17 Jahren verschollenen Sohn zu erkennen.
- Wegenast wird in Briefen und Telefonaten von einem Menschen bedroht, der sich als Karl Hardeck ausgibt. Einen gleichnamigen Rechtsradikalen hatte sie bei einem Einsatz vor 6 Jahren erschossen.
- Der inhaftierte albanische Mafiaboss, der aus Wegenasts Sicht für den Tod der Zeugin verantwortlich sein könnte, gibt sich unschuldig und zeigt guten Willen.
- Polizeidirektor v. Oerlinghoff hält Wegenast persönlich den Rücken für die Ermittlungen außerhalb ihres Zuständigkeitsgebiets frei und scheint unangemessen hohes Interesse an ihren Ergebnissen zu haben.
Die Verbindung zwischen den einzelnen Handlungsebenen ist dünn und nicht immer restlos nachvollziehbar. Kommissarin Wegenast glaubt an den Verdacht ihres polnischen Kollegen, dass Deutsche den Mord an der Frau in Krakau begangen haben. Sie kommt im Zusammenhang mit Drogenschmuggel aus Polen einem Pianisten auf die Spur, der zur Tatzeit ein Konzert in Krakau gab. Seine Spuren verlieren sich schnell, doch nach einem Zeitungsbericht über den namen- und gedächtnislosen Klavierspieler im Charité erwächst ihr ein Verdacht. Allerdings ist ein altes Ehepaar vom Bodensee schneller und holt den jungen Schweiger zu sich nach Hause. Mit nicht mehr als einer vagen Vermutung kann Wegenast den Mann nicht aus der glücklich wieder vereinten Familie herausholen, deshalb muss sie den 17 Jahre alten Fall vom Verschwinden des Bastian Jehle wieder aus dem verstaubten Archiv kramen. Und das passt einigen Dörflern überhaupt nicht in den Kram.
Lustlos am Bodensee
Inspiriert von einer Kaspar-Hauser-Nostalgie hat der Autor auf der Suche nach dem dazu passenden Verbrechen einfach mal alles in die Wagschüssel geworfen, woraus man gerne schon mal belanglose Romänchen zusammenstelzt. Nazis, Drogen, Mafia, korrupte Polizisten, ein schweigendes Dorf und Immobiliengeschacher. Man kann Ritzel nicht vorwerfen, dass er nicht zumindest alles versucht hat.
In zentraler Rolle eine - ach wie originell - lesbische Kommissarin, deren forsches Vorgehen sehr gerne auch mal übertrieben schnippisch und fahrig wirkt. Warum sind eigentlich so viele Kommissarinnen lesbisch? Auch hier ragt das Forellenquintett nicht aus dem weiten Trog der Dutzendware heraus. Kennt man schon und auch die Form der Präsentation wirkt weder neu noch liebevoll. Und genauso lustlos werden die anderen Charaktere beschrieben: bemerkenswert schablonenhaft und ohne nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen.
Aber bei aller Belanglosigkeit, richtig traurig wird es erst, wenn man erkennen muss, dass von der sprachlichen Gewandtheit des Autors so gut wie nichts mehr zu spüren ist. Forellenquintett ist eine Kakophonie von aneinanderhängenden Sequenzen, die Sprachwitz und Individualität vermissen lassen. Die Übergänge zwischen den einzelnen Abschnitten wirken ruckhaft und uninspiriert. Von einem bemerkenswerten Sprachgefühl ist leider nichts mehr zu spüren. Forellenquintett hat von der Vitalität der Schubert'schen Komposition leider nicht den Hauch abbekommen. Um den Vergleich zur Musik zu bemühen, es wirkt wie Requiem, ein Dies Irae, gespielt auf ungestimmten Instrumenten.
Ulrich Ritzel, btb
Deine Meinung zu »Forellen-Quintett«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!