CSI New York - Der Tote ohne Gesicht
- vgs Egmont
- Erschienen: Januar 2006
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- Köln: vgs Egmont, 2006, Seiten: 304, Übersetzt: Frauke Meier
Mit sicherem Blick auf das verräterische Indiz
Zwei Fälle fordern die Aufmerksamkeit des CSI-Teams um Mac Taylor an einem besonders eisigen Februartag in New York. Nummer 1 wirkt zunächst wie Routine: Im Aufzug eines vornehmen Appartementhauses liegt mit einer Kugel in der Brust die Leiche des Werbetexters Charles Lutnikov. Weder der Pförtner noch die Mitbewohner haben angeblich etwas gehört und gesehen. Doch Blutspuren deuten darauf hin, dass der Verstorbene sich in der Wohnung der prominentesten Bewohnerin des Hauses aufgehalten hat: Louisa Cormier schreibt sehr erfolgreiche Kriminalromane, und sie weiß etwas, das ihr Taylor und seine Kollegin Aiden Burn nur allzu gern erfahren würden.
Fall Nr. 2 wirbelt weitaus mehr Staub auf. Alberta Spanio, einer wichtigen Kronzeugin, wurde in dem Hotelzimmer, das ihr bis zur Verhandlung als Versteck dienen sollte, ein Messer in den Hals gestoßen. Weil der Mann, der ihre Aussage fürchten musste, der gefürchtete Mafiaboss Anthony Marco - ihr Ex-Geliebter - ist, liegt der Verdacht nahe, dass dieser Spanios Tod angeordnet hat.
Doch wie wurde der Mord realisiert? Alberta hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen. Vor der Tür hielten zwei Polizeibeamte Wache. Das einzige Fenster liegt so hoch, dass ein Einsteigen unmöglich ist. Nur die CSI-Spürhunde Danny Messer und Stella Bonasera finden im Todeszimmer verräterische Spuren, die indes so lange nicht zu deuten sind, bis der Mörder ein weiteres Mal zuschlägt.
Inzwischen verdichten sich im Lutnikov-Fall die Hinweise, die auf Louisa Cormier als Täterin hinweisen, die sich offenbar in ihrer schriftstellerischen Arbeit von dem Verstorbenen 'unterstützen' ließ. Wollte Lutnikov nicht mehr nur Geld, sondern endlich auch seinen Teil des Ruhmes, und hat ihn Cormier, die um ihren Ruf fürchten musste, aus dem Weg geräumt? Vielleicht kann die verdächtige Frau nicht wirklich schreiben, doch über die Methoden der Polizei ist sie definitiv so gut informiert, dass sie Taylor und Burn bei ihren Ermittlungen dicke Knüppel zwischen die Beine werfen kann ...
Autor, Polizisten, Verbrecher: Profis am Werk
Selbstverständlich funktioniert das nur bis zu einem gewissen Punkt; die CSI-Truppe lässt sich auch in New York nicht vorführen, sondern wühlt sich durch staubige Räume, steigt in düstere Fahrstuhlschächte, mustert verdächtige Mehlspuren in einer Mafia-Bäckerei und schafft das dabei Gefundene in Science-Fiction-Labors, wo fachkundige Reagenzglas-Jockeys ihnen ihre Mysterien entlocken. Dieser Zweikampf - obwohl von Anfang an entschieden - macht den Reiz aller CSI-TV-Serien aus.
Während Las Vegas und Miami tagsüber sonnig und nachts bonbonbunt gezeigt werden, liegt New York im ständigen Halbschatten. Die Farben sind ausgewaschen und düster: der "Big Apple" liegt in einem klimatisch raueren Teil der USA, und auch das soziale Umfeld ist kühler temperiert. Von der südländisch anmutenden Lässigkeit in Nevada oder Florida ist hier nichts zu spüren.
So soll es sein, doch ist dieses Konzept natürlich im Fernsehen leichter zu vermitteln (weil zu zeigen) als zu beschreiben. Stuart Kaminsky ist freilich ein Veteran der Kriminalschriftstellerei, der außerdem oft als Drehbuchautor arbeitet. Er verfügt über genug Routine, beide Welten zusammenzubringen. Deshalb gelingt ihm das im Filmbuch-Sektor seltene Kunststück, die Atmosphäre des TV-Vorbilds zu treffen, ohne allzu sehr an ihm zu kleben.
