Land der Lügen

  • Shayol
  • Erschienen: Januar 2007
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  • New York: Mysterious Press, 2001, Titel: 'The Final Country', Originalsprache
  • Berlin: Shayol, 2007, Seiten: 340, Übersetzt: Katrin Mrugalla
  • London: HarperCollins, 2002, Originalsprache
Land der Lügen
Land der Lügen
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Thomas Kürten
76°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2007

Für eine Nase voll Koks

James Crumley hat zwischen 1969 und 2007 insgesamt vierzehn Romane bzw. Drehbücher geschrieben. Davon sind bislang sechs der insgesamt sieben Romane um seine beiden Ermittler Milo bzw. Sughrue auf deutsch erschienen. Und wenn man seine Bibliographie eines zweiten Blickes würdigt, dann schleicht sich der Eindruck ein, dass dieser Crumley ein nicht ganz einfacher Zeitgenosse ist. Romane außerhalb der Milo/Sughrue-Serie sind teilweise nur in handsignierten Auflagen von wenigen hundert Exemplaren erschienen. Drehbücher von ihm wurden nie verfilmt und dennoch werden - schenkt man der Gerüchteküche Glaube - Liebhaberpreise von mehreren hundert Dollar für die wenigen Drucke gezahlt. Crumley hat eine kleine, sehr treue Fangemeinde.

Die alten Romane von Crumley ließen sich in Deutschland nur schwer verlegen, obwohl der Autor für drei Milo/Sughrue-Romane mit Preisen geehrt wurde. Den vorletzten Versuch startete der Piper-Verlage Ende der 90er Jahre, hielt aber auch nicht lange genug durch, um alle bis dahin erschienenen fünf Romane der Serie in sein Programm aufzunehmen. Nun also erscheint der sechste, ein reiner Milo-Roman, bei Shayol in der Funny-Crimes Reihe The Final Country erhielt 2002 den CWA Silver Dagger.

Auf dem Boden der Tatsachen

Ruhig ist Milos Leben geworden, seit er vor fünf Jahren seiner Liebe Betty Porterfield hinterher nach Texas gezogen ist. Dort hat er sich eine Bar eingerichtet, die sich hervorragend eignet, um das riesige Vermögen von seinem Offshore-Konto zu waschen. Aber ein Leben hinter dem Tresen ist dem Draufgänger Milo zu langweilig und so nimmt er nebenbei noch immer kleine Detektivaufträge an. Ein solcher Auftrag führt ihn in eine andere Bar, wo er Zeuge wird, wie der just aus dem Gefängnis entlassene Enos Walker den Besitzer in Notwehr umbringt. Da Milo inzwischen weiß, dass es der Polizei in Texas ziemlich egal ist, warum ein Farbiger zum Mörder wird, sieht er seine Mission gekommen, Enos Walker zu suchen und ihn vor der Polizei zu finden und so vor der sicheren Todesstrafe zu bewahren. Aber zunächst mal erreicht er nicht mehr, als das große Päckchen Koks auf dem Schreibtisch des toten Kneipenbesitzers in Sicherheit zu bringen.

Kaum einen Schritt ist Milo mit seiner Suche weit gekommen, da erhält er in seiner Bar einen neuen Auftrag: Eine Molly McBride bittet ihn, ihr auf der Suche nach dem Mörder ihrer Schwester behilflich zu sein. Doch die Frau heißt gar nicht Molly McBride und der Treffpunkt erweist sich als Hinterhalt, in den Milo gelockt werden sollte. Die falsche Molly hatte einige Wochen zuvor auch schon Milos Freundin Betty hinters Licht geführt und ihre Pistole entwendet. In den Hinterhalt gelockt kommt es zu einem Handgemenge und der Angreifer, ein korrupter Polizist, erschießt sich selbst mit der von Molly gestohlenen Waffe. Dummerweise ist der Bruder des toten Bullen der Bezirksstaatsanwalt im Gatlin County, weswegen nun auch der ganze Arm des Gesetzes gegen Milo ist - und dem machen die Prügeleien und der gesteigerte Kokskonsum immer mehr Spaß.

Gefühlte 700 Seiten

Natürlich haben der Notwehrmord an dem Barkeeper und der Schussunfall mit Todesfolge miteinander zu tun. Milo findet das jedoch erst spät bei seinem Streifzug durch die ganz und gar nicht verborgene Unterwelt von Texas heraus. Waffen sind nicht nur für Milo auf einfachstem Wege zu bekommen, Kokain ist Allgemeingut und das dreckige Geld kann er gar nicht so schnell waschen, wie er es ausgibt. Dabei erzählt Crumley in einer ganz außergewöhnlichen Dichte. Pointen sitzen, bissige Bemerkungen sind ausgefeilt und die Dialoge nicht selten von einem unterschwelligen Zynismus getragen. Immer wieder stolpert man über Formulierungen, die von schriftstellerischer Genialität zeugen.

Aber Land der Lügen wirkt dabei überfrachtet. Die knapp 350 Seiten lesen sich wie gefühlte 700 Seiten. Die Vielzahl auftretender Personen, die in einem dichten Beziehungsgeflecht stehen, geben immer wieder Anlass zur Verwirrung, so dass die vom Verlag mitgelieferte Übersicht der Hauptpersonen zur meistgelesenen Seite des Werkes wird. Es dauert wirklich lange, bis sich dem Leser erschließt, warum Milo wen gerade besucht und was er zu erfahren hofft. Was aber immer aus diesem Labyrinth der Handlung heraus ragt, ist der Zynismus eines Kriegsveterans, der erkennen muss, wie jeder brave Amerikaner einen Krieg gegen sich selber führt und wie ein Geflecht von Lügen und Gewalt den Alltag prägt. Land der Lügen, das sind 344 Seiten Anstrengung. Aber eine Anstrengung die sich lohnt

Land der Lügen

James Crumley, Shayol

Land der Lügen

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