Kaminsky weiß, wie man einen Krimi plottet. Auch hier hält er sich an die Vorlage: Wir, die Leser, erfahren bald, wer hinter den beschriebenen Verbrechen steckt. Spannender ist es - und soll es sein - zu beobachten, wie das CSI-Team diesen Vorsprung aufholt. Der Autor geizt mit Indizien bzw. lässt nur finden, was missverständliche Schlüsse provoziert. So wandeln die CSI-Beamten oft auf Fährten, die wir als Sackgassen erkennen. Das schürt die Spannung, zumal jene Schurken, denen Mac Tayler und seine Kollegen auf der Spur sind, die Zeit nutzen, um neues Unheil anzurichten.
Mit großartigen Tricks und unter Nutzung aller dramaturgischen Kniffe verwandeln sich langwierige und - machen wir uns da nichts vor - realiter langweilige Laborarbeit im Fernsehen in ein grandioses Spektakel. Das kleinste Staubkorn speichert wertvolle Hinweise, die man ihm nur entlocken muss, suggerieren uns die CSI-Serien. Auf die entsprechende Bebilderung muss Kaminsky verzichten. Klug beschränkt er sich in den Szenen, die im Labor oder im Seziersaal spielen, auf Szenen, die direkt zur Handlung beitragen. Stattdessen konzentriert er sich auf die Interaktion der Figuren - und er nutzt, was er dem Fernsehen voraus hat: Mit wenigen Sätzen kann Kaminsky seinen Figuren Erlebnisse und Erfahrungen auf den Leib schreiben, die im TV meist nur am Rande berücksichtigt werden oder ganz wegfallen, weil sie aufwändig in Szene gesetzt werden müssten und die Haupthandlung aus dem Rhythmus bringen würden.
Morde zu klären ist ihre Berufung
"CSI: New York" ist eine erfolgreiche TV-Serie, die allerdings im Schatten von "CSI: Miami" und "CSI: Las Vegas" steht. An den Drehbüchern und an der Machart liegt es nicht. Die Schauspieler sind die Ursache. Besetzt sind die Rollen mit hochprofessionellen Darstellern, wie das im US-Fernsehen dieser Qualitätsstufe üblich ist. Doch die Chemie ist eine völlig andere. Mac Taylor ist eine komplexe und fast schon verschlossene Figur. Auch Gil Grissom und Horatio Caine sind Außenseiter, doch zu ihnen findet man rasch einen Zugang. Das New Yorker Team wirkt insgesamt eher professionell als freundlich oder befreundet. Auch dies arbeitet Kaminsky heraus. Taylor & Co. sind nicht sympathisch, so dass uns ihre privaten Probleme und Nöte kaum interessieren.
Deshalb bleiben sie als Figuren blass. Erinnern wird man sich dagegen an Figuren wie den 71-jährigen Kraftmenschen und Mafia-Mörder Big Stevie Guista, mit dem Kaminsky daran erinnert, dass er über einen feinen Sinn für absurde Komik verfügt, den er auch in diese Auftragsarbeit einfließen lässt.
Routine bestimmt ansonsten die Figurenzeichnungen. Da haben wir den skrupellosen, aalglatten Mafiaboss, aalglatte Anwälte, eine aalglatte, kriminelle Krimiautorin, ihre aalglatte Agentin, aalglatte jugendliche Straßengangster ... Die Liste könnte länger sein, aber der Leser ahnt sicherlich, was gemeint ist. Letztlich ist Der Tote ohne Gesicht eben doch der Roman zu einer Fernsehserie. Kaminsky bleibt an Vorgaben gebunden, die ihm in der Handlungsführung wenige und in der Darstellung des CSI-Personals keine Freiräume lassen. Wie sein Schriftsteller-Kollege Max Allan Collins, der Bücher zu den "CSI"-Serien "Las Vegas" und "Miami" verfasst, macht Kaminsky das Beste daraus. Nicht nur die Fans der Serie, sondern auch die 'normalen' Krimi-Leser danken es ihm, denn auch wenn Der Tote ohne Gesicht ein Roman ist, der sicher nicht im Gedächtnis haften bleibt, so liest er sich dennoch flüssig - als Buch für jene Feierabende, an denen das Hirn nicht mehr strapaziert werden kann oder soll.
(Eine Frage bleibt übrigens offen: Wer ist eigentlich "Der Tote ohne Gesicht", von dem im Titel gefaselt wird? Wer in diesem Buch ein gewaltsames Ende findet, bleibt ausnahmslos unverstümmelt und ist sofort zu identifizieren. Wahrscheinlich ist in am Vgs-Filmbuch-Fließband bei der Titelei etwas durcheinander geraten ...)
Stuart M. Kaminsky, vgs Egmont
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